Strategien der Neuen Rechten für das Jahr 2013. Teil II

Vom Ethos des Dienens

Strategien der Neuen Rechten für das Jahr 2013, Teil II. Die Rechte versucht sich jenseits der Partei- und Tagespolitik an einem neuen Kulturkampf und einer Wiederbelebung des Jungkonservatismus der zwanziger Jahre.

Für jene Rechten, die zwischen dem rechten Flügel der Union und der NPD agieren, zeichnen sich derzeit wenige parteipolitische Perspektiven ab. Es liegt also nahe, den Trend des Milieus zur Metapolitik jenseits der Parteien, seine Kritik am Parteiensystem und die historischen Vorbilder für diese Form der Parteienfeindlichkeit zu untersuchen.
Eine »Kulturrevolution von rechts« anstelle der Parteipolitik rief Alain de Benoist in seinem gleichnamigen Buch schon 1985 aus. Der so zurückeroberten Diskursmacht könne dann eine Partei­gründung unter günstigeren Vorzeichen folgen bzw. der Wandel der etablierten Parteien würde sich von selbst ergeben. In Frankreich wollten bereits in den siebziger Jahren rechte Intellektuelle auf diese Weise den kulturellen Siegeszug der Neuen Linken beenden. Dieser Metapolitik gilt derzeit wieder die Aufmerksamkeit. Mit der »Identitären Bewegung« kommt zugleich ein weiterer Ansatz aus Frankreich, der sich jenseits der Parteien sieht und hierzulande auf viele eine Anziehung ausübt, von den Freien Kameradschaften bis hin zu den Oswald-Spengler- und Carl-Schmitt-Jüngern rund um das in Albersroda (Sachsen-Anhalt) beheimatete Institut für Staatspolitik (IfS).

Doch auch ohne diesen Import betreibt die Rechte hierzulande Kulturkampf. Allein das letzte Quartal des vergangenen Jahres verzeichnete zwei nicht unbedeutende Ereignisse: Ende November wurde in Berlin die »Bibliothek des Konservatismus« eröffnet. Die Initiative für eine »Förderstiftung Konservative Bildung und Forschung«, die hinter der Bibliothek steht, hatte der langjährige Criticón-Herausgeber Caspar von Schrenck-Notzing bereits im Jahr 2000 ergriffen. Von ihm stammt auch die erste Einlage von einer Million Mark. Seine Privatsammlung bildet heute den Grundstock des Buchbestands. Im Gegensatz zum »nüchternen Macht-Opportunismus fernab konservativer Gesinnungen« sei das Haus ein »Refugium konservativen Denkens«, ließ – als Seitenhieb auf die CDU Angela Merkels – die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) verlauten. Als sei der Konservatismus je etwas anderes gewesen als eine Weltanschauung zur Legitimation von Macht. Mit der von der NZZ gepriesenen Offenheit und Weltläufigkeit ist es allerdings nicht weit her: Karlheinz Weißmann, Alain de Benoist, Dieter Stein – die Liste der Namen, die im Kontext der Bibliothek auftauchen, liest sich wie die zu einem Familientreffen der Neuen Rechten. Auch wirbt die Bibliothek mit einer umfangreichen Abteilung Literatur zur »Konservativen Revolution«. Selbst der Geist des 2008 verstorbenen Günter Rohrmoser spukt nun in Berlin: Dessen Erbe, Harald Seubert, der Präsident des Studienzentrums Weikersheim, übergab der Bibliothek 2010 Rohrmosers umfangreiche Privatsammlung.
Den metapolitischen Kurs zeigte auch die Anfang Oktober in Berlin-Wilmersdorf durchgeführte Messe »Zwischentag«, die der Verleger Götz Kubitschek aus der Taufe gehoben hatte. Auf dieser »Freien Messe« waren neben dem Trägerverein der »Bibliothek des Konservatismus« die wichtigsten Projekte der Neuen und alten Rechten zugegen: Neben der Jungen Freiheit war das IfS vor Ort, das sich federführend an der Entwicklung einer politischen Strategie versucht und soeben die Eröffnung einer Berliner Dependance bekanntgegeben hat, außerdem die Zeitschrift Sezession, die den Anspruch erhebt, zentrales Theorieorgan der Neuen Rechten zu sein, das Nachwuchsblatt Blaue Narzisse sowie Verlage wie Antaios, Ares, Telesma, Regin bis hin zum Berg-Verlag; ferner Verbindungen, Organisationen sowie Gewerbetreibende, die sich dem Milieu verbunden fühlen. Auch das Internetportal »Politically Incorrect« präsentierte sich in Berlin. Mit deren Vertreter Michael Stürzenberger kam es auf einem Podium zu einem Streit darüber, ob der Islam Verursacher oder nur Nutznießer des »Niedergangs der abendländischen Kultur« sei.

