Der Konflikt im kolumbianischen Cauca

Zwischen den Fronten

In der kolumbianischen Region Cauca wehrt sich die mehrheitlich indigene Bevölkerung gegen die Militarisierung der Gegend. Sie beansprucht Neutralität im jahrzehntelangen Krieg zwischen der kolumbianische Regierung, den Paramilitärs und Guerillaorganisationen.

»Der Cauca ist derzeit die gefährlichste Region Kolumbiens. Gleich mehrere Mitglieder unserer Gewerkschaft wurden im ersten Halbjahr des Jahres dort ermordet«, sagt Miguel Enrique Morantes Sabogal. Er ist Direktor für Kommunikation im Vorstand des Gewerkschaftsdachverbandes CTC und macht sich große Sorgen um die Genossen von Sintra Xamundi. »Das ist eine neue Gewerkschaft, die die Arbeiter im öffentlichen Sektor vertritt und im Zentrum der Verfolgung steht. Der lokale Bürgermeister der Stadt Jamundí ist das Problem. Er weigert sich, die Gewerkschaft anzuerkennen und Verhandlungen aufzunehmen. Das ist ein Risiko für unsere Vertreter, denn in einer komplett militarisierten Region öffentlich als Linke bezeichnet zu werden, ist in Kolumbien ein Risiko«, erläutert er.

In die südwestliche Provinz Cauca, die in dem seit sechs Jahrzehnten andauernden Bürgerkrieg zwischen Regierung und paramilitärischen Einheiten auf der einen und der Guerilla auf der anderen Seite umkämpft ist, hat die kolumbianische Regierung in den vergangenen Jahren zusätzliche Truppen geschickt. Mehr Sicherheit bringt das aber nicht, sondern nur größere Risiken für die lokale Bevölkerung und die sozialen Organisationen. Darüber klagen nicht nur Gewerkschaften, auch viele Repräsentanten der lokalen indigenen Bevölkerung wurden in den vergangenen Jahren im Bürgerkrieg zum militärischen Ziel. Rund 200 000 Nasa, Guambiano und Embera leben im Cauca, mehr Indigene als in anderen Landesregionen, und sie sind auch besser organisiert. Sie leben häufig außerhalb der größeren Städte, wo es jedoch deutlich gefährlicher ist. In Gemeinden wie Toribío sei die Situation seit Jahren besonders gefährlich, so Acín, der Verband der indigenen Räte des nördlichen Cauca. Sie wehren sich seit Jahren gegen die Militarisierung ihrer Region und versuchen, mit Bildungsinitiativen und der Förderung der Herstellung alternativer Produkte ihre Situation zu verbessern. So haben Nasa, die traditionell Koka anbauen, mit alternativen Produkten wie Koka-Tee und der Koka-Brause Coca-Sek national und auch international für Schlagzeilen gesorgt. Die indigenen Organisationen konnten aber ihre Forderung, entmilitarisierte Zonen einzurichten und ihre Neutralität im Bürgerkrieg anzuerkennen, nicht durchsetzen.

Vielmehr hat sich die Lage in den vergangenen Jahren verschlechtert. Cauca, ein traditionelles Rückzugsgebiet der Guerilla Farc, ist zu einem Hauptschauplatz des Bürgerkriegs geworden, er findet in der direkten Nachbarschaft der indigenen Gemeinden statt. Diese leben zumeist von der Landwirtschaft, die jedoch im Krieg fast gänzlich brachliegt. »Wir Frauen säen das Leben. Alle haben es satt, nicht in Ruhe leben zu können und jeden Tag das Geräusch der Schüsse und Explosionen hören zu müssen. Wir sind der verminten Wege überdrüssig und auch dessen, dass wir indigenen Frauen von den verschiedenen bewaffneten Kämpfern sexuell misshandelt werden«, klagte Emilse Paz Labio vom Frauenrat des Verbandes Acín gegenüber Menschenrechtsvertretern der Vereinten Nationen. Ende August forderten die Frauen in einer öffentlichen Erklärung ein »Recht auf Leben« und erklärten Autonomie und die Beendigung des Krieges zu ihren wichtigsten Zielen.

Nicht zum ersten Mal ist die Regierung in Bogotá in Zugzwang. Im Juli besetzten Tausende Indigene einen kleinen Militärposten nahe der Stadt Toribío. Der Posten, auf dem Berg Berlín gelegen, war von Anwohnerinnen und Anwohnern als Bedrohung empfunden worden, weil er mitten in bewohntem Gebiet liegt. Lokale indigene Organisationen forderten die Entmilitarisierung Toribíos und stellten den Militärangehörigen ein Ultimatum für ihren Abzug. Anfang Juli war eine Granate der Guerilla in einem nahe dem Militärstützpunkt gelegenen Krankenhaus eingeschlagen, wobei zwei Krankenschwestern schwer verletzt wurden.
Für die Regierung von Präsident Juan Manuel Santos war der Protest der Bevölkerung eine ernste Herausforderung, denn in der Regel siedelt sich das Militär im Schutz ziviler Einrichtungen an. Die Strategie der Armee, Stützpunkte direkt in den Dörfern, teilweise neben Schulen, einzurichten, um so Angriffen der Farc zu entgehen, ist national und international immer wieder kritisiert worden. Die Strategie der Armee sei aber nicht aufgegangen und der Schutz oder gar die Neutralität der Zivilbevölkerung werde von den kriegführenden Parteien schlicht nicht akzeptiert, kritisiert der Menschenrechtsvertreter und regierungskritische Parlamentarier Iván Cepeda.
Die Erklärung der Regierung, keinen Millimeter des Territoriums entmilitarisieren zu wollen, ist ohnehin längst hinfällig. Denn bereits Mitte Juli zerstörten Angehörige der Guardia Indígena, einer Art indigener Bürgerwehr, Sendetürme der Armee. Wenige Tage später trugen sie die in ihrer Gemeinde stationierten Soldaten samt ihrer Ausrüstung vom Hügel Berlín herunter und bauten danach den Militärposten ab. Gegen die Übermacht der Indigenen hatten die Soldaten keine Chance und so gaben sie sich geschlagen. Damit rückte der »Traum vom Ende des Kriegs«, für den Nasa seit Jahren eintreten, näher. Die Guardia Indígena spielt dabei eine entscheidende Rolle; ihre rund 3 000 Mitglieder sind in der Lage, auch größere Landstriche in der Region zu kon­trollieren und haben mehrfach sogar Guerilleros der Farc überwältigt und vor ein indigenes Gericht gestellt. Das sind neue Ansätze für den Umgang mit dem Konflikt im Cauca. Zwar wurde der Militärposten wenige Tage nach dessen Räumung von der Polizei übernommen, aber die Räumung hat landesweit für Aufsehen gesorgt. Weitere Demilitarisierungen hat der indigene Regionalrat vom Cauca für die kommenden Wochen angekündigt.