Vor den »Blockupy«-Aktionstagen in Frankfurt

Protest ohne Blockaden

Auch in diesem Jahr ruft das »Blockupy«-Bündnis zu Aktionstagen in Frankfurt am Main auf. Während die Behörden im vergangenen Jahr ein Verbot über die Proteste gegen die europäische Krisenpolitik verhängten, scheint die Lage in der Stadt in diesem Jahr entspannter zu sein.

Niemand kann behaupten, es gebe nichts Neues. Zwar veranstaltet das »Blockupy«-Bündnis wie auch im vergangenen Jahr Aktionstage in Frankfurt am Main. Doch die Ausgangslage für die Proteste, die am 31. Mai und 1. Juni stattfinden sollen, hat sich verändert: Die Beteiligung des linksradikalen Bündnisses »Ums Ganze!« schlägt sich inhaltlich nieder. So heißt es in dem Aufruf des »Blockupy«-Bündnisses, dem Gewerkschaften, die Linkspartei, Attac und weitere Organisationen angehören: »Wir wehren uns auch gegen jedwede reaktionäre oder rassistische Kriseninterpretation, gleich ob von ›unten oder oben‹, gleich ob in antisemitischer, antimuslimischer oder antiziganistischer Form.« Zudem schreiben die Verfasser: »Wir widersetzen uns dem kapitalistischen Wirtschaftsmodell, das auf globaler Ausbeutung basiert, notwendig Armut und soziale Ungleichheit produziert und die Natur systematisch zerstört.«

Die inhaltliche Erweiterung um linksradikale Positionen soll auch praktische Konsequenzen haben. So soll etwa nach der gemeinsamen Blockade der EZB mit der von antirassistischen und antikapitalistischen Gruppen vorbereiteten Aktion »Blockupy Deportation Airport« auf den Zusammenhang von Krisen- und Grenzregime in Europa am Frankfurter Flughafen hingewiesen werden. Martin Sommer, ein Sprecher des Bündnisses, sagt der Jungle World hierzu: »Unser Ziel ist es, konkrete soziale Kämpfe miteinander zu verbinden und sie um eine antikapitalistische Kritik zu erweitern. Wir wollen den Normalbetrieb an Deutschlands Abschiebeflughafen Nummer eins stören, weil es ein Ort ist, an dem der Zusammenhang von Ausbeutung und rassistischer Ausgrenzung deutlich wird.« Insgesamt bietet »Blockupy« dieses Jahr nach Sommers Ansicht gute Möglichkeiten, einen auch international wahrnehmbaren Einspruch gegen den nationalistischen Krisendiskurs in Deutschland zu erheben: »Da die deutsche Krisenpolitik unvermindert weitergeht, kann es sich die radikale Linke eigentlich nicht leisten, diese Chance zu verpassen.«
Der Wille zur Intervention besteht also. Am Anfang der Krise war das anders, da bestaunte die deutsche Linke nur die sozialen Folgen der Austeritätspolitik und die neue hegemoniale Rolle Deutschlands in Europa. Währenddessen diskutierten deutsche Politiker darüber, wie hart der Euro-Raum an die Kandare genommen werden könne. »Blockupy« wie auch die M31-Demonstration waren im vergangenen Jahr Versuche, diese Friedhofsruhe im Land der vermeintlichen Krisengewinnler zu stören und mit den sozialen Bewegungen in Südeuropa zusammenzuarbeiten.
Geplant war »Blockupy«, ähnlich wie die G8-Proteste in Heiligendamm, als ein Zusammentreffen unterschiedlicher sozialer und politischer Gruppen, die gemeinsam campen, demonstrieren und die Europäische Zentralbank (EZB) blockieren wollten. Das Vorhaben löste bei der schwarz-grünen Stadtverwaltung in Frankfurt Panik aus und hatte ein Verbot zur Folge. Nur eine Demonstration, zu der etwa 25 000 Teilnehmer kamen, wurde gerichtlich erlaubt. Ansonsten glich die sich sonst gerne liberal gebende Stadt für drei Tage einer Hochsicherheitszone. Was auf den ersten Blick noch als absurde Überreaktion eines wild geworden Ordnungsamts erschien, erwies sich als Teil der europäischen Krisenpolitik. Die Repressionswelle gegen die griechische antiautoritär-anarchistische Bewegung und das Verbot der Demonstration gegen den EU-Frühjahrsgipfel im März in Brüssel folgten derselben autoritären Herangehensweise. Inhaltlich ist die radikale Linke während der »Blockupy«-Aktionstage 2012 zwar nicht völlig unsichtbar geblieben, aber die Proteste waren wegen des Kampfes um das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit doch zumeist reformistisch.

