Meik Michalke im Gespräch über Alternativen zur Gema und das Projekt »C3S«

»Die Urheberrechtsdebatte ist längst aus dem Ruder gelaufen«

Mit einem neuen Geschäftsmodell will die Cultural Commons Collecting Society (C3S) Urheberinnen und Urhebern, die mit freien oder Creative-Commons-Lizenzen arbeiten, eine Alternative zur Gema anbieten und einen flexibleren Umgang mit der Verwertung von kulturellen Allgemeingütern im digitalen Zeitalter ermöglichen. Meik Michalke erklärt im Gespräch, warum die Gema Konkurrenz braucht.

Sie sprechen von »Cultural Commons«. Versteht sich die C3S als eine Ergänzung oder eine Alternative zu Creative Commons?
Das Projekt startete ursprünglich mit dem Namen »Creative Commons Collecting Society«. Wir haben uns später umbenannt. Zum einen wollten wir keine Verwechslungen mit der Organisation Creative Commons (CC, Anm. d. Red.), zum anderen wollten wir uns nicht schon im Namen auf ein Lizenzmodell festlegen. »Cultural Commons« steht für »kulturelles Gemeingut«, also kreative Werke, die der Allgemeinheit zur Verfügung stehen.
Mit einer neuen Verwertungsgesellschaft würde das Monopol der Gema gebrochen. Müssen wir nun befürchten, dass bald noch mehr Kitas Abmahnungen wegen St.-Martin-Liedern bekommen?
Sicher nicht, denn wenn man das Singen von Kinderliedern in einer öffentlichen Bildungsstätte nicht als »kommerzielle Nutzung« einstuft, wäre so etwas mit CC-lizenzierten Werken gar nicht möglich.
Warum sollten sich Urheber für C3S entscheiden?
Wer kreativ tätig ist und finanziell beteiligt werden möchte, wenn eigene Werke kommerziell verwendet werden, hat im Prinzip drei Möglichkeiten: Alle Verträge selbst zu verhandeln, dies von einem gewinnorientierten Privatunternehmen tun zu lassen oder eine Verwertungsgesellschaft damit zu beauftragen, die lediglich treuhänderisch tätig ist. Die erste Option wird für einzelne Künstlerinnen und Künstler irgendwann zu aufwendig, bei der zweiten sind sie selbst nur Kunden, verzichten also auf demokratische Mitbestimmung. Das Modell von C3S sieht die kollektive Vertretung ihrer Mitglieder vor, ohne dabei das restriktive Rechtsverständnis aus analogen Zeiten fortzusetzen.
C3S befindet sich noch im Aufbau. Wie stehen die Chancen, dass das Projekt Realität wird?
Die Chancen stehen sehr gut. In wenigen Wochen ist die Zahl der Personen, die das Projekt aktiv unterstützen, vierstellig geworden. Damit hatten wir nicht gerechnet. Wir haben auch bereits Spenden erhalten, was uns sehr entlastet, weil wir bis jetzt alle Unkosten aus eigener Tasche tragen. Im September soll es ein Barcamp in Berlin geben, um den Genehmigungsantrag beim Deutschen Patent- und Markenamt vorzubereiten, den wir dann Ende des Jahres stellen wollen.
Bei Creative Commons ist die Gema alles andere als kooperativ. Gema-Mitglieder dürfen keine CC-Lizenzen nutzen. Fürchten Sie, die Gema könnte versuchen, die Umsetzung Ihres Projekts verhindern?
Die Gema hat wiederholt geäußert, daß ihre Mitglieder sich nicht für CC-lizenzen interessierten. Wir richten uns an eine ganz andere Klientel. Wir verstehen C3S auch grundsätzlich nicht als Kampagne gegen die Gema.
Über die kommerzielle Nutzung von geistigen Gütern besteht nicht gerade Einigkeit, wie man derzeit bei der Debatte über die Tarifreform der Gema beobachten kann. Ist es überhaupt möglich, transparente Verwertungsmodelle jenseits der Einzelfallregelung zu finden?
Transparenz bedeutet ja, dass die geltenden Regeln überschaubar sind. Es ist aber oft schwierig, einfache Regeln zu definieren, die jedem Einzelfall gerecht werden. Das bedeutet, dass man Regeln so einfach wie möglich, aber auch so kompliziert wie nötig halten muss. Wenn man das beachtet, ist es sicherlich möglich, einen guten Kompromiss zwischen Angemessenheit und Nachvollziehbarkeit zu finden.
