Ein Buch über die polnisch-ukrainische Fußballgeschichte

Die fiktive Elf

Ein neues Buch beleuchtet die polnisch-ukrainische Fußballgeschichte.

Die Geschichte des polnisch-ukrainischen Fußballs, schreibt der Historiker Karl Schlögel in seinem Essay »EM 2012 – Ein Glücksfall: Die Europäisierungsmaschine«, sei »wie eine Miniaturgeschichte des 20. Jahrhunderts. Ihre Aufstiegs- und Niedergangserzählung fällt zusammen mit den europäischen Friedens- und Kriegsperioden.« Der Text leitet einen Band über eben diese Geschichte ein. In einer originellen Mischung aus historischer Studie, Comicheft und Cartoonsammelkarten wird anhand einer fiktiven Mannschaft aus realen Spielern, den »Eastern Allstars«, die Fußballgeschichte zwischen Ostsee und Schwarzem Meer erzählt. In ihren Reihen gibt es »sowohl international bekannte Größen, wie Oleg Blochin und Grzegorz Lato, als auch tragische Helden«, erklärt Stephan Felsberg, einer der beiden Herausgeber.
Die ukrainisch-sowjetische Legende Oleg Blochin wurde mit Dynamo Kiew unter anderem zwei Mal Europapokalsieger. Die beiden prominentesten Polen im Team sind Zbigniew Boniek, der 1982 mit Polens Nationalelf Dritter bei der WM in Spanien wurde, und Grzegorz Lato, der 1974 in der wohl besten Mannschaft der WM spielte, die aber im Halbfinale unter den irregulären Bedingungen der »Wasserschlacht von Frankfurt« gegen die BRD ausschied.
Zygmunt Steuermann vom jüdischen Club Hasmonea Lemberg spielte zwei Mal für Polens Nationalmannschaft. 1941 wurde er im Lemberger Ghetto als Jude von Deutschen ermordet. Mikola Trusewytsch, früherer Torwart von Dynamo Kiew, war Teil einer lokalen Auswahl, die 1942 in Kiew gegen eine Elf der deutschen Besatzungstruppen antrat. Die Besatzer wurden mit 5:3 geschlagen, einige der ukrainischen Spieler – darunter Trusewytsch – kurz darauf ermordet. Der Mythos vom »Todesspiel« entstand.
Eine Fußballmannschaft braucht auch einen Coach – die »Eastern Allstars« werden von Walerij Lobanowskyj trainiert. Der gebürtige Kiewer übertrug den niederländischen Totaalvoetbal in die Sowjetunion und verwissenschaftlichte ihn.
Der Vergangenheitsverlag hat ein echtes Liebhaberstück herausgebracht.

Stephan Felsberg und Tim Köhler (Hrsg.): Eastern Allstars. Große Fußballer zwischen Ostsee und Schwarzem Meer. Vergangenheitsverlag, Berlin 2012, 30 Seiten und zwölf Karten, 12,90 Euro
Bis zum Ende der Europameisterschaft gibt es im 11Freunde-EM-Quartier im Berliner Postbahnhof eine ­Eastern-Allstars-Plakatausstellung.