Stellt die Präsidentschaftskandidaten vor

Der Verlierer steht schon fest

Wählen können die Iraner am Freitag nur zwischen Kandidaten des Regimes. Auch mit internationalem Haftbefehl gesuchte Terroristen sind darunter.

Im Iran finden am Freitag die elften Präsidentschaftswahlen statt. Sie sehen zwar aus wie Wahlen, aber demokratisch sind sie nicht. Die iranischen Machthaber nennen sie »islamische Wahlen«. 130 000 Wahlurnen werden an 285 Orten aufgestellt, und die Iraner dürfen zwischen den Kandidaten ihrer Unterdrücker wählen. Für die Vertreter der Diktatur sind die Wahlen eine »große Heldentat, die durch das Volk gegen den blutrünstigen Feind vollbracht wird«. Der Iran hat etwa 73 Millionen Einwohner. Dem iranischen Innenminister Mostafa Mohammed Najjar zufolge gibt es 50 483 192 Wahlberechtigte. Die Wahlen dienen lediglich der Mobilisierung der Bevölkerung, sie soll mit ihrer Teilnahme die Diktatur ­legitimieren. Das Wahlalter ist allerdings von 16 Jahren wieder auf 18 Jahre heraufgesetzt worden. Offenbar traut man den jungen Menschen doch nicht so ganz über den Weg.

Acht von 686 Kandidaten, die sich um das Amt des Präsidenten beworben hatten, wurden vom Wächterrat ausgewählt: Saeed Jalili, Ali Akbar Velayati, Mohammed Bagher Ghalibaf, Gholam Ali Haddad-Adel, Mohsen Rezai, Mohammed Gharazi, Hassan Rohani und Mohammed Reza Aref. Aref trat jedoch am Montagabend, wie zuvor schon Gholam Ali Haddad-Adel, von seiner Kandidatur zurück. Neben Aref zählt nur noch Rohani im weitesten Sinne zu den Reformislamisten, dessen Chancen nun durch den Verzicht Arefs steigen sollen. Alle anderen Kandidaten gehören zu den Prinzipalisten und den Revolutionswächtern (Jungle World 17/2013).
Rohani war vom Oktober 2003 bis zum August 2005 Unterhändler der Regierung von Präsident Mohammed Khatami bei den Verhandlungen des Iran mit der EU über dessen Atomprogramm. Er verhandelte mit britischen, franzö­sischen und deutschen Außenministern. Dabei trat er einerseits für die Forcierung des iranischen Atomprogramms und andererseits für eine Entspannungspolitik und Zusammenarbeit mit der EU ein. So vereinbarte er am 21. Oktober 2003 mit den Außenministern Frankreichs, Großbritanniens und Deutschlands in Saadabad, dass die Nuklearanlagen von der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA plombiert werden und auch die Urananreicherung vorläufig eingestellt wird. Der Iran stand wegen seines militärischen Atomprogramms unter starkem Druck. Das Ziel von Rohani war daher vor allem, dass die iranische Atomakte nicht an den UN-Sicherheitsrat übergeben wird.
Rohani wurde für seine als zu defensiv bewertete Rolle als Unterhändler zuletzt scharf kritisiert. Und auch schon 2005 kritisierte »Revolutionsführer« Ali Khamenei, die Europäer hätten bei den Verhandlungen mit Rohani zu viel gefordert und der Iran habe zu früh nachgegeben. Daher wurde auch am letzten Tag der Amtszeit von Mohammed Khatami im Jahr 2005 das Atomprogramm wieder aufgenommen. Anfang Juni nun widersprach Rohani seinen Kritikern, indem er erklärte, dass das iranische Atomprogramm heute nur deswegen so weit gediehen sei, weil er in seiner Zeit die Grundlagen für diesen Erfolg geschaffen habe. Rohani glaubt, dass der Iran sein Atomprogramm besser entwickeln könne, wenn der Westen beruhigt werde und am besten noch Technologie liefere, so dass der Iran im Rahmen einer »Entspannungspolitik« sein Atomprogramm entwickeln kann. Auch hier zeigt sich wieder deutlich, dass die Reformislamisten eigentlich nur intelligenter handeln wollen als die Prinzipalisten.
Saeed Jalili, ein Präsidentschaftskandidat, dem etwas mehr Chancen eingeräumt werden, die künftige Regierung des Iran zu führen, war ab Oktober 2007 Atomunterhändler. Er forcierte in den vergangenen Jahren das Atomprogramm. 2007 war die iranische Akte bereits längst auf dem Tisch des UN-Sicherheitsrats. Saeed Jalili verhandelte zwar auch mit den Europäern, aber die IAEA verwies inzwischen immer deutlicher auf die Gefahren des iranischen Atomprogramms. Seit Juli 2006 gab es die ersten Sanktionen gegen den Iran. Jalili sollte nun auf Befehl Ali Khame­neis das längst wiederaufgenommene Urananreicherungsprogramm forcieren. Von Jalili ist daher kaum zu erwarten, dass er das Atomprogramm einstellt, falls er Präsident wird.
Mit Jalili unmittelbar verbündet ist der kurzfristig von seiner Kandidatur zurückgetretene Golam Ali Haddad-Adel. Er gehört zur Gruppe der »Einheit der Förderer des Wandels und der Standhaftigkeit« (Paydari). Wie Jalili steht auch Haddad-Adel dem »Revolutionsführer« Khamenei sehr nahe, ist sogar mit ihm verschwägert. Haddad-Adels Tochter ist mit dem Sohn Khameneis verheiratet. Jalili wiederum ist Khamenei loyal ergeben und wird als heimlicher Kandidat Mahmoud Ahmadinejads betrachtet. Auch die Paydari-Gruppe gehört zu den engsten Unterstützern von Ahmadinejad. Das Team aus Haddad-Adel, der regelmäßig gegen die religiöse Minderheit der Bahai hetzt, und Jalili, der ein engagierter Israel-Hasser ist, könnte sich nach den Präsidentschaftswahlen daher als trojanisches Pferd Ahmadinejads entpuppen.

