Rechte Parteien in Israel vereinigen sich

Umzug in die rechte Villa

In Israel haben sich vor den vorgezogenen Parlamentswahlen im Januar die zwei größten rechten Parteien vereint.

Am 26. Oktober verkündete Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu, dass seine Partei Likud bei den bevorstehenden Parlamentswahlen im Januar gemeinsam mit der Partei Israel Beiteinu von Außenminister Avigdor Lieberman antreten werde. Obwohl sich führende Politiker des Likud schnell bemühten zu erklären, dass sie von dieser Absicht schon seit längerem unterrichtet seien, schienen doch einige unter ihnen genauso überrascht wie der Rest der israelischen Öffentlichkeit. Bis dahin war die Diskussion um die Wahlen von der Frage beherrscht, in welcher Zusammensetzung und vor allem mit welchem Spitzenpersonal die Opposition antreten werde.
Nun wird allenthalben diskutiert, was Netanyahu zu diesem Schritt veranlasst haben könnte. In sämtlichen Umfragen lag das rechte Spektrum unangefochten an der Spitze, und der Ministerpräsident konnte sich sicher sein, diesen Job auch nach den Wahlen ausüben zu können. Mit dem vorgezogenen Wahltermin – die Legislaturperiode dauert eigentlich bis zum Oktober 2013 – hatte er auch die beiden einzigen Gefahren abgewendet, die ihm noch hätten drohen können. Die kleinere davon, eine Rückkehr des ehemaligen Ministerpräsidenten Ehud Olmert in die Politik, scheint in so kurzer Zeit kaum realistisch. Die größere wäre ein Auseinanderfallen der Regierung wegen eines Streits um den Haushalt. Auch das steht kaum mehr zu befürchten, denn der nächste Haushalt muss nun erst nach den Wahlen verabschiedet werden. Im Wahlkampf wären die Koalitionspartner des Likud hingegen kaum zu den nötigen Kompromissen bereit ­gewesen.

Glaubt man den jüngsten Umfragen, dann scheint die gemeinsame Liste »Likud Beiteinu« (»Unser Haus Likud«) den Parteien auch keinen Vorteil bei den Wahlen selbst zu verschaffen. Eine vom israelischen zweiten Fernsehprogramm in Auftrag gegebene Befragung sagte der Liste 42 Sitze voraus, genau so viele, wie Likud und Israel Beiteinu gemeinsam in der gegenwärtigen Knesset haben. Der gegenüber der Regierung kritischere Sender Kanal 10 erwartete für sie gar nur 35 Sitze. Tatsächlich fürchten einige im Likud, dass traditionelle Wählerinnen und Wähler entweder von Liebermans schlechten Manieren oder von den ­explizit säkularen Positionen seiner Partei abgeschreckt würden.
Die Gründe für Netanyahus Entscheidung dürften weniger in wahltaktischen denn in langfristigen strategischen Überlegungen zu suchen sein. Um den Likud dauerhaft als führende politische Kraft in Israel zu etablieren, muss er die Spaltungen innerhalb des rechten Spektrums so weit wie möglich überwinden. Dies gilt umso mehr, als es erste Anzeichen dafür gibt, dass die Wirtschaftskrise Israel, das von ihr bislang weitgehend verschont geblieben ist, doch noch erreichen könnte. Vor diesem Hintergrund erscheinen die Entwicklungen in der israelischen Linken nicht mehr ganz so harmlos. Sprachen die Sozialproteste im vorigen Jahr schon für eine erhöhte Sensibilität in der israelischen Gesellschaft für Fragen der sozialen Gerechtigkeit, so ist auch der relative Höhenflug der Arbeitspartei – Umfragen sagen der Partei, die nach einer Abspaltung derzeit nur noch acht Abgeordnete stellt, 20 bis 23 Sitze voraus – ein Anlass zur Sorge für ihre Gegnerinnen und Gegner. Aus Netan­yahus Sicht darf sich die Arbeitspartei auf keinen Fall wieder als ebenbürtige Konkurrentin zum Likud etablieren.

