Griechische Medien in der Krise

Umsonst arbeiten ist auch keine Lösung

Die Arbeit von Journalisten wird in Griechenland infolge der Krise nicht nur prekärer, sondern auch immer gefährlicher.

Sie haben sich gegen die alles überrollende Krise gestemmt und ein wenig Hoffnung auf erfolgreichen Widerstand aufkommen lassen. Seit August 2011 bekommen die Redakteure, Grafiker und Drucker der Eleftherotypia, der ehemals zweitgrößten Tageszeitung Griechenlands, keine Gehälter mehr ausgezahlt. Ein halbes Jahr lang haben sie umsonst gearbeitet. Es folgte ein Streik über 45 Tage. Schließlich hat die Belegschaft das Blatt selbst komplett in die Hand genommen und zwei Ausgaben des Streikblatts Eletherotypia der Arbeiter herausgebracht. Die Tageszeitung, die sich auf dem deutschen Zeitungsmarkt wohl zwischen Tagesspiegel und Taz ansiedeln würde, galt schon immer als progressiv und unabhängig. Sie wurde im Jahr 1975 gegründet und gehörte den Journalistinnen und Journalisten, bis die Brüder Tegopoulos sie im Jahre 1978 übernahmen. Die traditionell sozialistische Ausrichtung des Blattes wurde aber weiterhin beibehalten.

Im Januar 2012 erschien die erste Ausgabe der selbstverwalteten Eletherotypia der Arbeiter mit einer Auflage von 40 000 Exemplaren. Die Resonanz war groß. Trotzdem konnten die knapp 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht von den Einnahmen leben. »Dennoch war die Stimmung unter der Belegschaft sehr gut«, erzählt Moisis Litsis, der lange Zeit Wirtschaftsredakteur bei der Eleftherotypia war und jetzt Mitglied im Redaktionskomitee des Streikblatts ist. Die nächste und bisher letzte Ausgabe erschien mit einer gesteigerten Auflage von 65 000 Exemplaren im Februar. Seit gut acht Monaten bekommen die Journalistinnen und Journalisten keine Gehälter mehr. »Da beginnen viele, erst einmal an sich und ihre Familien zu denken und weniger an ein Streikblatt, das kaum Geld abwirft«, gibt Litsis zu, der auch stellvertretendes Mitglied im Vorstand der griechischen Journalistengewerkschaft ist. Eine weitere Ausgabe sei nicht in Sicht.
Der 50jährige Vater von zwei erwachsenen Kindern muss selbst sparen, wo es nur geht. Unterstützung bekommt er von Freunden oder von Familienmitgliedern. »Ich habe große Sorge, die Bildung meiner Kinder nicht finanzieren zu können. Mit 50 ist es sehr schwer, wieder eine Arbeit zu bekommen. Ich würde auch kellnern gehen, aber es gibt nirgends Jobs. Es interessiert keinen, wie wir Journalisten hier überleben.«
Nun befürchtet Litsis, die griechische Medienlandschaft könnte sich in die achtziger Jahre zurückentwickeln: »Damals war der Zeitungsmarkt in zwei Lager geteilt: der Pasok auf der einen Seite und der Nea Demokratia auf der anderen. Es herrschte insofern Zensur, dass keine Zeitung es sich mit leitenden Personen der entsprechenden Partei verscherzen wollte«, sagt er. Die Eleftherotypia habe damals einen einzigartigen Standpunkt in der griechischen Medienlandschaft vertreten: »Sie war in ihrer Meinungsvielfalt schon immer sehr breit gefächert. Sie fehlt dringend.«
Seit Beginn der Wirtschaftskrise finden Zeitungen in Griechenland immer weniger Absatz. Viele Verlage mussten den Betrieb einstellen oder drastisch reduzieren. Der Umsatz der börsennotierten Medienunternehmen ist fast um die Hälfte zurückgegangen. Die Kreditbelastung betroffener Medien beträgt in vielen Fällen fast den Jahresumsatz. So musste die griechische Mediengruppe DOL die Erscheinungsfrequenz ihrer Tageszeitung To Vima auf die Sonntagsausgabe beschränken. Die Zeitungen Apogevmatini, Eleftheros und Kosmos tou Ependytis haben ihren Betrieb ganz eingestellt.
Viele Journalistinnen und Journalisten, die ihre ausgebliebenen Gehälter vor Gericht eingeklagt haben, warten bisher vergeblich auf ihre Abfindungen. Viele von ihnen müssen daher mit einem sehr geringen Arbeitslosengeld auskommen. Bisher betrug die Arbeitslosenhilfe einheitlich 461,40 Euro pro Monat. Seit März 2012 wurde dieser Betrag nach den neuesten Sparbeschlüssen um 22 Prozent gesenkt. Der Grundbetrag der Arbeitslosenhilfe berechnet sich jetzt auf Basis des vom neuen Memorandum vorgesehenen Mindestlohns und liegt bei 360 Euro pro Monat. Nach einem Jahr erlischt der Anspruch auf die staatliche Unterstützung und es droht der vollkommene Absturz.

