In Zimbabwe hat die ZANU-PF dank Manipulationen wieder die Wahlen gewonnen

Der Alte macht weiter

Mit Hilfe von umfangreichen Manipulationen konnte Zimbabwes Regierungspartei Zanu-PF die Wahlen der vergangenen Woche zu ihren Gunsten entscheiden. Doch was kommt nach Robert Mugabe?

Keine offene Gewalt, lange Schlangen vor den Wahlbüros und eine insgesamt hohe Beteiligung: Die Beobachter der Afrikanischen Union (AU) und der regionalen Wirtschaftsvereinigung Southern African Development Community (SADC) waren alles in allem zufrieden mit den Wahlen des Parlaments, des Präsidenten und der lokalen Vertretungen, die am Mittwoch der vergangenen Woche in Zimbabwe abgehalten wurden. Die US-Regierung sah das anders. Das Ergebnis sei »der Höhepunkt eines zutiefst fehlerhaften Prozesses«, sagte Außenminister John Kerry. »Die Vereinigten Staaten glauben nicht, dass die Ergebnisse ein glaubwürdiger Ausdruck des Willens der Menschen Zimbabwes sind«, hieß es in einer Presseerklärung des Außenministeriums.
Bereits am Samstag erklärte Zimbabwes Wahlkommission die Staatspartei Zanu-PF zur Siegerin. 61 Prozent der Wählerinnen und Wähler hätten für den amtierenden Präsidenten Robert Mugabe gestimmt, 34 Prozent für seinen Kontrahenten Morgan Tsvangirai vom Movement for Democratic Change (MDC). Im Parlament verfügt die Zanu-PF nunmehr über eine Zweidrittelmehrheit und kann Verfassungsänderungen im Alleingang beschließen. Die Oppositionspartei MDC trat erstmals im Jahre 2000 gegen die ehemaligen Befreiungsbewegung an und spaltete sich später in zwei Fraktionen.

Die größten Manipulationen, die schließlich zum haushohen Sieg der Zanu-PF führten, erfolgten nach Berichten von zimbabwischen Bürgerrechtsgruppen und der Opposition bereits vor den Wahlen. Bei der Registrierung der Wahlberechtigten soll es zu zahlreichen Unregelmäßigkeiten gekommen sein; Tote tauchten in den Wählerlisten auf und mutmaßliche Unterstützer der Opposi­tion wurden nicht registriert. Insgesamt wurden angeblich eine Million von insgesamt knapp 6,5 Millionen Wählerinnen und Wählern ihres Stimmrechts beraubt. Zudem monopolisierte die Zanu-PF die Berichterstattung in den Medien des Landes und konnte sich einmal mehr unwidersprochen als Hüterin der nationalen Befreiung und Kämpferin gegen den Imperialismus profilieren. Überdies konnten Millionen Menschen der zimbabwischen Diaspora nicht an den Wahlen teilnehmen.
Für das MDC stellt die Wahlniederlage einen Wendepunkt in ihrer Entwicklung dar. Das Bündnis aus Bürgerrechtlern, urbaner Mittelschicht und neoliberalen Reformern scheiterte seit seiner Gründung 1999 immer wieder daran, die Macht der ehemaligen Befreiungsbewegung zu erschüttern. Nach den Wahlen 2008 und gewalttätiger Verfolgung regierte das MDC widerwillig in einer Koalition mit der Zanu-PF, die auf Vermittlung des damaligen südafrikanischen Präsidenten Thabo Mbeki zustande gekommen war. Doch es gelang dem MDC nicht, die Reformen des Sicherheitssektors, der Medien und der Justiz, die in der im März angenommenen neuen Verfassung vorgesehen waren, gegen seinen Koalitionspartner durchzusetzen.
Wer in der Hauptstadt Harare derzeit die Zügel in der Hand hält, ist nicht einfach festzustellen. Tsvangirai sprach auf der letzten Wahlkampfveranstaltung des MDC vor Zehntausenden Anhängern davon, dass der 89 Jahre alte Präsident Mugabe »nicht sein eigener Herr« sei, sondern von Teilen des Militärs dazu gedrängt werde, das Präsidentenamt weiter auszuüben. Beobachter ­sehen das jedoch anders. Die Zimbabwe-Expertin Amanda Hammar, die an der Universität Kopenhagen forscht und lehrt, meint im Gespräch mit der Jungle World: »Ich habe keinen Zweifel daran, dass Mugabe nach wie vor beileibe keine Marionette ist. Für mich hat er immer noch die Fähigkeit, seine eigene Strategie umzusetzen, und er kontrolliert die politische Landschaft.« Es gebe Berichte, so Hammar, dass Mugabe Wahlkampfmittel außerhalb der Zanu-PF aufgetrieben habe, um so innerparteiliche Konkurrenten zu umgehen.

