Berlin Beatet Bestes. Folge 161

Orntlich ist woanders

Berlin Beatet Bestes. Folge 161. Whiskydenker: Berlinist (2012).

Das ist die Platte, auf die ich gewartet habe. Es ist aktuelle Jazzmusik, gespielt von einer Berliner Band, auf einer Vinylsingle gepresst. Wie es sich für eine gute Single gehört, befinden sich zwei wirkliche Hits darauf. »Berlinist« ist eine richtige Berlin-Hymne. Besser geht es für meinen Geschmack eigentlich nicht.

Berlin ist eine Wolke, sag’n die Leute/Und ja, es gibt hier alles, was man braucht/Würd ich nich’ schon hier wohnen, tät ich her zieh’n/Ich bin schon lange Zeit hier untergetaucht/Menschen kommen, Menschen geh’n, ich bleib hier/Denn dies ist meine Stadt, hier find’ ich’s schön/Berlin ist eine Wolke, sag’n die Leute/Und ja, es gibt hier alles, was man braucht/Und find’st du’s nicht mehr schön/Kannst du nach Hause geh’n/Und find’st du’s nicht mehr fein/Dann geh’ doch Heim/Du Spiesserlein/Und find’st du’s nicht mehr schön/Kannst du nach Hause geh’n/Wo’s ruhig und or’ntlich ist und keiner dir ans Beinchen pisst.

Der Titel auf der B-Seite, »Mir geht’s gut«, ist übrigens eine sehr gelungene Version des Jazzklassikers »Ain’t She Sweet«. A- und B-Seite habe ich in diesem Jahr live so oft gehört wie sonst keine anderen Stücke, weil die Band, aus der die Whiskydenker hervorgegangen sind, die Dixie Wankers, oft auf Swingtanzveranstaltungen spielen. Jetzt mögen manche vielleicht denken: »Ah, Swingtanzen – da kann der Herr Michalke uns ja viel erzählen, aber das wird sicher so langweilige Retro-Swingmusik sein, die man nur gut finden kann, wenn man diesen Tanz dazu tanzt«, aber das stimmt nicht. Die Dixie Wankers haben ihren Namen schon mit Bedacht gewählt, darin sind »Dixieland« und eben auch ein freches »Wankers« enthalten. Die Band gibt sich viel Mühe, ihren Jazz in der Tradition des New Orleans-Jazz mit modernen Elementen anzureichern. So spielen sie dienstags im Kater Holzig in der Köpenickerstraße, einem durchaus angesagten Szeneladen. Dort spielen sie immer vor gemischtem Publikum, manche tanzen Swing, andere tanzen, wie es ihnen gerade passt. Die oftmals schnellen Songs werden von einem souligen E-Piano aufgepeppt, Klarinette, Tuba, Trompete und Banjo improvisiern fröhlich vor sich hin, der Gesang wird durch ein Megaphon verzerrt. Live hatte ich den Text von »Berlinist« immer nur rudimentär verstanden, auf der Single wird er von der Reibeisenstimme des Sängers Florian Wehse zum Glück aber viel deutlicher vorgetragen. Bereits in der Dixielandszene der sechziger und siebziger Jahre tummelten sich viele deutsche Musiker und Entertainer, die später als Solokünstler bekannt wurden. Schon damals wurde versucht, deutsche Texte mit authentischem Jazz zu vermischen. Es ist den Whiskydenkern/Dixie Wankers zu wünschen, dass ihnen das heute ebenfalls gelingt. Diese Single ist jedenfalls ein Anfang.