Insekten sind lecker und voll öko

Es wird gegessen, was auf den Tisch hüpft

Insekten sind echte Leckerbissen und ihre Produktion ist erheblich ökonomischer als die anderer Nutztiere.

Wer unsere Gesellschaft allen Ernstes für aufgeklärt hält, muss nur mal einen Blick auf unsere Ernährung beziehungsweise auf die sich von ihr Nährenden werfen. Als ich unlängst bei einer Veranstaltung einige Heuschrecken zubereitete, um sie dem Publikum anzubieten, verließen zwei Gäste angewidert und schimpfend den Saal. Dabei war es keineswegs so, dass wir beabsichtigten, sie zwangszuernähren. Höflich luden wir ein, den Genuss der kross ausgebratenen und sorgsam gewürzten Leckerbissen mit uns zu teilen, wie es jedem guten Gastgeber zu Ehren gereicht.
Aber nein, doch keine Insekten! Selbst Menschen, die man ansonsten für näherungsweise zurechnungsfähig hält, vergessen bei dem Thema Würde und Ratio. Wenn sie sich ihres albernen Verhaltens wenigstens bewusst wären und dafür schämten – jeder von uns hat ja seine Schwächen. Doch borniert wie idiotisch beharren sie darauf: Insekten zu essen, das sei eklig, widernatürlich, so etwas macht man einfach nicht. Womit das intellektuelle Niveau der Debatte hinreichend geklärt ist. Wer »so was macht man nicht« sagt, kann sich ja ebenso gut den berühmten »Ich bin doof!«-Zettel auf die Stirn pappen.

Als würde es einen Unterschied machen, ob man Krebse isst oder Spinnen, ob Schnecken oder Engerlinge. Wirbellose sind sie alle, viele Beine oder wahlweise eben gar keine haben die einen wie die anderen, und wer ernsthaft über appetitliches Aussehen diskutieren will, werfe mal einen näheren Blick auf eine Garnele (oder ein typisches veganes Gericht in einer typischen veganen Volxküche). Was als Nahrungsmittel gilt, bestimmt die kulturelle Tradition. Es gibt selbstverständlich auch keinen sachlichen Grund, Schweine zu vertilgen, das Verspeisen von Hunden oder Katzen aber zu ächten. In diesem Punkt muss man Vegetariern Recht geben: entweder alle oder keinen (sofern nicht andere rationale Gründe, etwa Artenschutz, dem entgegenstehen).
Es gibt eine ganze Reihe von Insektenarten, die sich als Nahrungsmittel sehr bewährt haben. In anderen Regionen der Welt werden sie regelmäßig und gerne gegessen. Der einzige Grund, warum wir das hierzulande nicht so halten, ist der, dass wir es nicht kennen. Denn was der Bauer nicht kennt, das frisst er nicht. Man sollte ihn bedauern dafür, denn ihm entgeht so viel Wunderbares.

Die Vorzüge von Insekten als Nahrungsmittel aufzuführen, erübrigt sich im Grunde, denn mit Vernunft hat das alles ja sowieso nichts zu tun. Aber fürs Protokoll: Sie sind gesund, gut verfügbar, wenn man nicht abseitigen Glaubensrichtungen angehört, gibt es keine ethischen Bedenken, sie in Massen zu züchten und zu verzehren, und ihre Produktion ist erheblich umweltverträglicher und ökonomischer als die klassischer Nutztiere. Und sie sind halt lecker, wenn man sie gekonnt zubereitet – in dem Punkt unterscheiden sie sich nicht von den meisten anderen Nahrungsmitteln. Das einzige Hindernis bei ihrem Genuss ist die kulturelle Prägung. Zugegeben, eine Mehlwurmlasagne, bei der zwischen den Schichtnudeln die Insektenlarven herausquellen, wenn man oben mit der Gabel draufdrückt, bedeutet eine gewisse optische Herausforderung, wenn man den Anblick nicht gewohnt ist. Aber ich kann Ihnen versichern: Mit verbundenen Augen kämen Sie gar nicht auf die Idee, dass da etwas seltsam ist.
Wer also normalerweise Tiere isst, kann auch ruhig Insekten essen. Und wer sonst keine Tiere isst, kann auch ruhig Insekten essen. Von Tierschutzbedenken sollten Insekten nicht betroffen sein. Wer sich ernsthaft um das individuelle Wohlergehen einer Heuschrecke sorgt, der lebt auf einem Planeten, der mit unserer Welt nichts zu tun hat. Und möge bitte auf der Stelle damit aufhören, elektrisches Licht einzuschalten, Bahn oder Auto zu fahren (haben Sie schon mal grob überschlagen, wie viele Individuen an ihrer Windschutzscheibe, im Kühlergrill und an der Straßenlaterne vor Ihrem Haus ein elendiges Ende finden?) – und vor allem esse er bitte keine Pflanzen mehr. Denn welches völkermordartige Szenario ein ganz normales Getreide- oder Sojafeld für die Wirbellosenfauna bedeutet, sollten Sie sich dann lieber gar nicht erst erklären lassen.
Werfen wir also all den ideologischen und kulturellen Ballast über Bord, denn für gutes Essen gibt es nur zwei Anforderungen: Es muss gut schmecken. Und es sollte bewusst genossen werden. Zumindest bei Letzterem sind Insekten schon mal klar im Vorteil: Denn dass die bei uns so ignorant in sich hineingestopft werden wie andere Nahrungsmittel, ist bei einem großen Teller Würmer, Grillen oder Heuschrecken vorläufig doch eher unwahrscheinlich. Guten Appetit!