Bauwagenplatz in Hamburg vor der Räumung

Bambule light

In Hamburg soll der Bauwagenplatz ­»Zomia« geräumt werden. Das zuständige Bezirksamt sucht damit erneut die Konfrontation mit der linken Szene.

In Hamburg droht der Streit um die Zukunft des Bauwagenplatzes »Zomia« zu eskalieren. Ende Oktober hatte der zuständige Bezirk Mitte eine Räumungsverfügung gegen die Bewohner erlassen, deren Frist vergangene Woche verstrichen ist. Der bislang geduldete Platz im Stadtteil Wilhelmsburg soll ersatzlos verschwinden. Initiiert wurde die Verfügung vom Bezirksamtsleiter Markus Schreiber (SPD), der damit erneut zu einer Maßnahme greift, die insbesondere in linken Kreisen auf Missfallen stößt. Erst im Oktober war sein Versuch, unter einer Brücke in St. Pauli hausende Obdachlose zu vertreiben, an spontanen Protesten gescheitert (siehe Jungle World 40/11).
Schreiber hat bereits Erfahrungen in der Konfrontation mit Bewohnern von Bauwagenplätzen. Vor neun Jahren, im November 2002, ordnete er mit Unterstützung des damaligen Innensenators Ronald Schill die Räumung des Bambule-Platzes an. Es kam zu monatelangen Protesten. Damals wie heute gefällt sich der Bezirksamtsleiter in der Rolle des »Tabubrechers«, dem es doch nur um »Recht und Ordnung« gehe, wie er noch im Oktober in der Lokalpresse beteuerte. Auch in Sachen »Zomia« gibt Schreiber vor, dass es ihm nur um die Einhaltung der Gesetze gehe. Der als Industriefläche ausgewiesene Grund sei nicht genehmigungsfähig für Bauwagen, behauptet er.

Die Bewohner von »Zomia« sind davon überzeugt, dass es Schreiber in erster Linie um etwas an­deres geht. »Der Nachbarbezirk Altona hat gerade für zwei Wagenplätze bei identischer Sach- und Rechtslage den Bestand auf Industriegrund für fünf Jahre verlängert. Schreiber will sich auf unsere Kosten profilieren«, sagt der Bewohner Kai Holzapfel. Tatsächlich ist die Situation politisch verfahren. Schreiber gehört zur einflussreichen SPD-Rechten um den Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs, die im Bezirk Mitte schon lange politisch dominiert. Nachdem Schreiber im Streit um die Vertreibung der Obdachlosen zurück­stecken musste, dürften seine Parteigenossen bemüht sein, ihn nicht erneut zu brüskieren.

Doch anscheinend will niemand außer Schreiber einen neuen Konflikt um einen Bauwagenplatz. Das führt zu der absurden Situation, dass sich am vergangenen Donnerstag die Fraktionen von SPD und Grünen in der Bezirksversammlung Altonas in einer gemeinsamen Presseerklärung für den Erhalt von »Zomia« aussprachen, ohne auch nur mit einem Wort die Rolle des Bezirksamts Mitte zu erwähnen. »Der Wagenplatz Zomia ist in Altona willkommen. Die Mehrheitsfraktionen in der Bezirksversammlung Altona erklären ihre Unterstützung für eine Genehmigung des Wagenplatzes in unserem Bezirk«, sagte Thomas Adrian, Vorsitzender der SPD-Bezirksfraktion. »Das Bezirksamt prüft mit Hochdruck mögliche Flächen. Ich hoffe, dass es uns gelingt, einen für alle Seiten tragbaren Kompromiss zu finden«, ergänzte die Grünen-Vertreterin Gesche Boehlich. Die betroffenen Bewohner warten zunächst ab. »Wir streben eine Lösung auf einer perfekt geeigneten Fläche an. Und ehrlich gesagt, auf der stehen wir bereits. Aber wir sind natürlich gesprächsbereit, wenn uns die Stadt ernstgemeinte Alternativen anbietet«, sagt Holzapfel zur neuen Entwicklung.
Über mangelnde Unterstützung dürfte sich »Zomia« nicht sorgen müssen. Neben dem Netzwerk »Recht auf Stadt«, das sich zuletzt als sehr mobilisierungsstark erwiesen hat, haben sich auch autonome Gruppen an die Öffentlichkeit gewandt. »Bisher waren militante Aktionen in Bezug auf Zomia eher selten zu beobachten. Augenscheinlich war dies ein Fehler«, ist auf einem anonymen Flugblatt zu lesen. Angesichts der Räumungsdrohung werde man »nun eine andere Gangart einlegen«, heißt es dort. Am Samstag waren bereits über 2000 Menschen auf einer ersten Demonstration für »Zomia«. Sollte die Hamburger SPD ihren Parteigenossen Schreiber nicht in den Griff bekommen, könnten der Stadt turbulente Proteste bevorstehen.