Ali Akbar Velayati, der als Mitglied eines islamischen Ärztevereins und der »Front der Anhänger der Imam-Linie und des Führers« auftritt und von 1981 bis 1997 Außenminister war, ist unter den Kandidaten der einzige Vertreter des Kreises der »rechten, konservativen Traditionalisten«. Manouchehr Mottaki, Außenmister von 2005 bis 2010, der ebenfalls zu den »Traditionalisten« gehört und gerne als Präsident kandidiert hätte, war vom Wächterrat disqualifiziert worden. Die »konservativen Traditionalisten« erfahren allerdings wenig Unterstützung durch die Bassij-Milizen und die Revolutionswächter, weil sie älteren Jahrgangs sind. Velayati ist neben Rafsanjani und Ali Khamenei einer der Drahtzieher des staatsterroristischen Mordes im Berliner Restaurant Mykonos am 17. September 1992. Zudem wird Velayati vorgeworfen, zu einer Gruppe von iranischen Politikern zu gehören, die ein Geheimdienstnetzwerk in Lateinamerika aufgebaut haben, um dort Terroranschläge insbesondere auf jüdische und israelische Einrichtungen zu verüben.
Velayati und dem ehemaligen General der Revolutionswächter, Mohsen Rezai – ein weiterer Prä­sidentschaftskandidat, der vom Wächterrat abgesegnet worden ist –, wird zudem vorgeworfen, in Zusammenarbeit mit dem 2008 verstorbenen Terroristen der Hizbollah, Imad Mughniyah, das Selbstmordattentat gegen die israelische Botschaft in Buenos Aires am 17. März 1992 geplant zu haben. Dabei starben 29 Menschen, etwa 200 wurden verletzt. Auch die Explosion einer Autobombe am 18. Juli 1994 in Buenos Aires vor dem jüdischen Zentrum geht unter anderem wohl auf das Konto des Präsidentschaftskandidaten Velayati. Bei diesem Attentat starben 85 Menschen, einige hundert wurden verletzt.
Im Wahlkampf präsentiert sich Velayati als Retter der islamischen Nation. Er hatte zunächst gemeinsam mit Gholam Ali Haddad-Adel und Bagher Ghalibaf die »Union 2+1« gebildet. Das Zweckbündnis der Kandidaten wurde jedoch am 3. Juni wieder aufgelöst. Bagher Ghalibaf war früher Revolutionswächter und gibt auf Bassij-Treffen zuweilen damit an, dass er Studentenaufstände zusammengeknüppelt habe.
Während völlig unklar ist, wer als Sieger aus der Wahl hervorgehen wird, steht der Wahlverlierer bereits fest: Es ist die iranische Zivilgesellschaft. Bevor gewählt wird, wurde eine neue Strafgesetzgebung beschlossen. Unabhängig davon, wer Präsident wird, können in Zukunft nach Artikel 286 der jüngst verabschiedeten neuen islamischen Strafgesetzgebung Menschenrechtsaktivisten, Andersdenkende und Andersgläubige unter dem einfachen Vorwurf der Gefährdung der »nationalen Sicherheit« nach Artikel 286 zum Tode verurteilt und hingerichtet werden.