Gebt mir die Vorhaut zurück!

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Während meiner Einführung in die deutsche Kultur habe ich erfahren, dass die Beschneidung die Deutschen in helle Aufregung versetzt. So wie es scheint, denken sie, sie sei nicht unbedingt nötig, um nicht zu sagen barbarisch, verrückt und sadistisch. Mir ist klar, dass wir heikles Terrain beschreiten angesichts einer Debatte, in der durchschnittliche Deutsche gegen ihre jüdischen und muslimischen Nachbarn antreten.
Die Frage bleibt: Ist die Beschneidung richtig? Ich habe gehört, dass ihre Gegner meinen, sie beschützten wehrlose Kinder vor ungerechtfertigten Schmerzen. Das ist ein hehres Ziel, und ich schlage vor, es auf weitere medizinische Prozeduren auszuweiten, etwa auf Impfungen, Zähneziehen oder chirurgische Bauchstraffungen. Zudem habe ich gehört, es wird gesagt, ein Kind ans Messer zu liefern, führe dazu, dass es im späteren Leben neurotisch sexbesessen wird. Oder war es sexuell desinteressiert? Ach richtig, es war beides. Ungefähr wie bei der Behauptung der Nazis, Juden seien sowohl hinterlistige Kommunisten als auch blutsaugende Kapitalisten.
Dann gibt es noch die Behauptung, die Beschneidung sei ein Eingriff in die Intimsphäre, ähnlich dem, den Abtreibungsgegner dem weiblichen Körper zufügen wollen. Dem »Mein Penis gehört mir«-Argument zufolge sollte die Beschneidung erlaubt sein, aber erst, wenn aus dem Kind ein entscheidungsfähiger Erwachsener geworden ist. Das klingt gut – ungefähr so, wie darauf zu warten, dass Kinder erwachsen werden, ehe man ihren Körper mit unschönen, lebensrettenden Impfstoffen schädigt.
Ja, es gibt eine ganze Reihe unterschiedlicher Argumente. Aber bei all dem wird ein entscheidender Aspekt vergessen: Was soll mit denjenigen geschehen, die schon unter dem Messer waren? Also, ich als Beschneidungsüberlebender habe eine Forderung: Gebt uns unsere Vorhäute zurück! Sofort! Wo auch immer ihr die Haut eingelagert habt, sammelt sie ein und vereint uns wieder mit ihr! Ihr könnt sie mit der Post schicken, Recycling-Zentren einrichten oder uns sie abholen lassen, wo immer ihr sie eingelagert habt. Meine Vermutung ist, ihr hebt sie in einem Gewölbe tief in den Schweizer Alpen auf, bei tiefster Temperatur eingefroren neben den Köpfen von Walt Disney und Timothy Leary, wo sie darauf warten, wiederbelebt zu werden. Ich kann spüren, wie meine eigene fehlende Vorhaut pocht wie ein verkümmertes Glied meines Körpers. Also tut mir diesen Gefallen, im Namen Abrahams, Isaaks und Jakobs, macht mich und meine semitischen Brüder wieder vollständig! Nur eine Sache noch: Achtet darauf, unsere Vorhäute nicht mit denen von Muslimen durcheinanderzubringen! Ihr wollt doch keinen weiteren Sechs-Tage-Krieg auslösen. Ganz zu schweigen von einem Sechs-Inch-Krieg.

Die ungekürzte englische Fassung finden Sie hier.