Unter den Messeteilnehmern legt man durchaus Wert auf Distanz zur Tagespolitik. Das IfS hat sich bereits 2007 in einer Broschüre der Frage nach einer »Parteigründung von rechts« angenommen. Nach einer Betrachtung diverser Rechtsparteien fällt das Resümee ernüchternd aus: »Die ursprünglichen Motive für das Engagement, seien es Idealismus oder Verantwortungsbewusstsein, spielen keine Rolle mehr! Es ist nicht die schlechteste Aufgabe, einen jungen Mann vor diesem Lebenskonzept und der Verschwendung seiner Kraft zu bewahren!«
Auch der Eintrag unter dem Stichwort »Partei« im »Staatspolitischen Handbuch« des IfS zeugt von einer gewissen Reserviertheit. Besonders die Neigung von Parteien, »den Staat zur ›Beute‹ zu machen« und »Parteiwohl über das Staatswohl« zu stellen, schreckt die jungkonservativen Streiter um Kubitschek und den Historiker Weißmann ab.
Soweit unterscheidet sich die Analyse nicht von der gängigen politologischen Kritik des Parteiwesens. Interessant ist allerdings, wie in der Publikation über die »Parteigründung« die Struktur der eigenen Wunschpartei skizziert wird, die sich allerdings unter den gegebenen Bedingungen nicht herstellen lasse: Gewünscht ist eine kleine Honoratiorenpartei, deren Mitglieder streng ausgewählt werden, eher eine Sammlung von Führungskräften mit enger Bindung an die Wirtschaft: »Behandelt werden insbesondere die Frage nach der Möglichkeit einer Reduzierung der Mitgliederzahl auf ein Minimum, einer Aufnahme von Neumitgliedern mittels Bürgschaft zweier Altmitglieder sowie einer schwerpunktmäßig durch Spenden bestrittenen Finanzierung der Partei.« Das aber, so schlussfolgert die Broschüre und meint vor allem die strikte Auswahl der Mitglieder, sei mit dem Grundgesetz wohl kaum vereinbar, weshalb sich die Aufbauarbeit nicht lohne. Abgelehnt wird der Typus des Berufspolitikers, gefordert ein Ethos des Dienens.

Wenig überraschend erinnert diese Konzeption an den organisatorischen Aufbau des Jungkonservatismus der zwanziger Jahre: Besonders die vorgeschlagene Regelung zweier notwendiger Bürgen für Neumitglieder ist eine direkte Übernahme der Aufnahmekriterien aus den »33 Sätzen« des Berliner Juni-Klubs von 1919, jenem politischen Netzwerk von Rechtsintellektuellen, Politikern und Wirtschaftsvertretern, die sich der schnellstmögliche Zerstörung der Weimarer Republik verschrieben hatten. Auch die sonstige Struktur des heutigen Milieus weist direkt in diese Vergangenheit: Die IfS-Nachschlagewerke »Grundbegriffe« und »Schlüsselwerke« finden ihre Entsprechung im »Kleinen politischen Wörterbuch«, das der jungkonservative Geopolitiker Max Hildebert Boehm 1919 herausgegeben hatte und an dem diverse Granden des Juni-Klubs beteiligt waren.
Dass die Metapolitik gegenüber der Politik Vorrang habe, gehörte zum Credo der Bewegung. Die Junge Freiheit versucht sich seit ihrer Gründung in der Kopie der Club-Zeitung Das Gewissen. Die Doppelstruktur der Zeitung und des IfS entspricht dem Verhältnis von Das Gewissen und der angegliederten privaten Hochschule »Politisches Kolleg«. Karlheinz Weißmann schrieb in seinem Text zur Gründung des IfS selbst von der Notwendigkeit der Gründung eines »Politischen Kollegs« (JF 45/99), ein Verweis auf das Berliner Vorbild der Weimarer Zeit. Der gesamte Jungkonservatismus verfolgte eine elitär-ständestaatliche Konzeption. In der kurzen Regierungszeit Franz von Papens fand das jungkonservative Politikkonzept schließlich seine Anwendung. Die Folgen sind bekannt. Selbst das Herabblicken der Jungkonservativen auf die NSDAP spiegelt sich heute im Verhältnis zur NPD.
Mit Moeller van den Bruck, einem zentralen Theoretiker des Weimarer Jungkonservatismus, gesprochen, geht es heute wie damals darum, »die Parteien von der Seite der Weltanschauung her zu zertrümmern.« Die »Neue Rechte« mit ihrem Hang zur Metapolitik ist in vielen Punkten also nicht neu, sondern verfolgt letztlich althergebrachte »konservativ-revolutionäre« Politikkonzeptionen der zwanziger Jahre.