Die geplanten Krisenproteste in Frankfurt

Zweimal Frankfurt und zurück

Für den Frühling planen verschiedene linke Gruppen Krisenproteste in Frankfurt am Main. Ein Bündnis will weg von der Bankenkritik und stellt die europäische und deutsche Krisenpolitik in den Vordergrund.

»Friedliche Evolution« stand auf einem gelben Banner, auf einem weißen prangte der Slogan: »Neoliberal ist asozial«. Auch eine Tafel mit dem Spruch »Wir sind das Volk« durfte nicht fehlen, als am vergangenen Samstag die »Occupy«-Bewegung in Dresden auf die Straße ging. Mit knapp 150 Teilnehmern lag die Demonstration in der Stadt durchaus im Trend, denn an ihrem dezentralen Aktionstag brachte die »Occupy«-Bewegung auch in den mehr als 40 anderen Städten – von Ansbach bis Würzburg – selten mehr Menschen auf die Straße. In der Regel lag die Beteiligung im zweistelligen oder unteren dreistelligen Bereich. Dass die Bewegung auch im neuen Jahr noch ein Faktor ist, daran durfte bereits gezweifelt werden, als in der vergangenen Woche, bei der Räumung des »Occupy«-Camps in Berlin-Mitte gerade einmal 15 Menschen passiven Widerstand leisteten. Nach einer Phase des Aufstiegs stagnierte die Bewegung zunächst und tritt nun offenbar in das Stadium des Verfalls ein – eine Entwicklung, wie sie viele Bewegungen schon zuvor durchgemacht haben.
Die Medien, die die »Occupy«-Bewegung im vergangenen Herbst noch als unideologische, pragmatische Kritiker des »Neoliberalismus« gefeiert haben, schreiben dieselbe nun nieder. Was vor einigen Monaten noch in der großen Presse als »Schwarmintelligenz« gelobt wurde, wird der Bewegung mittlerweile als Schwarmdummheit angekreidet.

Wenn Bewegungen zerfallen und sich viele Aktivisten zurückziehen, spielen immer auch interne Differenzen eine Rolle. Das war bei den »Occupy«-Protesten in Deutschland nicht anders. Hier kommt jedoch noch hinzu, dass das Leben in einem öffentlichen Camp im Winter eher ein körperlicher denn ein politischer Härtetest ist – oder auch ein sozialer. Vor allem in Frankfurt am Main wurde das Camp zunehmend zu einem Zufluchtsraum für Wohnungslose, die dort einen gewissen Schutz vor der Polizei, Sicherheitsdiensten und »Aktivbürgern« fanden. Dieses Sichtbarmachen von Armut und Obdachlosigkeit in einem reichen Land könnte durchaus ein Politikum sein, spielte aber in der Außendarstellung der Bewegung kaum eine Rolle. Stattdessen erging sich auch der zen­trale Aufruf zum Aktionstag in Platitüden – nach dem Motto: »Die Zeit ist reif für einen Politikwechsel« –, die häufig wirken, als wolle man die Politik lediglich beraten.
Viele radikale Linke in Deutschland standen der »Occupy«-Bewegung ohnehin skeptisch gegenüber. Nun mobilisieren sie jenseits von Occupy zu einem eigenen Protesttermin am 31. März, »M31« heißt die Kampagne. Für diesen Tag rufen linke Gruppen und Basisgewerkschaften in verschiedenen Ländern zu einem europaweiten Aktionstag »gegen den Kapitalismus« auf. An dem europaweiten Bündnis sind Gruppen aus Griechenland, Belgien, Österreich, Italien, Frankreich und Polen beteiligt. In Deutschland wiederum ist eine zen­trale Demonstration in Frankfurt am Main geplant, unter anderem organisiert vom »sozialrevolutionären und antinationalen Krisenbündnis« aus Frankfurt und dem bundesweiten, kommunistischen »Ums-Ganze«-Bündnis. Obwohl die Europäische Zentralbank ein Ziel der Demonstration sein soll, ist nicht Bankenkritik das Anliegen. In dem zentralen Mobilisierungsaufruf steht die Krisenpolitik der EU-Staaten im Mittelpunkt der Kritik.

