Zu viel gewusst

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Ein Bote, der schlechte Nachricht überbrachte, wurde im Mittelalter gelegentlich geköpft. Mittlerweile ist man da weiter. Der griechische Verleger und Journalist Costas Vaxevanis wurde deshalb auch nicht zum Marktplatz, sondern in den Gerichtssaal geschleift. Er hatte in seinem Magazin Hot Doc eine Liste mit Namen mutmaßlicher griechischer Steuerhinterzieher veröffentlicht, die ihr Vermögen auf Schweizer Bankkonten vor dem Fiskus verstecken. Das Pikante an der Sache: Die Liste ist der griechischen Regierung nicht unbekannt. 2010 wurde sie der damaligen französischen Finanzministerin Christine Lagarde von einem Schweizer Mitarbeiter der Bank HSBC zugespielt. Sie gab das als »Lagarde-Liste« bekannte Dokument an ihren griechischen Kollegen weiter. Danach passierte lange nichts mehr. Bis der Verleger Vaxevanis vor einigen Wochen einen anonymen Brief erhielt. Darin lag neben der Liste auch ein Schreiben, in dem behauptet wurde, die Regierung nutze die Liste für Erpressungen. Vaxevanis druckte die Namen in seinem Magazin ab.
Obwohl er niemanden direkt der Steuerhinterziehung beschuldigte und auch die jeweiligen Beträge auf den Schweizer Konten nicht preisgab, wurde er wegen Verletzung des Datenschutzes angeklagt. Eine verkehrte Welt. Statt auf die Steuersünder stürzte man sich auf den Überbringer der schlechten Nachricht. Die Staatsanwaltschaft beschuldigte Vaxevanis, er habe die Steuerflüchtigen einer »blutdürstigen Gesellschaft zum Fraß vorgeworfen«. Sogar die Betroffenen selbst sahen das ganz anders. Sie erklärten, die Veröffentlichung ihrer Namen durch Vaxevanis habe ihr Recht auf Datenschutz in keiner Weise verletzt. Zum Prozess kam es trotzdem. Der 46jährige, dem zwei Jahre Gefängnis drohten, wurde jedoch freigesprochen. Wohl nicht zuletzt deshalb, weil sein Fall international für mediale Aufmerksamkeit und Empörung gesorgt hatte. Der Moment der Veröffentlichung ist für die Regierung sicherlich nicht der beste. Schätzungen zufolge entgingen dem griechischen Staat allein 2009 durch Steuerhinterziehung wohlhabender Griechinnen und Griechen 27 Milliarden Euro. Bei denjenigen, die unter den Sparmaßnahmen zu leiden haben, verstärkt sich dadurch das Gefühl der Ohnmacht und der Ungerechtigkeit. Das Urteil war zweifels­ohne eine wichtige Entscheidung für die Pressefreiheit. Welche rechtlichen Konsequenzen die Steuerhinterzieher aber zu erwarten haben, bleibt offen.