Tastes like Grandma

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Wer isst schon gern bei den Großeltern? Werber tun das offensichtlich gern. Was in der Werbewelt an Grauhaarigem den Kochlöffel schwingt! Wenn sie schon sonst für nichts mehr taugt, so die implizite Behauptung, hat Oma immerhin noch 50 Jahre Küchendienst vor sich. Sie tun gerade so, als seien Senioren die besseren Köche, als blieben die Geschmackspapillen vom senilen Verfall verschont. Wer sich an einer Bude mit dem Slogan »Essen wie zu Omas Zeiten« die schlimmste Lebensmittelvergiftung seines Lebens holte und zwei Tage lang nicht einmal dünnen Tee bei sich behalten konnte, bleibt gegenüber dieser Art Werbung wachsam. Vor allem, wenn sie von Monopolisten kommt. Die Bistros der Deutschen Bahn etwa haben vor kurzem ihr vielbespötteltes System der Sterneköche abgeschafft. Wo einst Schuhbeck und Lafer von monatlich wechselnden Menüs feixten, wo der dampfgegarte Proteinmatsch zu Schwarzwurzelconsommé und Lachspaté zurechtgeschwindelt wurde, heißt es inzwischen nur noch: »Von Oma inspiriert, für Sie serviert.« Und das seit Monaten. Menschen, die berufsbedingt häufiger mit der Bahn fahren müssen, verzweifeln schier am Immergleich von Bratwurst und Geschnetzeltem, bestellen Tischtuch mit Soße oder Fahrkartengulasch, um der Ödnis zu entfliehen. Warum nur stehen gerade die Großeltern für beispiellosen Genuss? Die Nachkriegsgeneration, die Dreck und Kehrricht mit Schabenleim vermischte und dann in alten Granatenhülsen zum Grindeintopf verkochte, ist ein Beispiel für Pragmatismus, nicht für Raffinesse. Oder ist es gar berechnendes Understatement? »Gut, es ist zwar Mist, aber so gut wie Omas Mist allemal.« Gleichwie: Der Appetit kann einem da schon vergehen.
Leo Fischer ist Chefredakteur des Satiremagazins Titanic.