Für die deutschen Medien liegen die Dinge klar auf der Hand: Mugabe sei ein »alter Teufel« (Spiegel Online) beziehungsweise ein »teuflischer Dauerpräsident« (Stuttgarter Zeitung), der in den 33 Jahren seiner Herrschaft das Land in den wirtschaftlichen Ruin getrieben habe. Vor allem die Landreform nach 2000, bei der mehr als 4 000 weiße Großgrundbesitzer entschädigungslos enteignet und 170 000 landlose Familien mit Farmen ausgestattet wurden, habe zum Niedergang der ehemaligen Siedlerkolonie geführt. Die reale Entwicklung Zimbabwes nach dem Ende der Apartheid-Diktatur unter Ian Smith im Jahr 1980 ist freilich komplexer, als es die Berichterstattung der hiesigen Medien vermuten lässt, die sich nur in Krisenzeiten mit dem Land beschäftigt.
Als aktivste der Befreiungsbewegungen konnte die Zanu in den ersten freien Wahlen 1980 entgegen den Erwartungen des Westens eine über­wältigende Mehrheit der Stimmen erringen. In den Jahren darauf baute die Partei den Gesundheits- und Bildungssektor stark aus, während sie gegenüber den Vertretern des nach wie vor weiß geprägten Großkapitals eine Politik der Versöhnung und Kooperation pflegte. Aus wirtschaft­licher Sicht war das ehemalige Südrhodesien in den Achtzigern ein korporatistischer Staat, der sich einerseits in antiimperialistischer Rhetorik übte sowie einer der wichtigsten gegen die Apartheid kämpfenden »Frontline States« war und andererseits eine moderate Reformpolitik im Umgang mit den übernommenen ökonomischen Strukturen und gute Beziehungen zu den konservativen Regierungen des Westens pflegte.
Politisch war das erste Jahrzehnt des unabhängigen Zimbabwe geprägt von der Konkurrenz zwischen den zwei Befreiungsbewegungen Zanu, die von der ethnischen Gruppe der Shona dominiert wurde, und der eher von Ndebele unterstützten Zimbabwe African People’s Union (Zapu). Die Zanu wurde im Befreiungskampf vor allem von China unterstützt, während die Sowjetunion die Zapu mit Waffen und diplomatischer Hilfe ausstattete. Während der Unruhen im westlich gelegenen Matabeleland Anfang und Mitte der achtziger Jahre traten die Konflikte zwischen beiden Lagern offen zutage, als Dissidenten der Zapu und südafrikanische Provokateure lokale Vertreter der Zanu ermordeten und den Aufstand probten. Die von Nordkorea ausgebildete Fünfte Brigade der Armee ging auch brutal gegen Zivilisten in Matabeleland vor; 20 000 von ihnen sollen während der Operationen zur Aufstandsbekämpfung ums Leben gekommen sein. Der Unity-Accord von 1987 beendete schließlich die Gewalttaten. Die Zapu ging in der Zanu auf, die sich fortan Zanu-PF nannte.

