Scherben bringen Glück

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An teuren Bio-Produkten und süddeutschen Wurstspezialitäten ist an diesem Samstagnachmittag nicht jeder Besucher der Kreuzberger Marheineke-Markthalle interessiert – sie zieht es zu einer Platte. Beziehungsweise zu einer Ausstellung über eine Platte und die dazugehörige Band. Vor 40 Jahren kam »Keine Macht für Niemand«, die LP von Ton Steine Scherben, heraus, und »weil wir schon unser Bandjubiläum verpennt haben, wollten wir wenigstens diesen Anlass begehen«, sagt Manager Elser Maxwell. Neben der Ausstellung in The Browse Galerie, auf der unter anderem erstmals die Fotos von Rita Kohmann, die die Scherben in ihrer Anfangszeit begleitete, zu sehen sind, sollte eigentlich eine Veranstaltungsreihe zu den Feierlichkeiten gehören. Der mittlerweile wieder genesene Schlagzeuger Funky K. Goetzner hatte jedoch bei beim Open Air einen Herzinfarkt erlitten – ausgerechnet mitten in »Keine Macht für Niemand« –, und deswegen wurden die geplanten Konzerte und Diskussionen um einen Monat verschoben. Am 18. September wird es beispielsweise in einem Public Talk unter dem Titel »42 Menschen und kein Befehl« darum gehen, was Freddy Quinn mit Ton Steine Scherben zu tun hat, warum Paul Breitner ans Tempelhofer Ufer kam und was die RAF gegen »Keine Macht für Niemand« hatte. Trotzdem machten sich weite Teile des Publikums ausgiebig Sorgen, die grob zusammengefasst »Bitte, bitte lass Claudia Roth nicht da sein« lauteten. War sie auch nicht, also da, stattdessen überbrachte eine Abordnung der Mieterprotest­initative vom Kotti Grüße, und das Oberkreuzberger Nasenflöten­orchester (»Passt ja gut zusammen, der politische Anarchismus der Scherben und unser musikalischer Anarchismus«) spielte die Klassiker »Rauch-Haus-Song« und »Die letzte Schlacht gewinnen wir«. Nein, sagt Maxwell am Ende, überrascht habe ihn der Andrang nicht, »wir wissen ja, wie wichtig die Scherben für viele Menschen immer noch sind«. Und »es ist erstaunlich, dass man sich an den Stücken nie satthört.«