Dritter Teil einer Serie über Rechtextremismus in der Eurokrise: Finnland

Ein teuflisches Duo

In Finnland lehnt die Partei »Wahre Finnen« jegliche finanzielle Hilfe für bankrotte Euro-Länder ab. Teil 3 einer Serie über rechten Populismus und Extremismus in der Euro-Krise.

Wer in Deutschland lebt, könnte leicht vermuten, die Euro-Krise sei in sämtlichen europäischen Ländern das dominierende Thema. In Skandinavien sieht die Sache jedoch ein wenig anders aus. Natürlich beschäftigt man sich dort auch mit der Schuldenkrise, doch in Norwegen, Dänemark und Schweden wird diese eher als ein Problem der anderen wahrgenommen, von dem das eigene Land und die eigene Gesellschaft nur indirekt betroffen sind. Lediglich in Finnland, dem einzigen Euro-Land im Norden, verhält es sich anders. Dort sind es vor allem die Perussuomalaiset (»Wahre Finnen«), die von den Bänken der Opposition aus das Thema für sich nutzen.
In gewisser Weise ist das nur konsequent, denn neben mehr oder weniger offenem Rassismus war die Ablehnung möglicher Hilfszahlungen an bankrotte Euro-Länder das wichtigste Wahlkampfthema der Partei bei den Wahlen im April. Dass sie damit einen Nerv getroffen haben, ließ sich an dem ebenso schockierenden wie sensationellen Stimmenzuwachs von 4,1 auf 19,1 Prozent ablesen, der die Partei zur drittstärksten Kraft im Parlament machte. Die liberal-konservative Nationale Sammlungspartei und die Sozialdemokraten waren danach sogar gewillt, eine Koalition mit den Rechtspopulisten einzugehen. Die Verhandlungen scheiterten jedoch an der Frage der Hilfszahlungen für ärmere Euro-Länder. Seitdem regiert in Helsinki eine bunt zusammengewürfelte Sechs-Parteien-Koalition. Nur die »Wahren Finnen« und die Zentrumspartei sind nicht in der Regierung vertreten.

Mit ihrer Europapolitik liegen die »Wahren Finnen« ganz auf der Linie der anderen rechtspopulistischen Parteien im Norden. Sowohl die Dänische Volkspartei als auch die Schwedendemokraten geben sich ausgesprochen EU-kritisch und lehnen die Einführung des Euro ab. Dies gilt in ähnlicher Form auch für die gemäßigt populistische Fortschrittspartei in Norwegen, wobei die Debatten dort notwendigerweise ein wenig anders verlaufen, da Norwegen kein Mitglied der EU ist. Allerdings haben alle vier Parteien gemein, dass sie gegenwärtig der Opposition angehören. Kritik an der Regierungspolitik fällt ihnen daher leicht.
Bei den »Wahren Finnen« kommt hinzu, dass sie derzeit mehr als einen Grund haben, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit von ihrer Partei weg und hin zur Euro-Krise zu lenken. Die Partei stolpert von einem Skandal zum nächsten, und ihr Vorsitzender, Timo Soini, der stets bemüht ist, den »Wahren Finnen« zumindest einen Hauch von bürgerlichem Anstrich zu verpassen, ist vor allem damit beschäftigt, für Disziplin in der Par­lamentsfraktion zu sorgen.
Da wäre zum Beispiel der stellvertretende Parteivorsitzende Pentti Oinonen, der sich kürzlich weigerte, den diesjährigen Unabhängkeitsball zu besuchen, da dort auch homosexuelle Paare eingeladen waren. »Das Tanzen von Schwulen im Präsidentenpalast« wertete er als »persönlichen Affront«. Unterstützt wurde Oinonen dabei von seinem Fraktionskollegen Teuvo Hakkarainen, der bereits vor einem halben Jahr mit rassistischen Bemerkungen über Menschen aus Afrika für Schlagzeilen gesorgt hatte. James Hirvisaari, ebenfalls Abgeordneter der »Wahren Finnen«, wurde in der vergangenen Woche zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er sich auf seinem Blog wiederholt rassistisch und antimuslimisch geäußert hatte.
Die größten Sorgen bereitet Soini vermutlich Jussi Halla-aho, ein begeisterter Blogger und ebenfalls Parlamentsabgeordneter der »Wahren Finnen«. Sein Blog »Scripta« bietet ein verstörendes Sammelsurium aus Rassismus, Homophobie und Antisemitismus. Auch zum Thema Euro-Krise vertritt Halla-aho eine ganz eigene Meinung: »Was Griechenland jetzt braucht, ist eine Militärjunta, die die Streikenden und die Randalierer mit Panzern zur Raison bringt«, schrieb er im September. Timo Soini reagierte damals, indem er ihn für zwei Wochen aus der Fraktion ausschließen ließ.
Doch Soini braucht Halla-aho. Er ist sein Pendant, der bad cop zu dem good cop, den der Parteivorsitzende spielt. Soini ist das Gesicht der Partei, das die bürgerliche Mitte ansprechen soll. Halla-aho ist die Integrationsfigur für alle, die politisch weiter rechts stehen. Der promovierte Slawist gehört, ebenso wie drei weitere Mitglieder seiner Parlamentsfraktion, der neurechten Gruppierung Suomen Sisu an. Und vor allem erfreut er sich einer ungemeinen Beliebtheit. Bei den letzten Wahlen stand er bei den Direktstimmen aller Kandidaten an sechster Stelle, damit liegt er in der Partei unmittelbar hinter Soini, der landesweit die meisten Stimmen auf sich vereinen konnte. In der Arbeitsteilung der beiden ist Halla-aho für die Verbereitung rassistischer Ressentiments zuständig, während Soini sich vor allem zu Wirtschaftsthemen äußert.

Derzeit agitieren Soini und seine Partei gegen den »Europäischen Stabilitätsmechanismus« (ESM). Ginge es nach ihnen, würde Finnland sich unter keinen Umständen an ihm beteiligen, die Partei lehnt ohnehin jegliche Hilfe an ärmere Euro-Staaten ab. Diese Position wird zwar von den Parteien der Regierungskoalition nicht geteilt, dennoch ist wahrnehmbar, dass der Euro-Skeptizismus der »Wahren Finnen« auch auf andere Parteien abfärbt. Traditionell ist man in Finnland der EU wohlgesinnt. In der aktuellen Debatte ist davon jedoch wenig zu merken. Zwar lehnen die anderen Parteien den ESM nicht grundsätzlich ab, sie sperren sich jedoch gegen das vorgesehene Prinzip der Entscheidung durch eine qualifizierte Mehrheit von 85 Prozent. Wenn Entscheidungen nicht im Konsens getroffen werden, solle Finnland nicht am ESM teilnehmen, finden die Vertreter der Sozialdemokraten. Die Nationale Sammlungspartei plädiert zumindest dafür, das Parlament darüber entscheiden lassen.
Die finnische Debatte über Maßnahmen in der Euro-Krise spielt sich ab vor dem Hintergrund des laufenden Präsidentschaftswahlkampfs. Es gilt als sicher, dass Sauli Niinistö von der Nationalen Sammlungspartei die Wahl am 22. Januar gewinnen wird. In den Umfragen liegt er deutlich vor allen anderen Kandidaten. Sollte allerdings Timo Soini, wie fast alle Umfragen prognostizieren, bei den Wahlen an nächster Stelle hinter Niinistö liegen, dürfte die Position der »Wahren Finnen« enorm gestärkt werden.