Bildungsprojekte gegen Linksextremismus

Punk geht immer

Das Bundesfamilienministerium setzt beim Kampf gegen Links auf Bildungsprojekte, die Malerei und Punkmusik im Angebot haben.

Die vom Bundesfamilienministerium geförderten Programme für Demokratie und Toleranz, die früher vor allem Projekte gegen Rechtsextremismus unterstützten, widmen sich seit 2010 auch dem Kampf gegen Links. Dafür stellte Familienministerin Kristina Schröder (CDU) kurzerhand zwei Millionen Euro »aus Haushaltsresten« (Zeit) bereit. Es sollte auch Geld in die Grundlagen­forschung fließen. Ein knappes Dutzend Wissenschaftler kritisierte öffentlich diese Pläne: Es sei »nicht erkennbar, dass sich ein gewaltförmiger Linksextremismus ausbreitet und etabliert, der demokratische und menschenrechtliche Grundsätze ablehnt«.
Die Leitung der Evangelischen Hochschule Hamburg wollte sich die 43 000 Euro, mit denen eine Studie zu linksextremen Jugendlichen dotiert war, dennoch nicht entgehen lassen. Erst nach Protesten von Studierenden und Lehrenden wurde der Forschungsauftrag im Sommer schließlich zurückgegeben.
Obwohl also kaum Grundlagenforschung zum Phänomen des Linksextremismus betrieben wird, trägt man dem Anliegen der Bundesregierung im bildungspolitischen Bereich bereits Rechnung. Ein Vorzeigeprojekt ist die Bildungsstätte Jugendhof Scherenberg in Schleswig-Holstein. Dort wird für Schüler die Seminarreihe »Kunstextrem« an­geboten. Themen sind die 68er, die RAF und der »Deutsche Herbst«. Die Teilnehmer sollen ihre »Erfahrungen« aus dem Seminar in »einem künstlerischen Prozess« verarbeiten. Eine Auswahl der Werke auf der Internetseite zeigt expressionistisch anmutende Malereien mit dickem Pinselstrich in rot und schwarz und seltsamerweise auch eine Karikatur von Angela Merkel mit roter Clownsnase, Bart und Brille.

Die Europäische Jugendbildungsstätte in Weimar nimmt ebenfalls am bildungspolitischen Kampf gegen Linksextremismus teil. Zwar werden auf der Homepage nationalistische, rassistische und an­tisemitische Weltbilder zu den »stärksten Bedrohungen der Demokratie« gezählt, aber es wird auch auf Verfassungsschutzberichte verwiesen, die eine Zunahme von Gewaltbereitschaft und antidemokratischen Tendenzen im Bereich des Linksex-tremismus verzeichnen. Deshalb sollen Schüler »demokratische Kompetenz im Diskurs« erlernen. Die Kompetenzen, die innerhalb der drei- bis sechstägigen Seminare erworben werden sollen, sind vielfältig: Verfassungs-, Differenzierungs-, Politik-, Partizipations- und Utopiekompetenz. Die Schüler sollen »Zukunftsentwürfe und Szenarien gesellschaftlicher Veränderung im Sinne der Realisierung des Verfassungsanspruchs« entwickeln.

Die Deutsche Gesellschaft e.V. sucht in diesem Herbst mit einem Präventivworkshop Schulen im gesamten Bundesgebiet auf. Ihr Vorgehen ist durchaus konfrontativ. Im Workshop werden Begriffe, Merkmale und Relevanz der »unterschätzten Gefahr« erläutert und mit empirischen Befunden zu Personenpotential, Straf- und Gewalttaten unterfüttert. Darüber hinaus werden Aktionsfelder und Argumentationsmuster analysiert. Ganz anschaulich, anhand des indizierten Liedes »Kein Gerede« der Band Wizo und des Songs »Bullenschweine« der Gymnasiasten-Punk-Band Normahl. Wizo dürften sich freuen. In den neunziger Jahren erregte die Band Aufsehen mit Auftritten bei den Chaostagen, der Auszeichnung durch die Bild-Zeitung für die »schlechteste Platte 1992«, ­einer Anzeige des Generalvikars aus Regensburg wegen Band-T-Shirts und mit der Indizierung von Liedern. Doch das ist lange her, im vorigen Jahr übertrug sogar der WDR ein Konzert inklu­sive des inkriminierten Titels.
Die Punkband Normahl, die sich Ende der siebziger Jahre gegründet hatte, hat das sprichwört­liche »Haut die Bullen platt wie Stullen« mit ihrem Song »Bullenschweine« geprägt. Dass man anhand von uralten Punksongs über Linksextremismus aufklären möchte, spricht für eine gewisse Ratlosigkeit bezüglich der Frage, wer die extremen Linken eigentlich sind. Davon zeugt auch das vom Bundesministerium für Verfassungsschutz neu aufgelegte Aussteigerprogramm für Personen aus der linken Szene. Die eingerichtete Hotline lockt mit der Unterstützung bei der Wohnungs- und Arbeitssuche und verspricht Hilfe bei Alkohol- und Drogenproblemen.