Ein rechtes Ladengeschäft in Kiel

Ein Geschäft mit alten Bekannten

In Kiel hat ein Geschäft eröffnet, das unter anderem mit Einbruchswerkzeug handelt. Die Betreiber bewegen sich zwischen Rockerclubs und Neonaziszene.

Das Ladengeschäft am Vinetaplatz 3 im Kieler Stadtteil Gaarden ist unscheinbar. Die Betreiber von »PLS-Werkzeuge« – so der Name des Geschäfts – sind jedoch keine Unbekannten.
»Peter Borchert« steht auf dem schwarzen Briefkasten neben der Eingangstür. Borchert bewegt sich seit Jahren sowohl im Rockermilieu als auch in der rechtsextremen Szene Schleswig-Hosteins. Derzeit sitzt er im Gefängnis – nicht zum ersten Mal. Das Mitglied des Rockerclubs Bandidos, das von 2001 bis 2003 schleswig-holsteinischer NPD-Vorsitzender war, saß bereits wegen Körperverletzung und Waffenhandel in Haft. Seine derzeitige Gefängnisstrafe verbüßt der fast 40jährige jedoch, weil er zwei Mitglieder der Hells Angels niedergestochen hat.

Die berufliche Perspektive in der Werkzeugbranche für die Zeit nach der Haft verdankt Borchert seinen engen Mitstreitern Lars Bergeest und Alexander Hardt. Im Dezember 2012 haben Hardt und Bergeest das Geschäft in dem multikulturell geprägten Stadtteil Gaarden eröffnet. Auch Borchert selbst, der ab etwa 2007 maßgeblich an der Neuausrichtung der rechten Szene im nördlichsten Bundesland am Modell der »Autonomen Nationalisten« beteiligt war, hat hier im Viertel bereits zeitweise gewohnt.
»Das städtische Ordnungsamt hat die Gewerbeanmeldung für das Geschäft entgegengenommen«, sagt Tim Holborn, Pressesprecher der Stadt Kiel, und erläutert: »Eine Genehmigung benötigt der Betreiber dafür nicht, da diese Form des Einzelhandels nur anzeigepflichtig ist.« Es gab für das Ordnungsamt also keine Handhabe, die Anmeldung des Gewerbes zu verhindern.
Dabei finden sich im Sortiment des Ladengeschäfts und des angegliederten Internetversandhandels auch Einbruchswerkzeuge – allerdings solche, die legal erworben werden dürfen. Der Slogan dazu auf der Website klingt doppeldeutig: »Denn was zu geht … geht auch wieder auf!« Der Kieler Polizeisprecher Bernd Triphahn sagte unlängst den Medien: »Der Erwerb, der Besitz, das Führen und der Verkauf derartiger Gegenstände sind nicht verboten.« Erst wer diese Werkzeuge zum Einbrechen nutze, handele strafbar.

