Über den Konkurs des Finanziers von The Pirate Bay

Pleite Bay

Der rechtsextreme Finanzier der Filesharing-Plattform The Pirate Bay, Carl Lundström, hat in der Schweiz Privatinsolvenz angemeldet. Die Unterhaltungsindustrie wird ihre Millionenforderungen für Copyright-Verletzungen nun wohl auf den ehemaligen Pirate-Bay-Sprecher und Flattr-Gründer Peter Sunde konzentrieren.

Als Kim Schmitz am 18. Januar in seinem neuseeländischen Anwesen verhaftet wurde, fanden nicht wenige Kommentatoren, dass der Inhaber der Download-Plattform Megaupload an Polizeieinsatz und Auslieferungshaft durchaus selbst schuld sei. Der nunmehr mit Nachnamen offiziell Dotcom Heißende habe seinen Reichtum viel zu demonstrativ zur Schau gestellt, hieß es beispielsweise schadenfroh. Ein neureicher Lebensstil ist jedoch nicht unbedingt das Kriterium, anhand dessen die Film- und Musikindustrie ihre Klagen gegen Inhaber von Tauschbörsen und Download-Plattformen planen. Die damaligen Betreiber der Bittorrent-Plattform The Pirate Bay (TPB) wurden beispielsweise bereits 2009 angeklagt und verurteilt – obwohl Transparenz und Offenheit nie zu den Geschäftsprinzipien des Unternehmens gehört hatten.
Glaubt man dem, was in den vergangenen Monaten auf diversen Blogs verbreitet wurde, hat Schweden zwei verschiedene Gesetzbücher: Das eine gilt für normale Straffällige, das andere ausschließlich für Angehörige von Wikileaks und TPB. Als Beleg für diese eher ungewöhnliche Sicht der Dinge dient etwa ein mehrwöchiges Kontaktverbot, das von einem Gericht gerade gegen den Pirate-Bay-Betreiber Gottfrid Svartholm Warg verhängt wurde. Der 28jährige darf weder Besuch empfangen noch Briefe erhalten oder schreiben – denn es besteht nach Ansicht der Staats­anwaltschaft Verdunkelungsgefahr.

Svartholm, einer der Gründer von The Pirate Bay, war im August in Kambodscha verhaftet und einen Monat später nach Schweden ausgeliefert worden. Zu einer zwölfmonatigen Haftstrafe verurteilt, war er im vorigen Jahr in das asiatische Land geflohen, weil zwischen beiden Staaten kein offizielles Auslieferungsabkommen besteht. Dass Bürger des jeweils anderen Staats gleichwohl ausgeliefert werden können, war Svartholm, der, wie schwedische Medien berichten, nur noch 40 Kilo wiege und ein schweres Drogenproblem habe, offenbar nicht bekannt. Und so darf sich auch sein nach Laos geflohener Pirate-Bay-Kollege Fredrik Neij nicht allzu sicher sein, nicht doch nach Schweden ausgeliefert zu werden. Wobei die Gefängnisstrafe nicht das größte Problem sein dürfte: Die Summe des Schadenersatzes, zu dem jeder der Plattformbesitzer verurteilt wurde, steigt durch Verzinsungen immer weiter an, von Neij ist jedoch bekannt, dass er weitgehend mittellos ist.
Das traf auf einen weiteren TPB-Inhaber lange nicht zu. Mit dem Prozess gegen die Pirate-Bay-Betreiber im Jahr 2009 war gleichzeitig auch das Geheimnis um den vierten Besitzer der Plattform gelüftet worden. Noch auf dem kurz vor Verhandlungsbeginn gedruckten offiziellen Soli-T-Shirt »The Pirate Bay versus Time Warner, Fox, Sony … « waren lediglich drei TPB-Eigentümer abgebildet, und alle Gerüchte um einen weiteren Mitpiraten wurden als böswillige Hollywood-Propaganda abgetan. Das beharrliche Verleugnen hatte handfeste politische Gründe. Als Finanzier ihres Unternehmens hatten sich Sunde, Neij und Svartholm ausgerechnet einen ausgewiesenen Rechtsextremisten ausgesucht: Carl Lundström, einer von fünf Wasabröd-Erben, ist nicht nur wegen eines rassistisch motivierten Angriffs auf Asylbewerber vorbestraft, sondern hatte bereits 1988 eine rechte Zeitschrift namens Sjöbo finanziert, in der auch Mitglieder der militanten Neonazi-Gruppe »Nysvenska rörelsen« Texte veröffentlichten. Lundström, der in schwedischen Medien auch »Knäckäbröd-Kalle« genannt wird, war zudem Mitglied in der einwanderungsfeindlichen Initiative »Bevara Sverige svenskt« (»Haltet Schweden schwedisch«) und spendete immer wieder große Summen an rechte Parteien.
Das Geld für Spenden und zahlreiche Unternehmensgründungen – die nicht immer erfolgreich waren – hatte Lundström durch den Verkauf der Wasabröd AB erhalten, die 1982 an die schweizerische Sandoz AG veräußert worden war (und mittlerweile Barilla gehört). Im Pirate-Bay-Prozess wurde der Millionär wie seine Kollegen zu einer Gefängnisstrafe und einer Schadenersatzzahlung verurteilt. Insgesamt vier Monate saß Lundström schließlich in Haft – als bislang einziger der vier Verurteilten. Neij und Svartholm hatten sich nach dem Urteil nach Asien abgesetzt, Peter Sunde versuchte lange, mit diversen Revi­sionsanträgen eine Aussetzung der Strafe zu erreichen, in letzter Instanz wurde sein Rechtsmittel jedoch kürzlich abgewiesen.