Dieser Kampf dürfte nun ausbleiben. Denn der große Unterschied zum vergangenen Jahr ist: Es erscheint unwahrscheinlich, dass »Blockupy« dieses Mal erneut verboten wird. Zum einen gab es in Frankfurt seit vergangenem Jahr keine militante Demonstration. Zum anderen hätte ein Verbot dem Ruf des neuen Bürgermeisters Peter Feldmann geschadet, der sich selbst zum linken Flügel der SPD zählt. Dabei schienen sich noch bis vor kurzem die Ereignisse zu wiederholen. So kündigte das Ordnungsamt der Stadt an, eine Demonstration zu genehmigen, erklärte sich aber für alles Weitere, wie beispielsweise ein Camp, nicht zuständig.
Die Kritik des »Blockupy«-Bündnisses wurde in diesem Jahr von der lokalen Presse, wie etwa der Frankfurter Rundschau, allerdings dankbar aufgegriffen. Dabei wurde deutlich, dass in der Stadtverwaltung ein heftiger Streit um die richtige Politik entbrannt ist. Während die Grünen bemüht sind, den Koalitionsfrieden mit der CDU zu wahren, stehen sich in der Auseinandersetzung der Ordnungsdezernent Markus Frank (CDU) und der Bürgermeister gegenüber. Feldmann sagte in einem Interview, es werde »keinen Streit mehr um einen Platz für Zelte geben«. Außerdem sei Frankfurt »die Stadt des kritischen Hinterfragens der gesellschaftlichen Zustände« und besitze »eine liberale Bürgerschaft, die offene Diskussion als selbstverständlichen Teil ihrer DNA anerkennt«. Hingegen gelangte der Ordnungsdezernent zu dem kategorischen Fazit: »Wir schulden ›Blockupy‹ nichts!« Gegenüber der Jungle World zeigten sich der Vorsitzende der hessischen Landtagsfraktion derLinkspartei, Willi van Ooyen, und Werner Rätz von Attac, die beide mit der Stadt verhandeln, optimistisch. Inzwischen zeichnet sich auch ein Ort für das Camp zur Unterbringung der angereisten Demonstranten ab.
Ein Verbot ist zwar unwahrscheinlich, jedoch nicht vollständig ausgeschlossen. Denn Frank sagte, dass auch danach entschieden werde, ob es erneut Aufrufe zur Gewalt im Internet gebe. Zwar müsste nach diesem Kriterium auch manches Fußballspiel in Deutschland ausfallen. Doch hinter dem formaljuristischen Gezerre steckt eine politische Absicht. Wie der hessische Innenminister Boris Rhein (CDU) bereits im vergangenen Jahr sagte, soll verhindert werden, dass Frankfurt zum »Mekka der Frustrierten aus ganz Europa« wird. An diesem Ziel dürfte sich nichts geändert haben.

Ganz andere gesellschaftliche Gruppen scheinen jedenfalls davon auszugehen, dass die »Blockupy«-Proteste stattfinden werden. Unternehmen und Geschäftsleute bereiten sich bereits auf die Aktionstage vor. Nach Berichten der Frankfurter Rundschau laufen die Telefonleitungen der Abteilung für Notfallszenarien der Beraterfirma ACG heiß. Die ACG hilft Unternehmen, bei »Störfällen« den Normalbetrieb aufrechtzuerhalten. Auf der Internetseite der ACG heißt es: »Jetzt an die Vorbereitungen für ›Blockupy‹ 2013 denken.« Es ist bisher allerdings nicht ganz klar, auf welchen »Störfall« man sich da eigentlich vorbereitet: entweder auf ein erneutes Verbot und die damit einhergehende polizeiliche Blockade der Innenstadt oder auf eine Blockade durch Demonstranten.