Die Folgen der sogenannten Strukturanpassungspolitik der frühen neunziger Jahre ließen die Arbeiterbewegung und vor allem den Zimbabwe Congress of Trade Unions (ZCTU) unter dem Vorsitzenden Morgan Tsvangirai erstarken. Diese wandten sich gegen den Abbau der Ausgaben für den sozialen Sektor und die Verarmung weiter Teile der Bevölkerung. Im Verlauf des Jahrzehnts musste die Zanu-PF, die ihre Legitimation nach wie vor aus ihrer Rolle im Befreiungskampf bezog, den vollständigen Verlust ihrer Hegemonie befürchten. Zugleich protestierten landlose Bauern und der 1992 gegründete Verband der Kriegsveteranen, die Zimbabwe National Liberation War Veterans Association (ZNLWVA), gegen die erstarrende Staatsklasse.
Die Zanu-PF reagierte auf zweierlei Weise. Zum einen gelang es ihr, einen Großteil der Kriegsveteranen zu kooptieren und gleichzeitig die größte Landreform in Afrika durchzusetzen. Zum anderen schwächten die Machthaber vorsätzlich die vormals relativ starken staatlichen Strukturen zugunsten der Klientelisierung und Informalisierung des Herrschaftsapparates. Der Einfluss des Parlamentes wurde beschnitten, die Justiz im Sinne der Zanu-PF umgestaltet und die Kontrolle über die Medien des Landes verschärft.
Trotz der Erholung der Wirtschaft in den vergangenen vier Jahren lässt die jetzige politische Situation für die Zukunft des Landes nichts Gutes erwarten. Die große Frage ist, wie sich die verschiedenen Fraktionen innerhalb des Militärs und der Zanu-PF nach dem Ableben des immerhin schon 89jährigen Mugabe verhalten werden. Ein Zerfall des Staates und der Aufstieg von Warlords, die sich vom Machtapparat der Staatspartei emanzipieren und um die Vorherrschaft über wirtschaftliche Unternehmungen vor allem im Bergbausektor Zimbabwes kämpfen, sind keineswegs ausgeschlossen. Vorbote solch eines düsteren Szenarios war die Intervention der zimbabwischen Armee im Süden der Demokratischen Republik Kongo (DRC) an der Seite des damaligen kongo­lesischen Präsidenten Laurent-Désiré Kabila 1997/98, in deren Verlauf sich hochrangige ­Armeeangehörige an der dortigen Kriegswirtschaft mit dem Handel von Diamanten und ­anderen Rohstoffen beteiligten.
Für das südliche Nachbarland Südafrika, die AU und die SADC, die bisher eine Strategie des Ap­pease­ment gegenüber der Zanu-PF gepflegt haben, könnte sich das Schweigen über die fortschreitende Patrimonialisierung des Machtapparates und die Gewalt gegenüber der Opposition somit bitter rächen. Eine Auflösung des Staates in Zimbabwe hätte einschneidende Auswirkungen im gesamten südlichen Afrika und würde zudem Nachbarländer wie Mosambik, Sambia und Südafrika destabilisieren.
Auch die »internationale Gemeinschaft« hätte ihren Anteil an einer möglichen Fragmentierung der Herrschaft. Die Sanktionen des Westens, die Einreiseverbote und das Einfrieren von Konten eines Teils der herrschenden Oligarchie einschlossen, dienten dem Regime in Harare vor allem als Beleg dafür, dass es Ziel eines imperialistischen Angriffs sei. Zu Beginn der radikalen Landent­eignungen vor 13 Jahren hätte der Westen noch die Chance gehabt, die Hardliner innerhalb der Zanu-PF durch Zugeständnisse wie die Zahlung einst informell vereinbarter Entschädigungen zu isolieren. Nun droht nicht weniger als die negative Aufhebung einer zen­tralisierten Autokratie zugunsten des Aufstiegs von politischen Unternehmern, die bereit sind, ihre Ziele mit Gewalt durchzusetzen.