Während es für Netanyahu also um eine dauerhafte rechte Hegemonie in der israelischen Politik geht, dürften die Motive Liebermans etwas profanerer Natur sein. Niemand zweifelt daran, dass die gemeinsame Wahlliste nur die Vorstufe einer vereinten Partei ist. Lieberman hatte seine Karriere im Likud begonnen und kehrt nun lediglich in seine alte politische Heimat zurück. Dass er dies mit der drittgrößten Partei und 15 Abgeordneten der Knesset tut, wird es ihm ermöglichen, altgediente Likudniks in der Parteihierarchie glatt zu überholen. Liebermans langfristiges Ziel ist es, darin sind sich die meisten israelischen Kommentatoren einig, Netanyahu an der Spitze der Partei und der Regierung zu beerben.
Inhaltlich stehen sich der Likud und Israel Beiteinu ohnehin sehr nahe. Beide Parteien vertreten eine marktliberale Wirtschaftspolitik und stehen für eine harte Haltung gegenüber Migrantinnen und Migranten sowie arabischen Israelis. Beide haben in den vergangenen Jahren eine Reihe von Gesetzesinitiativen hervorgebracht, die von NGOs wie der Association for Civil Rights in Israel als eklatant antidemokratisch eingestuft werden. Beide Parteien lehnen die Errichtung eines palästinensischen Staates kategorisch ab, auch wenn nur Lieberman dies offen ausspricht. Und schließlich verstehen sich Likud und Israel Beiteinu als parlamentarische Vertretung der Interessen der Siedlerinnen und Siedler in den besetzten Gebieten, zu denen Lieberman auch selbst gehört.
Ob die Vereinigung von Likud und Israel Beiteinu Auswirkungen auf das derzeit brisanteste außenpolitische Thema hat, die Frage eines militärischen Vorgehens gegen den Iran, ist umstritten. Der Kolumnist der liberalen Zeitung Haaretz, Aluf Benn, sieht darin die Formierung eines »Kriegskabinetts«, das jegliche innerisraelische Opposition gegen einen solchen Militärschlag ausschalten soll. Außenpolitisch, so Benn, habe sich Netanyahu damit des zuletzt erweckten Anscheins der Zurückhaltung entledigt. Allerdings ist für den Ministerpräsidenten die Notwendigkeit eines Militärschlags gegen den Iran seit langem eine ausgemachte Sache. Ob er tatsächlich stattfinden wird, dafür dürften andere Wahlen als die israelischen ohnehin wichtiger sein, nämlich die am 6. November in den USA.
Den größten inneren Konfliktstoff in der neuen politischen Formation birgt der Gegensatz zwischen säkularen und religiösen Positionen. Während im Likud eine signifikante religiöse Frak­tion existiert, ist es vielen Mitgliedern von Israel Beiteinu ein wichtiges Anliegen, den Einfluss der Religion in der Gesellschaft zurückzudrängen. Die Frage ist nun, ob sich der Likud wieder stärker auf die säkularen Wurzeln der revisionistischen Bewegung besinnt, aus der er hervorgegangen ist, oder ob Liebermans Anhänger ihre antireligiöse Haltung abschwächen. Zugleich werden in der Mitte und im linken Teil des politischen Spektrums Hoffnungen laut, dass sich gemäßigte Likudniks der zentristischen Kadima oder sogar der Arbeitspartei anschließen könnten.
Sowohl im Zentrum als auch in der Linken wird als Reaktion auf das Bündnis von Netanyahu und Lieberman über eine alternative Blockbildung diskutiert. Der Aufbau einer breiten zentristischen Partei anstelle der sich in rapider Auflösung befindenden Kadima wird hier ebenso erwogen wie ein Bündnis um die wieder erstarkte Arbeitspartei. Nicht ausgeschlossen ist allerdings, dass sich die Opposition noch weiter zersplittert. Mit Yesh Atid hat sich bereits eine neue Partei gegründet, eine weitere könnte um Moshe Kachlon, einen abtrünnigen Politiker des Likud, entstehen. Zweieinhalb Monate vor den Wahlen ist die Opposition noch weit davon entfernt, ein einheitliches oder auch nur geordnetes Bild abzugeben. Die Rivalitäten zwischen den potentiellen Spitzenkandidaten tun hierzu ein Übriges.

Ein noch größeres Problem für die Opposition dürfte es sein, dass sie immer noch nicht in der Lage ist, eine friedenspolitische Alternative zum nationalistischen Kurs von Netanyahu und Lieberman anzubieten. Dass Kachlon sowohl von Tzipi Livni, die als ehemalige Vorsitzende der Kadima eine hoch gehandelte Kandidatin für die Führung eines zentristischen Blocks ist, als auch von der Vorsitzenden der Arbeitspartei, Shelly Yachimovich, umworben wird, zeigt dies eindringlich. Kachlon gilt zwar sozialpolitisch als eher links, ist außenpolitisch und in Hinblick auf die Palästina­-Frage aber ein erklärter Hardliner. Solange sozialpolitische aber nicht mit friedenspolitischen Gegenentwürfen verbunden werden, dies zeigt die jüngere israelische Geschichte deutlich, hat die Linke keine Chance, die rechte politische Hegemonie zu brechen.
Die Urteile in der linken und liberalen Öffentlichkeit über den Charakter des neuen rechten Bündnisses könnten nicht eindeutiger sein. »Die Partei, die in Israel an der Macht ist«, schreibt Uzi Benziman in der Haaretz, »nimmt klare faschistische Züge an.« Manche Kommentatoren sehen darin jedoch auch eine Chance. Akiva Eldar etwa meint, dass nun niemand mehr auf die Idee kommen könne, dass es so etwas wie eine gemäßigte Rechte gebe. Sowohl der einheimischen als auch der internationalen Öffentlichkeit müsse nun klar werden, dass die israelische Regierung kein Interesse an der Lösung des Konflikts mit den Palästinensern habe. Damit ergebe sich endlich wieder eine klare Alternative: zwischen Likud Beiteinu und allen Parteien, die mit diesem Bündnis nichts zu tun haben wollen.
Ob dieser Optimismus angesichts des gegenwärtigen Zustands der Opposition angebracht ist, ist fraglich. Weder Yachimovich noch der Vorsitzende der Partei Yesh Atid, Yair Lapid, noch Livni oder Olmert haben es bislang ausgeschlossen, nach den Wahlen mit dem neuen rechten Block zu koalieren. Dies haben bisher nur die kleinen linken Parteien Meretz und Hadash getan.
Von einem ist bisher merkwürdigerweise noch nicht die Rede: von Verteidigungsminister Ehud Barak. Er dürfte der große Verlierer der ganzen Geschichte werden. Mit seiner von der Arbeitspartei abgespaltenen Partei Hatzmaut (Unabhängigkeit) hat er kaum eine Chance, wieder in die Knesset einzuziehen. Daher hielten sich bis zuletzt die Gerüchte, dass Barak dem Likud beitreten wolle, um so den sicheren zweiten Platz hinter Netanyahu einzunehmen. Der ist nun fest an Lieberman vergeben, und auch das Verteidigungsministerium ist Barak nicht mehr sicher. Das Bündnis von Netanyahu und Lieberman könnte also das Ende der politischen Karriere von Barak bedeuten. Unter den israelischen Linken wird ihm sicher niemand eine Träne nachweinen.