»Die neoliberale Transformation der vergangenen Jahrzehnte hat auch die Finanzmärkte überkochen lassen. Ob Dotcom-Boom, Immobilienfonds oder Derivatehandel – seit Jahren platzen die Spekulationsblasen, auf jeden Boom folgt ein Einbruch«, heißt es in dem Aufruf zum »M31«. Und weiter: »Schuld daran sind nicht die vermeintliche Gier und Korruption einer kleinen Elite, wie viele glauben. Schuld ist die alltägliche Profitlogik, der wir alle unterworfen sind, ob wir wollen oder nicht.«
In den Stellungnahmen der initiierenden Gruppen und Bündnisse ist eine klare Ablehnung nationaler Interessenpolitik und nationalistischer Krisenideologien zu erkennen. Auch die Vorschläge zur Krisenregulierung, wie sie von Attac, aber auch einem Großteil der »Occupy«-Bewegung propagiert werden, finden bei ihnen, denen es erklärtermaßen um eine grundlegende Kapitalismuskritik geht, offenbar wenig Zustimmung. »Die europäische Krisenpolitik ist so spekulativ, wie es der Kapitalismus immer war. Denn schärferes Sparen gefährdet die ökonomische Stabilität genau so wie Wachstum auf Pump. Es gibt im Kapitalismus keinen sicheren Weg, nur permanentes Krisenmanagement«, ist in dem Aufruf weiter zu lesen.
Die Initiatoren schlagen darüber hinaus eine fortwährende europaweite Mobilisierung von »nicht staatstragenden« Linken und Basisgewerkschaften über den 31. März hinaus vor. Dass sie sich gerade auf diese Akteure stützen möchten, dürfte auch als Kritik an den etablierten deutschen Gewerkschaften zu verstehen sein. Große Teile des Bündnisses hatten zumindest in den vergangenen Jahren immer wieder auf deren Verantwortung bei der Errichtung eines Niedriglohnsektors verwiesen, auf dem die deutsche Krisenpolitik wesentlich basiert, und ihre Rolle im europäischen Unterbietungswettbewerb bei den Löhnen scharf kritisiert.

Die Aktionsfähigkeit über den einen Tag hinaus unter Beweis zu stellen, wird auch für das neue Bündnis die große Herausforderung sein. Zur Diskussion dürfte dann zudem stehen, ob es eineinhalb Monate später wieder zum Protest in Frankfurt auffordert. Denn Mitte Mai soll erneut in der Stadt – und wieder im Rahmen eines internationalen Aktionstags – demonstriert und blockiert werden. Dazu ruft derzeit vor allem die »Interventionistische Linke« auf. In dem Kurzaufruf stehen die »Occupy«-Bewegung und die Aufstände im arabischen Raum als Bezugspunkte wahllos nebeneinander. Etwas nebulös wird von »einer weiteren Agora der Bewegungen« gesprochen, die um den 15. Mai herum in Erscheinung treten soll.
Am kommenden Wochenende sollen nun weitere Details der geplanten Proteste besprochen werden – selbstverständlich in Frankfurt. Während die M31-Aktivisten für den Samstag zu einem Vorbereitungstreffen laden, tagt die »Interventionistische Linke« einen Tag später im Frankfurter Gewerkschaftshaus. Obwohl beide Bündnisse vereinbart haben, sich gegenseitig zu bewerben und zu unterstützen, gibt es auch Kritik daran, dass innerhalb weniger Wochen gleich zu zwei Großaktionen mobilisiert werden soll. Aus dem Umfeld der M31-Initiatoren wird etwa darauf verwiesen, dass die Bereitschaft zum Widerstand in der deutschen Bevölkerung nicht gerade gewachsen sein dürfte. Schließlich stritten auch die Gewerkschaften und die Oppositionsparteien mit der Bundesregierung nur darum, wer sich besser um den deutschen Standort kümmere. Ob die Besinnung auf die eigene Rolle als linke Minderheit dazu taugt, über den 31. März hinaus handlungsfähig zu sein, wird sich zeigen. Immerhin wirkt es schon einmal reflektierter, sich nicht auf eine diffuse Stimmung gegen die Banken, gegen »die da oben« oder etwa auf die ominösen 99 Prozent zu beziehen.