Die Haltung des Westens gegenüber Libyen damals und Syrien heute

Nicht mehr zweite Liga

Von einer konsequenten Unterstützung des Westens für die Demokratiebewegung in islamischen Staaten kann nicht die Rede sein. Die Golfmonarchien hingegen nutzen ihre Chance.

Falls Abd al-Rahim al-Keib einen Groll gegen Firmen hegt, die mit Muammar al-Gaddafi kooperierten, verbirgt er ihn. Der libysche Premierminister begrüßte die Investitionsbereitschaft des deutschen Energiekonzerns Wintershall. Dessen Vorstandsvorsitzender Rainer Seele sagte: »Wintershall ist seit mehr als 50 Jahren in Libyen aktiv und dem Land sehr verbunden.« Ob König, »Revolutionsführer« oder Übergangsregierung – Hauptsache, das Geschäft läuft. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass die libyschen Revolutionäre die Förderlizenzen neu verteilen werden, um ihre Unterstützer zu belohnen. Darauf deutet auch die Ölpolitik des Irak hin. Den letzten größeren Kontrakt ergatterte dort Samsung, ein südkoreanischer Konzern. US-Firmen haben nicht einmal eine privilegierte Position gegenüber russischen Konkurrenten wie Lukoil. Zudem bezahlt die irakische Regierung ausländische Unternehmen meist für Diensteistungen, während Gaddafi generöser war und sie an der Produktion beteiligte, also Einfluss auf die Förderpolitik nehmen und vom steigenden Öl- und Gaspreis profitieren ließ.
Dennoch halten viele Linke am Klischee des Raubkrieges um libysche Ölquellen fest, teils aus intellektueller Bequemlichkeit, oft aber auch, weil verzweifelt nach Argumenten gegen Aufständische gesucht wird, die man diskreditieren will, weil sie mit der Nato kooperierten. Doch einiges hat sich seit dem Kalten Krieg geändert. Ein Aufstand gegen ein prowestliches Regime gilt nicht mehr grundsätzlich als Gefahr. Von einem konsequenten Einsatz für die Demokratie kann allerdings nicht die Rede sein, die Autokraten Zentral­asiens und die Golfmonarchen werden noch immer hofiert. Unterstützung wird Revolutionären in islamischen Staaten frühestens dann gewährt, wenn deutlich geworden ist, dass die alten Machtverhältnisse nicht mehr zu halten sind und man glaubt, ein regime change sei der Stabilität zuträglich. Überdies sollen die potentiellen Folgen einer Militärintervention überschaubar sein. Das ist in Syrien nicht der Fall.
Geändert haben sich seit 1990 auch die globalen Machtverhältnisse. Die reichen Staaten der Arabischen Liga, die Emissäre der EU mittlerweile als Bittsteller in Sachen Euro-Krise empfangen, können schwerlich als Vasallen des Westens gelten. Die Golfmonarchen hatten großen Einfluss auf die Militärintervention in Libyen und werden auch mitentscheiden, was in Syrien geschieht. Sie, und nicht die üblichen Verdächtigen in Washington, drängen auf ein härteres Vorgehen.
Die Gefahr besteht jedoch nicht darin, dass auch syrische Zivilisten vor Massakern geschützt werden könnten. Die Golfmonarchen hoffen, die arabischen Aufstände nutzen zu können, um ihre Feinde Syrien und Iran zu schwächen, gleichzeitig wollen sie aber eine Demokratisierung verhindern, die auch ihre Herrschaft gefährden könnte. Sie haben keine Bedenken, sich in »innere Angelegenheiten« anderer Staaten einzumischen und die Kandidaten ihrer Wahl, Islamisten und unter diesen vor allem Salafisten, mit Geld und Waffen zu unterstützen. Die USA scheinen dieses Vorgehen zu billigen, öffentlich kritisiert wurde es bislang von keiner westlichen Regierung. Auch im Machtkampf mit den Islamisten steht die Demokratiebewegung allein.