Nazi-Hools in Aachen

Die braunen Hools von Alemannia

Beim Spiel gegen Saarbrücken eskalierten Angriffe nazistisch beeinflusster Aachener Hools auf die Aachen Ultras. Die Polizei agierte überaus zurückhaltend.

Wenn es wirklich nur um Fußball gegangen wäre, dann hätte die Fahrt zum Spiel gegen den 1. FC Saarbrücken am Dienstag voriger Woche für die Fans von Alemannia Aachen eigentlich ein rundum gelungener Ausflug werden können. Immerhin hatte der Zweitligaabsteiger dank zweier Tore durch die Neuzugänge Sascha Rösler und Freddy Borg aus dem 0:1-Rückstand zur Pause noch einen 2:1-Auswärtssieg gemacht, der das Team weiterhin in Schlagdistanz zu den Aufstiegsrängen hält. Doch in der Fanszene der Alemannia geht es schon lange nicht mehr um Fußball. Was jedoch jetzt in Saarbrücken geschah, ist selbst für Aachener Verhältnisse starker Tobak.
Es war kurz nach Abpfiff, als sich die anwesenden Mitglieder der Gruppe Aachen Ultras zusammen mit Freunden auf den Weg zu den auf dem Parkplatz vor der Gästekurve wartenden Bussen machten. Vor dem Ausgang der Kurve warteten jedoch nicht nur die Busse auf sie, sondern auch eine Gruppe anderer Aachener Ultras und Hools, die wegen bundesweiter Stadionverbote nicht mit in das Ludwigsparkstadion hatten gehen können. Als die rund 70 Ultras am Tor ankamen, wurden sie sogleich angepöbelt und bespuckt. Einer Person wurde die Brille aus dem Gesicht geschlagen und auf dem Boden zertreten. Als die Angegriffenen gerade anfingen, sich zur Wehr zu setzen, kam aus dem Stadioninneren plötzlich eine weitere Gruppe von rund 100 Angreifern und attackierte sie ebenfalls. Ein Großteil der Aachen Ultras und ihrer Freunde versuchte zu fliehen, doch verriegelte die Polizei, als sie sie heranstürmen sah, kurzerhand die Tore und sperrte damit Angreifer und Angegriffene gemeinsam ein. Offenbar hatte ihnen niemand gesagt, dass es innerhalb der Aachener Fanszene regelmäßig zu Gewalt kommt, und auch über die gegenwärtige Sachlage schienen sie nicht im Bilde zu sein. So hinderte die Polizei die Angreifer auch nicht daran, mit etwa 40 Mann zu versuchen, den Bus der Aachen Ultras zu stürmen, und auch als rund ein Dutzend von ihnen auf einen bereits am Boden Liegenden eintrat, war es nicht die Polizei, die eingriff, sondern einer der Fanbeauftragten des Vereins, der sich schützend auf ihn legte, woraufhin auch er getreten und beleidigt wurde.
Erst nach weit mehr als einer Viertelstunde begann die Polizei überhaupt einzugreifen. Sie beließ es jedoch dabei, die Anwesenden in die bereitstehenden Busse zu verfrachten, und machte sich nicht die Mühe, irgendwelche Personalien aufzunehmen und Gewahrsamnahmen vorzunehmen. Erst als zwei Busladungen Mitglieder der an dem Angriff beteiligten Ultragruppe Karlsbande ihre Prügelorgie dadurch krönen wollten, dass sie auf dem Heimweg die nächstbeste Autobahnraststätte verwüsteten und plünderten, schritt die Polizei ein, stoppte die Busse und stellte die Personalien der Anwesenden fest. Fast könnte dabei der Eindruck entstehen, dass Sachbeschädigung und Ladendiebstahl aus Sicht der Polizei schwerer wiegende Straftaten sind als gemeinsam begangene Körperverletzung und Menschenjagd. Wahrscheinlich waren die Polizeibeamten im Saarland von ihren Kollegen in Aachen aber einfach nur unzureichend bis gar nicht über die aktuelle und bereits seit längerem brandgefährliche Situation innerhalb der Aachener Fanszene unterrichtet worden und entsprechend mit der Situation vollkommen überfordert.
