Regierungskrise in Italien

Hauptsache Monti

In Italien soll im Februar gewählt werden. Die Kandidaten der Rechten machen es ihrer Klientel nicht einfach.

Die Wahlen sind unumgänglich. Im Februar werden die italienischen Bürgerinnen und Bürger über die neue Zusammensetzung ihres Parlaments entscheiden. Da die europäischen Kommissions-, Rats- und Regierungschefs vergangene Woche jedoch übereinstimmend erklärten, sie wollten weiterhin jenen Mann im Amt des Ministerpräsidenten sehen, dessen Berufung sie vor 13 Monaten durchgesetzt hatten, wird der Wahlgang so vorbereitet, dass Mario Monti in jedem Fall eine einflussreiche Rolle in der italienischen Politik behält. Die internationale Aufregung, die Silvio Berlusconis Ankündigung auslöste, zum sechsten Mal in Folge bei den Parlamentswahlen zu kandidieren, kommt diesen Anstrengungen entgegen.

Der ehemalige Ministerpräsident verbreitet zwar über alle seine Fernsehkanäle Optimismus und verspricht, er trete an, um die Wahlen zu gewinnen, dennoch besteht keine ernsthafte Gefahr einer »Rückkehr der Mumie«. Sogar seine eigens in Auftrag gegebenen Meinungsumfragen bescheinigen ihm die Unmöglichkeit eines erneuten Wahlsiegs. Berlusconis widersprüchliche Auftritte offenbaren vielmehr seine Orientierungslosigkeit und die Verwirrung des gesamten rechten politischen Lagers. Nach seinem erzwungenen Rücktritt im November vergangenen Jahres zerbrach das Bündnis mit der Lega Nord. Seither befindet sich auch seine Partei Popolo della Libertà (PdL) aufgrund interner Zerwürfnisse und strafrechtlicher Ermittlungsverfahren in Auflösung. Der Versuch, den jungen Generalsekretär Angelino Alfano als Nachfolger aufzubauen, ist gescheitert. Alfano fehlen der Rückhalt in der Partei und das Charisma, um das rechte Lager neu zusammenzuführen. Allerdings gibt es nach wie vor eine größere rechte Wählerklientel, die Berlusconi nicht kampflos der Protestbewegung von Beppe Grillo oder anderen Rechtsparteien überlassen möchte. Diesem Publikum gelten seine schrillen Töne gegen Montis Steuererhöhungen und die deutsche Europa-Politik. Es handelt sich um ein Wählerpotential, mit dem sich zwar keine Wahl gewinnen lässt, das aber ausreichen könnte, um im Senat eine linksliberale Mehrheit zu verhindern. Andererseits verschreckt die Propaganda gegen Monti die liberalen PdL-Anhänger, die an einer Neuformierung der Rechten unter der Führung des Wirtschaftsprofessors interessiert sind. So erklärt sich Berlusconis Kehrtwende und die Ankündigung, seine Kandidatur zurückzuziehen, sollte Monti sich entschließen, bei den Parlamentswahlen offen für ein rechtes Wahlbündnis anzutreten.

Mit seinem Rücktritt gab Monti zu verstehen, dass er sich nicht auf Berlusconis Machtspiele einlassen will. Sein Auftritt beim Brüsseler Treffen der Europäischen Volkspartei vergangene Woche deutet außerdem an, dass sich in Italien ein neues bürgerliches Lager formiert. Eine direkte Kandidatur Montis für das Amt des Ministerpräsidenten wird nicht mehr ausgeschlossen. Wahrscheinlicher aber ist, dass noch vor Weihnachten ein von ihm unterstütztes Wahlbündnis vorgestellt wird, das unter der Führung des derzeitigen Immigrationsministers, Andrea Riccardi, die christlich-konservativen Kräfte vereint. Dem Bündnis könnten sich neben der christdemokratischen Partei UDC auch katholische Konservative aus der PdL anschließen, die am Wochenende die eigenständige Gruppe »Bürgerliches Italien« gegründet haben. Außerdem wird spekuliert, dass auch katholische Liberale aus dem Partito Democratico (PD), denen die Sozialpolitik ihres Parteivorsitzenden Pier Luigi Bersani missfällt, zur katholischen Mitte überlaufen könnten.
Dabei ist Bersanis Triumph über den liberalen Flügel bei den parteiinternen Vorwahlen Anfang Dezember (Jungle World 49/2012) schon Geschichte. Denn obwohl der PD in Umfragen noch immer stärkste Partei ist, werden die Demokraten allein keine stabile Regierungsmehrheit bilden können. Das Vorhaben, in einer sozialdemokratischen Koalition gemeinsam mit den französischen Sozialisten der deutschen Europa-Politik entgegenzutreten, hat nach der internationalen Wahlkampfoffensive für Monti kaum noch Aussicht auf Erfolg.
Sogar Bersanis vermeintlicher Mitstreiter, Frankreichs Präsident François Hollande, erwies Monti seinen Respekt und lobte ihn als Mann, der Italien erlaube, »sich zu erholen«. Der PD-Spitzenkandidat hielt nicht etwa mit den Daten des jüngsten Sozialberichts dagegen, er beeilte sich vielmehr, in Interviews mit den Tageszeitungen Wall Street Journal und Die Welt zu versichern, der PD werde im Falle eines Wahlsieges Montis Reformen trotz der Kritik seiner linken Bündnispartner nicht rückgängig machen. Die Demokraten würden Monti stets »den Willen zur Zusammenarbeit signalisieren«. Bereits am Wochenende fanden, vermittelt durch Staatspräsident Giorgio Napolitano, erste Sondierungsgespräche statt. Monti könnte demnach auf eine Kampfkandidatur gegen Bersani verzichten, sofern ihm der PD die Wahl zum neuen Staatspräsidenten oder das Amt des zukünftigen Finanzministers zusichert. Dass sich Bersani auf die Maximalforderung der Anhänger Montis einlässt, auch im Falle seines Wahlsiegs dem Professor für mindestens ein weiteres Jahr das Amt des Ministerpräsidenten zu überlassen, ist unwahrscheinlich. Damit würden die Wahlen endgültig zur Farce.

Die Linke beobachtet diesen politischen Kuhhandel aus desinteressierter Distanz. Bersanis vorauseilende Unterwerfung ist ihr Bestätigung dafür, dass die Demokraten nie ernsthaft in Erwägung gezogen haben, den europäischen Fiskalpakt zugunsten einer sozialverträglichen Wirtschaftspolitik aufzukündigen. Dennoch fehlt in Italien eine klare politische Alternative nach dem Modell der griechischen Oppositionspartei Syriza. Soziale Bewegungen, linke Splitterparteien und zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich an den Parlamentswahlen beteiligen wollen, versuchen sich deshalb zu einem sogenannten orangefarbenen Wahlbündnis zusammenzuschließen. Doch selbst wenn dieser Sammelbewegung der Einzug ins Parlament gelingen sollte, werden sich gesellschaftliche Veränderungen auch künftig allenfalls durch den Druck außerparlamentarischer Bewegungen erzwingen lassen.