Mit Internetgeschäften kennt sich Hardt, der ebenfalls bei den Bandidos ist, bestens aus. Auf einer Seite, auf der als Anschrift die Adresse des Neonazitreffs »Club 88« in Neumünster angegeben wurde, vertrieb er 2009 einen von ihm als »Polenschlüssel« bezeichneten Generalschlüssel, der angeblich von Autodieben gerne genutzt wird. Nach Hardt war es Bergeest, der über ein Postfach in Bordesholm als Ansprechpartner für den Versand fungierte. Auf der Website des neuen Geschäfts ist dieser Schlüssel ebenfalls wieder mit im Angebot – für 90 Euro zuzüglich Versand.
Auch Alexander Hardt, der bereits gemeinsam mit Bochert beim »Club 88« aktiv war, stand bereits mehrfach vor Gericht. Im November 2012 verurteilte das Amtsgericht Neumünster ihn zu 13 Monaten Haft, da er Gespräche von Politikern und Polizeibeamten heimlich mitgeschnitten und später, mit rechtsextremen Kommentaren versehen, im Internet veröffentlicht hatte. Bereits 2010 verurteilte das Amtsgericht Herzberg ihn zu einer Geldstrafe von 1 800 Euro. Er hatte das Booklet der CD »Geheime Reichssache« der Rechtsrockband »Kommando Freisler« verantwortet, in dem ein Hakenkreuz abgebildet war.
Im Vergleich zu Borchert und Hardt fiel Lars Bergeest bislang kaum auf. Er soll jedoch seit Jahren bei dem in Deutschland im Jahr 2000 verbotenen internationalen Netzwerk »Blood & Honour« aktiv sein. Beste Beziehungen hat er offenbar zur rechtsextremen Szene Skandinaviens. In Dänemark teilte sich Bergeest, der mehrfach wegen gefährlicher Köperverletzung vor Gericht stand, laut Angaben des NDR zeitweise eine Wohnung mit Flemming Muff C., der als Kopf von »Blood & Honour« in Skandinavien gilt.
Über »Blood & Honour« könnten sich auch Borchert und Bergeest kennengelernt haben. Borchert gilt als eine der Führungspersonen der Gruppe »Combat 18 Pinneberg«. Nach Erkenntnissen des Staatsschutzes soll die Gruppe in der Region die »direkte Nachfolge« von »Blood & Honour« übernommen haben. Sie stand darüber hinaus im Verdacht der Bildung einer politisch motivierten kriminellen Vereinigung, der räuberischen Erpressung sowie des Waffenhandels und des Versands von verbotenen Tonträgern. Borchert soll in diesem Zusammenhang im Rotlichtmilieu und in der rechtsextremen Szene zwischen Kiel und Neumünster mit Waffen gehandelt haben. Am 28. Oktober 2003 durchsuchten mehr als 300 Beamte über 50 Wohnungen und Treffpunkte von Rechtsextremen. Gegen Borchert wurde Haftbefehl erlassen. Bei der Verhandlung 2004 vor dem Landgericht Kiel schwieg er zu diesen Geschäften, nannte weder Käufer noch Verkäufer. Das Gericht verurteile ihn zu drei Jahren und zwei Monaten Gefängnis wegen illegalen Waffenhandels in 16 Fällen.

Spätestens nach seiner Entlassung auf Bewährung im Oktober 2007 begann Borchert, sich in Neumünster bei den Bandidos zu engagieren. Er selbst machte die Zugehörigkeit zu dem »Motorradclub« öffentlich, indem er ein Foto von sich, Hardt und einer weiteren Person ins Internet stellte. Auf diesem Foto tragen alle drei Lederkutten mit Aufnähern der Bandidos und posieren vor einer Wand, auf der »Bandidos Jena« steht. Das Bild, so Borchert, habe er ins Netz gestellt, um »Klarheit zu schaffen«. Er sei »kein Mann der zweiten Reihe«, ließ er später im Gerichtsflur wissen.
Das Landeskriminalamt in Kiel rechnet die Bandidos der organisierten Kriminalität zu. Ihre Einnahmequellen sind dem LKA zufolge Drogenhandel, Waffengeschäfte, Schutzgelderpressung und Prostitution. 2010 verbot das Innenministerium das Neumünsteraner »Probationary Chapter« der Bandidos. Das Clubhaus, nur wenige Schritte vom »Club 88« entfernt, musste schließen. Das Verbot wurde 2012 vom Oberverwaltungsgericht Schleswig bestätigt.
Zwischen Nord- und Ostsee gibt es nach Polizeiangaben derzeit 225 Rocker, die den Hells Angels, den Bandidos und einem von deren »Supporter MCs« angehören. 17 von diesen sollen »Bezüge zu Rechtsextremen« haben. Das Milieu, das aus der Vermischung beider Szenen entstanden ist, ist schwer einschätzbar. Bisher wollten die Rocker vor allem Geld machen und nicht Politik, doch der Rechtsextremismusexperte Hajo Funke sieht bereits eine steigende Gewaltbereitschaft und warnt vor einer möglichen »neuen Qualität des Rechtsterrorismus«, die aus diesem Milieu erwachsen könnte.