Dabei ist die Liste der Vorfälle lang und Gewalt innerhalb der Aachener Kurve hat bereits öfter für Schlagzeilen gesorgt. So hatten etwa im vergangenen Winter während eines Spiels gegen Erzgebirge Aue etwa 20 bis 30 Aachener Hools die Aachen Ultras angegriffen, nachdem es bereits kurz zuvor beim Auswärtsspiel in Dresden zu Gewalttätigkeiten gekommen war (Jungle World 1/2012). Der Verein reagierte damals mehr als fragwürdig, sprach davon, dass alle Beteiligten sich zum Wohle der Alemannia zusammenraufen sollten, und räumte sogar der Hooligangruppe Supporters Aachen Platz auf der Vereinshomepage ein, um ihre Sicht der Dinge darzulegen. Nicht nur hat dieses Vorgehen des Vereins offensichtlich keine Wirkung gehabt, wie die aktuellen Vorkommnisse zeigen. Das Verhalten des Vereins erscheint auch umso fragwürdiger, je genauer man sich anschaut, wer hier wen angegriffen hat und warum.
Damals wie heute gibt es auf der einen Seite die Gruppe Aachen Ultras, die sich offen gegen Nazis und Rassismus stellt und daher auch schon von Seiten der Polizei als »von der Antifa unterwandert« bezeichnet wurde. Die Gruppe engagiert sich gegen Gewalt und es ist bis dato auch kein Fall bekannt, in dem von der Gruppe in ihrer jetzigen Form Gewalt ausging. Auf der anderen Seite findet sich eine üble Mischung aus Hooligans, mit rechten Ideologien sympathisierenden Ultras und bekennenden Neonazis. An vorderster Front stehen dabei die Karlsbande Ultras, eine Abspaltung der Aachen Ultras, die sich von diesen vor allem dadurch unterscheidet, dass sie keinerlei Wert auf Distanz zur rechten Szene legt und zumindest zum Teil gewaltbereit ist. Derzeitiges Ziel der Karlsbande scheint es zu sein, die »Zeckenultras« aus dem Stadion zu vertreiben und damit die Alleinherrschaft über die Aachener Ultraszene zu übernehmen. Der Gedanke, dass es auch einfach mehrere Gruppen in der Kurve gegen könnte, scheint in ihrem sozialdarwinistischen Weltbild keinen Platz zu haben.
Unterstützt wird die Karlsbande bei ihren Machenschaften nicht ganz zufällig vor allem von den Hooligangruppen Supporters und Westwall, wobei vor allem letztere eng mit der Neonaziszene verbunden ist. Überhaupt tauchen in der Aachener Kurve immer wieder Nazis aus der Kameradschaft Aachener Land auf, die dort, ebenso wie Sascha Wagner von der NPD, offenbar über freundschaftliche Kontakte verfügen. Auch in Saarbrücken sollen Augenzeugen zufolge mehrere bekannte Neonazis unter den Angreifern gewesen sein.
All das ist seit langem bekannt, und zumindest bei dem Fanprojekt und den Fanbeauftragten scheint Problembewusstsein vorhanden zu sein. Die Vereinsführung dagegen, die jetzt »tiefste Bestürzung« bekundet und von bundesweiten Stadionverboten und sogar möglichen »kompletten Gruppenverboten« spricht, hat viel zu lange um des lieben Friedens Willen das rechte Auge zugedrückt und damit einer rechten Hegemonie innerhalb der Aachener Fankurve überhaupt erst den Weg geebnet. Auch die Rolle der Aachener Polizei erscheint dubios. Offenbar hat sie ihre Kollegen in Saarbrücken nicht ausreichend über die Sachlage informiert und damit zumindest fahrlässig die Sicherheit aller nicht-rechten Fans in der Aachener Kurve gefährdet. Es ist verständlich, dass die Polizei von dem schon lange andauernden Konflikt und von der Mehrarbeit, die er für sie bedeutet, überfordert ist. Durch Nichteingreifen zu begünstigen oder überhaupt erst zu ermöglichen, dass nicht-rechte Ultras von Neonazis und deren Freunden aus dem Stadion gedrängt werden, ist aber nicht die geeignete Reaktion darauf.