Schwierigkeiten gibt es nicht nur in der Praxis, sondern auch in der Theorie. In der deutschen Debatte wird oft so getan, als wären wir noch im vordigitalen Zeitalter: Der Begriff des materiellen Eigentums wird auf Informationen, Musik und kreative Inhalte jeglicher Art übertragen. Die Urheber sehen sich durch jeden Up- oder Download materiell enteignet. Braucht Deutschland nicht eher eine Debatte um geistiges Eigentum als eine neue Verwertungsgesellschaft?
Ich möchte mit einer Gegenfrage antworten: Sollen wir lieber noch einmal zehn Jahre abwarten, in denen sich nichts bewegt? Man kann die beiden Sachen, also die Urheberrechtsdebatte und die Entstehung einer neuen Verwertungsgesellschaft, so aber eigentlich nicht gegenüberstellen. Von C3S kann man auch nicht erwarten, dass es die Lösung aller Probleme ist. Wir sehen einen ganz konkreten, akuten Bedarf, auf den wir reagieren. Vielleicht können wir an bestimmten Stellen zu einer Entspannung der festgefahrenen Positionen beitragen.
Warum ist die Urheberrechtsdebatte in Deutschland so hysterisch? Sind die Eigentumsvorstellungen derjenigen, die von »Diebstahl« und »Raubkopien« reden, in einer global vernetzten Informationsgesellschaft überhaupt noch zeitgemäß?
Die Urheberrechtsdebatte ist längst aus dem Ruder gelaufen und wird von irrationalen Extrempositionen dominiert. Ich war mal auf einer Podiumsdiskussion, auf der ein Anwalt der Musikwirtschaft einen großen Internetbranchenverband mit der Hamas verglich. So kommen wir doch nicht weiter. Eigentlich geht es ja meistens gar nicht um die Interessen der Urheber, sondern darum, bestehende Wirtschaftsstrukturen aufrechtzuerhalten. Kultur wird dabei immer der Wirtschaft strukturell untergeordnet. Ich könnte das so formulieren: Wir suchen die Lösung nun dort, wo Wirtschaften durch Kultur ermöglicht wird. Wir denken zunächst an die Grundlagen für freie Kultur, und möchten darauf wirtschaftliche Nutzungen aufbauen.
Wie verhindert man, dass sich die Urheberrechtsdebatte nur auf Kontrolle und Repression konzentriert und dass die Verwertungsindustrie die freie Zirkulation von Inhalten, Informationen und kreativen Leistungen mit allen Mitteln einschränkt?
Auf den Gesetzgeber dürfen wir wohl nicht hoffen. Die letzten Änderungen am Urheberrecht, durch die es eigentlich zeitgemäßer gestaltet werden sollte, haben genau das Gegenteil erreicht. Exemplarisch sind die Zugangsbeschränkungen zu elektronischen Artikeln.
Es gab mal einen mit öffentlichen Mitteln aufgebauten Literaturdienst, der Wissenschaftlern einzelne Fachartikel gegen vertretbares Entgelt als PDF-Dateien per E-Mail schicken durfte. Um diesen Service an das Internetzeitalter anzupassen, wurde das Urheberrecht dann so geändert, dass die gleichen Artikel jetzt nur noch per Fax verschickt werden dürfen. Keine Exzellenzinitiative kann diesen Blödsinn aufwiegen. Als nächstes steht uns ein neues Leistungsschutzrecht für Verlage bevor. Es handelt sich um ein Recht, das jeden Verlag, der es konsequent in Anspruch nimmt, aus dem Internet verschwinden lässt, weil ihn vorsichtshalber keine Suchmaschine mehr listet und kein Blogger mehr zitiert, also um einen weiteren Schritt nach hinten. Wir setzen auf die Vernunft der tatsächlichen Urheber, die durch die Wahl einer passenden Lizenz ihr Schaffen auch für die Allgemeinheit verfügbar machen. Mit C3S möchten wir unseren Teil dazu beitragen, diese kulturpolitische Vision gerecht und finanzierbar zu verwirklichen.

www.c-3-s.eu