Die ägyptische Regierung und die Islamisten

Moderat predigen

Um die Islamisten zu marginalisieren, stellt die ägyptische Regierung die Religion unter stärkere staatliche Kontrolle.

Anfang Oktober entzog der ägyptische Minister für Religionsangelegenheiten, Mohammed Mokhtar Gomaa, allen nicht von der Universität al-Azhar lizenzierten Imamen die Erlaubnis, Freitagspredigten zu halten. Mehr als 50 000 Prediger sind von dieser Entscheidung betroffen. Zudem erließ sein Ministerium ein Verbot, in Moscheen über tagespolitische Themen zu predigen. Es ist klar, gegen wen sich diese Intervention richtet. Schon unter Hosni Mubarak hatten immer mehr radikale Prediger Hinterhofmoscheen übernommen; Muslimbrüder und andere Islamisten konnten so, häufig vom damaligen Regime geduldet, ihren Einfluss auf die ägyptische Gesellschaft verstärken.
Die Universität al-Azhar, die einflussreichste Institution des sunnitischen Islam, hatte nicht nur im Juni offen den Sturz von Präsident Mohammed Mursi unterstützt, sondern später auch die Arbeit eines neugeschaffene Komitees zur Änderung der 2012 von Muslimbrüdern und Salafisten durchgesetzten Verfassung. Seit langem schon spricht sich ihr Sheikh Mohammed Ahmed al-Tayeb, ebenso wie Ägyptens Großmufti, für einen »zivilen« und gegen die Schaffung eines islamischen Staates aus.
Inzwischen sind auch die meisten von den Muslimbrüdern 2012 in der Verfassung fixierten Formulierungen, die auf eine Stärkung der Sharia im Gesetzgebungsprozess zielten, von diesem Komitee ersatzlos gestrichen worden. Auf den Versuch der Muslimbrüder, den Staat zu islamisieren, antwortet die neue, vom Militär gestützte Regierung mit einer stärkeren Verstaatlichung des Islam.
Jüngsten Umfragen zufolge unterstützt eine große Mehrheit der Ägypterinnen und Ägypter diese Politik. Keineswegs handelt es sich, wie vor allem in westlichen Medien kolportiert wird, um einen Konflikt zwischen säkularen und religiösen Kräften, sondern vielmehr um die Frage, welche Rolle die Religion in Staat, Politik und Gesellschaft spielen soll. Die Ägypter seien mehrheitlich, so eine Studie des Brooking Institute, konservativ und auch äußerst religiös, weshalb sie auch nicht in einem säkularen Staat leben wollten, da Säkularismus noch immer mit Sittenlosigkeit, Atheismus und westlichem Lebensstil assoziiert werde. Aber sie lehnten ebenso die Schaffung eines islamischen Staates ab, wie er vielen Muslimbrüdern vorschwebe.
Nun gibt es in Ägypten momentan keine politischen Parteien, die diesen Konservatismus repräsentieren, verstehen sich doch, ähnlich wie in Tunesien, die meisten nichtislamistischen politischen Kräfte als säkular-republikanisch und keineswegs konservative Alternative zu den islamischen Parteien. Dies scheinen nun sowohl der Oberste Militärrat als auch die Vertreter von al-Azhar verstanden zu haben. Da die Regierung Saudi-Arabiens die neue Regierung Ägyptens unterstützt, stellt die salafistische Bewegung, auf die Saudi-Arabien direkt und indirekt Einfluss nimmt, momentan keine Bedrohung dar. In dieser wohl einmaligen Konstellation kann die Regierung ungleich härter gegen Islamisten vorgehen als ihre weit weniger populären Vorgänger. Sollten diese Maßnahmen sich als erfolgreich erweisen, bestünde, wie Maha Ghalwash in al-Ahram schrieb, in der Tat Hoffnung, dass eine »moderate Auslegung des Islam« in Ägypten die der radikalen Fundamentalisten ablösen könnte.