Die spanischen Konservativen und die katholische Kirche

Gott hilft nicht beim Sparen

Die regierende spanische Volkspartei pflegt ihren Konservatismus und den Kontakt zur katholischen Kirche. In Zeiten der Krise kommt sie um eine Offenheit für weltliche Probleme aber nicht herum.

Die Volkspartei bleibt christlich. Die konservative Politikerin Cristina Cifuentes konnte sich mit ihrem Antrag, den Begriff aus dem Selbstverständnis der spanischen Regierungspartei zu streichen, nicht durchsetzen und sprach angesichts der Reaktionen auf ihren Vorschlag gar von einer »Lynchatmosphäre«. Abgesehen von diesem Vorfall war die Stimmung auf dem Parteitag des Partido Popular (PP), der am vergangenen Wochenende in Sevilla stattfand, aber prächtig. Die konservative Partei, die bei den Wahlen am 20. November des vergangenen Jahres das beste Ergebnis ihrer Geschichte erzielte, nutze die Veranstaltung, um Geschlossenheit zu demons­trieren. Inhaltliche Schwierigkeiten, die aus dem Wechsel von der Opposition in die Regierung resultieren, wurden elegant umgangen. Das gilt insbesondere für Themen, die die immer widersprüchlichere Beziehung der Partei zur katholischen Kirche berühren.
So hatte vor dem Parteitag Justizminister Alberto Ruiz-Gallardón mit der Aussage für Aufsehen gesorgt, dass er das Gesetz über die gleich­geschlechtliche Ehe nicht für verfassungswidrig halte. Die konservative Partei hatte 2005 eine Klage beim spanischen Verfassungsgericht eingereicht, mit der Begründung, die Verfassung sehe die Ehe nur zwischen Männern und Frauen vor. Über den Fall wurde noch nicht entschieden, aber es wird allgemein angenommen, dass das Gesetz letztendlich für verfassungskonform erklärt werden wird. Ein Antrag, der die sofortige Akzeptanz der gleichgeschlechtlichen Ehe durch die Partei bewirken sollte, wurde nicht angenommen. Der PP will stattdessen die Entscheidung des Verfassungsgerichtes abwarten, um sie dann als eigene Position zu übernehmen. Damit wurde eine lang andauernde parteiinterne Kontroverse beendet.

Der PP pflegt heutzutage einen vergleichsweise pragmatischen Umgang mit religiösen Fragen. Dass die katholische Kirche unter dem neuen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy, verglichen mit früheren Zeiten, nur geringen Einfluss hat, wird schon anhand der Zusammensetzung der Regierung deutlich. Zwar sind in ihr immer noch einige Mitglieder der ultrakonservativen Organisation Opus Dei vertreten, zum Beispiel der Innenminister Jorge Fernández Díaz, überwiegend setzt sich die Regierung aber aus Politikerinnen und Politikern zusammen, die enge Beziehungen zur Wirtschaft haben und in erster Linie wirtschaftsliberales Gedankengut vertreten. Die religiöse Rechte sieht sich schon seit längerem mit einem schleichenden Verlust ihres Einflusses konfrontiert. Dies hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass sie sich mittlerweile seit Jahrzehnten trotzig jeder Modernisierung widersetzt. Als Konsequenz verliert sie nun sogar in ihrer Hauspartei an Einfluss. Denn auch im konservativen Milieu haben sich die Lebensentwürfe in den vergangenen Jahrzehnten gewandelt.
Deutlich wurde dies zuletzt im Januar, als der Erzbischof von Valladolid die Regierungssprecherin Soraya Sáenz de Santamaría öffentlich zurechtwies, weil sie zwar standesamtlich, aber nicht kirchlich getraut ist. Insbesondere nahm er Anstoß daran, weil Santamaría in der Osterwoche als Rednerin im Rahmen einer religiösen Zeremonie in seiner Stadt vorgesehen ist. Zu einem ähnlichen Disput kam es vor einigen Jahren, als Dolores de Cospedal zur Vorsitzenden des PP im Bezirk Castilla-La Mancha gewählt wurde. Der Erzbischof von Toledo kritisierte diese Entscheidung, da Cospedal sich als alleinerziehende Mutter anderen Aufgaben zu widmen habe. Seine reaktionäre Haltung stellte jüngst auch der Erz­bischof von Tarragona unter Beweis, als er gegenüber dem Fernsehsender TV-3 behauptete, das Verhalten von Homosexuellen gegenüber der Gesellschaft sei »nicht angemessen«. »Die Kirche kann reden, aber zwingen können wir niemanden, denn wir verfügen weder über Polizei noch über Gefängnisse. Mehr als jemals zuvor muss die Kirche heute sagen, was gut und was schlecht ist«, fügte er hinzu.

Mit solchen Äußerungen stoßen die Vertreter der katholischen Kirche bis weit in die konservativen Milieus hinein auf Unverständnis. Die große Mehrheit der spanischen Bevölkerung gibt in Umfragen an, sich mit dem katholischen Glauben zu identifizieren, aber nur zu besonderen Anlässen an religiösen Zeremonien teilzunehmen. Im Alltag spielt die Religion für die meisten Spanierinnen und Spanier keine Rolle. In diesem Zusammenhang hat sich die Selbstbezeichnung als »católicos light« etabliert. Für den PP bedeutet das, dass eine gewisse Distanz zur Kirche strategisch nicht ungünstig ist, auch wenn die Partei nach wie vor Wert darauf legt, die Gläubigen an sich zu binden. Nach drei Jahren Wirtschaftskrise und mit einer unsicheren Zukunft setzen die modernen Konservativen weniger auf Religiosität als auf die heilende Wirkung von Wirtschaftsreformen, die von einer neoliberalen Ideologie beeinflusst sind. Zusätzlich werden persönliche Vorteile in Anspruch genommen, wo dies eben möglich ist.
Der als »Caso Gürtel« bekannt gewordene Korruptionsskandal, in dessen Zentrum Politiker und Unternehmer aus dem Umfeld des PP stehen, gibt einen Eindruck davon, wie ausgeprägt der Einfluss der Konservativen in den staatlichen Institutionen ist: Am 25. Januar wurde der ehemalige Ministerpräsident der autonomen Region Valencia, Francisco Camps, vom Verdacht der Bestechlichkeit freigesprochen, obwohl die Beweislage gegen ihn alles andere als dünn war. Wenig später wurde der international bekannte Richter Baltasar Garzón, der die Aufdeckung des Skandals vorantrieb, zu elf Jahren Berufsverbot verurteilt, weil er Gespräche zwischen Beschuldigten und ihren Anwälten abhören ließ – was nicht unüblich ist, aber in diesem Fall wichtige Persönlichkeiten aus dem Umfeld des PP betraf (Jungle World 5/12). Zurzeit können die spanischen Konservativen augenscheinlich auf die moralische Absolution der katholischen Kirche verzichten. Denn gegen die nahende Rezession hilft kein Gebet. Zumindest das haben viele spanische Konservative zwischenzeitlich erkannt.