Lundström hat bislang als einziger einen Teil der verhängten Geldstrafen in Millionenhöhe bezahlt – allerdings nur einige Zehntausend Euro. Seine schwedischen Immobilien sind nicht pfändbar, weil er sie zwischenzeitlich an seine Ehefrau verkauft hat. Im September erklärte der Millionär nun überraschend, er sei pleite, und stellte an seinem Wohnort in der Schweiz Konkursantrag. Ob er wirklich die ererbten Millionen komplett ausgegeben hat oder sich nicht vielleicht doch nur vor den drohenden Pirate-Bay-Schadenersatzzahlungen in Höhe von nunmehr 5,9 Millionen Euro drücken möchte, ist unklar. In einem Interview mit der rechten schwedischen Webzeitung Fria Tider bekundete er, noch nicht zu wissen, ob er auch in Schweden Konkurs beantragen werde. Sein gesamtes dort verbliebenes Vermögen sei ohnehin durch die Behörden eingefroren (bis heute wurden nur rund 35 000 Euro der ausstehenden mittlerweile fast sechs Millionen pro Pirate-Bay-Betreiber eingetrieben). Zu seinen Zukunftsplänen sagte Lundström lediglich, er werde wohl in den Devisenhandel einsteigen, in der Haft habe er mehrere Bücher zum Thema gelesen und rechne sich große Gewinne aus, falls der Euro scheitere. Rechtsextrem ist der Wasa-Erbe übrigens noch immer, erst vor wenigen Wochen schrieb er in Dria Tider unter der Überschrift »Dafür haben wir nicht gekämpft« einen Artikel über britische Veteranen, die angesichts angeblicher Überfremdung in Großbritannien ihren Einsatz gegen Nazideutschland bedauerten.
Nach Lundströms Konkursantrag könnte nun der Druck auf TPB-Mitbegründer Peter Sunde wachsen. Er gilt ebenfalls als erfolgreicher Unternehmer. Sunde ist einer von zwei Gründern des Mikropayment-Dienstes Flattr, hält jedoch offiziell keine Anteile mehr an dem Unternehmen. Indirekt dürfte er jedoch über seine Firmen Karbon Ventures LTD und The Chromatic Trust weiterhin an Flattr beteiligt sein, außerdem besitzt Karbon 15 Prozent an Kvittar, einem in Schweden sehr erfolgreichen elektronischen Quittungsdienst. Nachzuweisen, dass er zahlungsunfähig ist, würde Sunde schwerfallen, glauben auch die Anwälte der US-Filmindustrie, die die schwedischen Finanzbehörden bereits detailliert über das weitverzweigte Unternehmensnetz des gebürtigen Norwegers unterrichteten. Verschwörungstheorien über den unverschämten Staat, der einen unbescholtenen, verarmten Mann tyrannisiert, sind vorprogrammiert.

Wie kreativ die Pirate-Bay-Gründer sich dabei den Umstand zunutze machen, dass kaum jemand außerhalb des Landes Schwedisch spricht und ihre Angaben entsprechend kaum nachgeprüft werden, zeigte schließlich vor einiger Zeit Peter Sunde selbst sehr eindrücklich. Nachdem auf dem Blog »F!XMBR« ein Artikel darüber erschienen war, dass auch die deutsche Nazipartei NPD Flattr nutze und sich das Unternehmen weigere, Naziinhalte von seinem Dienst auszunehmen, hatte Sunde in der Kommentarspalte behauptet: »Aus juristischen Gründen ist es uns verboten zu diskriminieren.« Auf Nachfrage führte er aus, dass Flattr rechtsradikale Parteien wie die NPD nicht ausschließen dürfe, da das schwedische Antidiskriminierungsgesetz es untersage, Usern den Zugang zum Angebot des Unternehmens zu verbieten. Weiter sagte Sunde, Rechtsextremismus sei zunächst »nur eine Meinung« und es sei ein Menschenrecht, Meinungen zu haben und »darüber zu reden, wie man das System ändern möchte«. Überdies habe er »Angst davor, wie Menschen sich anderen Menschen gegenüber verhalten. Auf beiden Seiten dieses Konflikts. Es ist nicht gut, jemanden zu hassen, nur weil er jemand anderen hasst. Ich glaube nicht an ›Auge um Auge‹.« Zum Schluss seines letzten Postings betonte er erneut, dass »es uns aus Rechtsgründen nicht erlaubt ist, jemanden auszuschließen – aber wir würden es auch nicht wollen, da wir an das Recht auf freie Rede glauben. Wenn aus Reden Handlungen folgten, dann wäre es etwas anderes.«
Eine Anfrage der Jungle World an das schwedische Justizministerium ergab: Peter Sunde hat, um es wohlwollend auszudrücken, das am 1. Januar 2009 in Kraft getretene diskrimineringslagen nicht gänzlich verstanden. Wie der Jurist Cafer Uzunel erklärte, gehe es im Gesetz – wenig über­raschend – darum, Gleichberechtigung herzustellen und zu verhindern, dass Menschen aufgrund ihrer Herkunft, ihres Geschlechts oder ihres Glaubens diskriminiert werden. Nazis von einem Internetangebot auszuschließen, ist demnach keine Diskriminierung und nicht verboten. Peter Sunde antwortete auf die Bitte um eine Stellungnahme zum Statement des Justizministeriums übrigens nicht.