Spanische Arbeitssuchende in Deutschland

Schlechtes Wetter, miese Jobs

Für viele Spanier gestaltet sich die Arbeitssuche in Deutschland schwierig. Von deutschen Behörden erhalten sie keine Unterstützung.

Deutschland feiert sich selbst, die Medien beschwören das »Wirtschaftswunderland Deutschland« im Gegensatz zum »Krisenland Spanien«. Die Berichterstattung über spanische Arbeitnehmer in Deutschlandist ist populär: »Hauptsache Zukunft! Junge Spanier in Deutschland«, hieß es im Februar auf Spiegel Online. Im März widmete der Tagesspiegel dem Thema eine ganze Seite und berichtete unter dem Titel »Hier steppt der Stier« über zugezogene Spanier in Berlin. Kurz darauf präsentierte die ARD in der Reportage »In Deutschland willkommen – junge Arbeitsauswanderer aus Spanien« arbeitswillige Ingenieure aus Andalusien in Köln.

Deutschland scheint – im Gegensatz zum krisengeschüttelten Spanien mit seiner hohen Arbeits­losigkeit – ein Garant für eine ökonomisch sichere Zukunft und somit ein Anziehungspunkt für zahlreiche Südeuropäer zu sein. Die Übersetzerin Maria Fernandez hingegen wundert sich über das Bild, das von deutschen Medien gezeichnet wird, und verweist auf Zahlen des Statistischen Bundesamts. Demzufolge lebten 2010 zwar insgesamt 105 401 Spanier in der Bundesrepublik Deutschland, zwischen 2002 und 2009 hatte ihre Zahl aber beständig abgenommen, von 127 465 auf 104 002. Erst 2010 kam es zu einem leichten Zuwachs, der seither allerdings – Medienberichten zufolge  – stetig größer wird.
Im Vergleich dazu lebten im selben Jahr 178 402 Deutsche in Spanien, deren Anzahl im Jahr 2011 – das spanische Amt für Statistik arbeitet schneller als das deutsche – auf 195 987 gestiegen ist. Bislang zog es also mehr Bundesbürger in das krisengeschüttelte, aber sonnige Spanien als Spanier nach Deutschland. »Böse Zungen behaupten, die Deutschen, insbesondere Rentner, kämen, um sich auf unsere Kosten medizinisch versorgen zu lassen«, sagt Maria.

Maria Fernandez selbst ist nach zehn Jahren ­Leben und Arbeiten in Berlin im vorigen Jahr nach Madrid zurückgekehrt. Die freiberufliche Übersetzerin war die Probleme mit deutschen Behörden und die hohen Kosten für ihre private Kranken- und Rentenversicherung leid. »Hier in Spanien«, sagt sie, »bezahle ich als Freiberuflerin monatlich zwischen 220 und 250 Euro, dafür bin ich kranken- und rentenversichert. Wenn ich mich arbeitslos melden müsste, bekäme ich derzeit zwischen 300 und 400 Euro Arbeitslosengeld im Monat.«
Maria bevorzugt das spanische Gesundheitssystem, denn es garantiert allen eine staatliche Grundversorgung. Bei nicht lebensbedrohenden Krankheiten kommt es zwar mitunter zu längeren Wartezeiten, aber es gibt die Möglichkeit, eine Zusatzversicherung abschließen, wenn man dies vermeiden will. Auch hinsichtlich ihrer Altersversorgung vertraut sie der Vorsorge in Spanien. »In Deutschland ist fast alles privatisiert«, sagt sie, »in Spanien hingegen stimmt die Grundversorgung.« Ihre prekäre Situation als Freiberuflerin in Berlin empfand sie irgendwann nur noch als frustrierend.
Von Frustration kann bei Ana noch keine Rede sein. »Ich stamme aus einem kleinen Ort in Asturien«, sagt sie, »Berlin ist für mich eine interessante Stadt – aber Arbeit gibt es hier auch nicht.« Deshalb wird die junge Frau, wenn sie den obligatorischen Integrationskurs abgeschlossen hat, den sie derzeit in Berlin absolviert, auf der Suche nach Arbeit so schnell wie möglich weiterziehen: »Ich versuche es in Baden-Württemberg, dort soll es besser sein.«
Jorge Munoz hingegen bleibt vorerst in Berlin, verliert aber langsam die Geduld. »Ich bin diplomierter Spanischlehrer, aber es ist in Deutschland unmöglich, eine Anstellung in einer Sprachschule oder bei einem Bildungsträger zu bekommen.« Das gesamte Weiterbildungssystem in Deutschland funktioniere nur noch auf der Basis von schlechtbezahlten Honorarverträgen. Er habe den Eindruck, dass überwiegend junge Menschen oder Studenten beschäftigt würden, weil sie besonders billige Arbeitskräfte seien. »Ich fühle mich auch wegen meines Alters diskriminiert«, sagt der 52jährige.
Als Arbeitssuchender ist er derzeit vom Jobcenter abhängig, dort biete man ihm ausschließlich Arbeit im Callcenter an. Von den Callcentern werde er regelmäßig wegen seines Akzents abgelehnt. Jorge lebt schon lange in Deutschland, er hat hier gearbeitet und auch studiert. Für arbeitssuchende Neuankömmlinge aus den europäischen Ländern hingegen ist das Jobcenter seit dem 19. Dezember 2011 nicht mehr zuständig, sie haben keinen Anspruch mehr auf ALG II. »Junge Spanier oder Griechen«, schrieb Stefan Sauer in der Berliner Zeitung, »die angesichts horrender Arbeitslosenzahlen in ihren Heimatländern in Deutschland eine Stelle zu finden hoffen, können mithin nicht mit staatlicher Unterstützung rechnen.« Entfallen ist damit auch die Möglichkeit, an dem vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge finanzierten Sprachkurs, dem so­genannten Integrationskurs, teilzunehmen. Er bereitet Einwanderer auf die Sprachprüfung B 1 des europäischen Referenzrahmens vor: die unerlässliche Eintrittskarte zum deutschen Arbeitsmarkt.

Die Arbeitssuchenden müssen sich nun allein um sämtliche Angelegenheiten kümmern – den Spracherwerb, die Wohnungs- und Arbeitssuche, die Bürokratie der Meldebehörden und Finanzämter, die Krankenversicherung und die Altersvorsorge. Maria Fernandez, die in Deutschland ein Philosophie- und Sprachstudium absolviert hat, weiß, dass das nicht einfach ist. Ihre Erfahrungen mit deutschen Behörden und dem deutschen Arbeitsmarkt haben zu ihrem Entschluss geführt, nach Spanien zurückzukehren. Aktuelle Zahlen dazu, wie viele es ihr gleichtun, liegen noch nicht vor. Fraglich ist auch, ob sich die Medien hierzulande dafür interessieren würden. Zu Beginn dieses Monats kündigte Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) an, Ini­tiativen zu fördern, die es sich zum Ziel gesetzt haben, talentierte junge Menschen aus Griechenland und Spanien nach Deutschland zu holen. Ein Boom sieht anders aus.