Medienschaffenden, die noch eine Stelle haben, geht es nicht unbedingt besser. Sie werden mit der grassierenden Arbeitslosigkeit auf dem Markt erpresst und ihnen werden Individualverträge mit inakzeptablen Arbeitsbedingungen und Niedrigstlöhnen anstatt der branchenüblichen Tarifverträge vorgelegt. Verweigern sie ihre Einwilligung, droht die Kündigung. Durch Beschlüsse der Troika aus EU-Kommission, IWF und EZB ist dies gesetzlich erlaubt.
Experten schätzen, dass bestenfalls 4 000 hauptberufliche Journalistinnen und Journalisten die Krise überstehen werden. Nach offiziellen Angaben der Versicherungskassen befinden sich derzeit mehr als 1 300 Journalistinnen und Journalisten unter »ständiger psychiatrischer Beobachtung«. Hauptgrund ist die ständige Angst vor Arbeitslosigkeit. Dass sie sich auch beruflich dauerhaft mit der Krise befassen, ist für ihren Zustand nicht förderlich. Mit öffentlichen Stellungnahmen über ihre Situation sind griechische Journalistinnen und Journalisten derzeit sehr zögerlich. Sie haben nicht nur Angst um ihren Arbeitsplatz, sondern auch davor, in den Fokus der Öffentlichkeit zu gelangen. Sie fühlen sich in Griechenland nicht geschützt.
Daher haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der griechischen Massenmedien vor gut zwei Wochen vor dem Bürgerschutzministerium in Athen demonstriert. Ihr Protest richtete sich gegen die Polizeigewalt gegenüber Journalisten und Fotoreportern nach einer Kundgebung in Athen, bei der Marios Lolos, der Vorsitzende der Vereinigung der Fotoreporter Griechenlands, schwer verletzt worden war. Lolos sagte nach Angaben seines Verbandes, er sei bei der Räumung des Syntagma-Platzes von hinten mit einem Schlagstock am Kopf getroffen worden, obwohl deutlich zu erkennen gewesen sei, dass er Journalist ist. Er wird sein Leben lang eine Eisenplatte im Kopf tragen müssen. Zwei Tage zuvor war eine Journalistin bei einem ähnlichen Zwischenfall verletzt worden. Der Fotograf Manolis Kipraios erlitt ernsthafte Gehörschäden nach einer Demonstration und bezeichnet sich als Opfer einer gezielten Attacke der Polizei: »Ich wollte nur fotografieren, ein Polizist fragte mich, was ich da tue. Ich antwortete, dass ich hier arbeite.« Dann eskalierte die Situation: »Ich stellte mich in eine Einfahrt und eine Tränengaspatrone detonierte direkt neben mir.« Auch der Dachverband der Journalistenvereinigungen vermutet in einigen Fällen gezielte Angriffe der Polizei mit dem Ziel, »Informationen zu manipulieren«, und warnt vor einem »Ende der Pressefreiheit«.