Der Medienunternehmer Michael Maier

King of Klickmonster

Michael Maier, der frühere Chefredakteur der Netzeitung, betreibt nun das Portal »deutsche-wirtschafts-nachrichten«, das häufig Euro-Skeptiker zu Wort kommen lässt.

Michael Maier ist 55 Jahre alt und hat eine beachtliche Karriere hinter sich. Er war, damals gerade mal 30 Jahre alt, Chefredakteur der Kärntner Kirchenzeitung, bald darauf wurde er zum Chefredakteur der Wiener Zeitung Die Presse berufen. Ab 1996 bekleidete er das nämliche Amt bei der Berliner Zeitung, im Jahr 1999 wechselte er für sechs Monate auf den Chefsessel des Stern, um im Sommer 2000 zum Chefredakteur der im vorigen Frühjahr gegründeten Netzeitung berufen zu werden, die er im Auftrag verschiedener Besitzer leitete. Ab 2003 schließlich wurde Maier selbst zum geschäftsführenden Gesellschafter der Netzeitung, gemeinsam mit Ralf-Dieter Brunowsky.

Die Netzeitung galt als wegweisendes Projekt, sie wurde zunächst wie eine frühe deutsche Huffington Post gehandelt – also eine OnlinePublikation, die den gedruckten Zeitungen arge Konkurrenz machen sollte. Die Netzeitung kam just zu der Zeit, als alle Zeitungen in ihren teilweise gerade erst gegründeten Medienredaktionen vor allem über sich selbst und ihre Zukunft diskutierten, die Schicksale von untergehenden oder angeschlagenen Zeitungen und Zeitschriften wie der Woche oder der Bravo aufarbeiteten und diese Diskussionen im eigenen Kreis für wichtiger hielten als ­die Ergebnisse der Leserbefragungen. Auch die Net­zeitung beteiligte sich an diesem fröhlichen Me­dienbeobachten und initiierte noch in ihrem Gründungsjahr die Kolumne »Das Altpapier«, die heutzutage auf evangelisch.de zu finden ist. Der Kolumnentitel zeigt, für wie wegweisend sich die Net­zeitung selbst hielt. Man fand bei der Netzei­tung bald auch ein Portal namens »Reader’s Edi­tion«, auf dem sich Leserinnen und Leser mit Unterstützung der Redaktion selbstverwirklichen konnten – eine gehobenere Form des »Bild-Leser-Reporters« entstand.
Aller großen Worte und selbstgemachten guten Prognosen zum Trotz, blieb das große Publikum bei der Netzeitung aus und Maier verließ das Unternehmen im Jahr 2006, die »Readers Edition« nahm er mit und gründete nun die Blogform Verlags GmbH, die voll und ganz auf das Web 2.0 setzte. Man mutmaßte damals in ­einigen wirtschaftsliberalen Zirkeln, die sich selbst für progressiv hielten, dass Zeitungen alsbald komplett verschwänden und an ihrer ­Stelle Leserinnen und Leser die Arbeit glücklich selbst verrichten würden. Selbstredend ohne an den Werbeeinnahmen der Portale beteiligt zu werden.
Doch Nachrichten sind mehr als News und Kommentare, mehr als Meinungen, Blogger sind schon wieder out und Facebook hat doch nicht den Spiegel ersetzt, nicht einmal Spiegel Online. Die Net­zeitung wurde zum Jahreswechsel 2009/2010 von ihrer Redaktion befreit und wird nur noch als automatisiertes Nachrichtenportal weitergeführt. Die Klickzahlen sind seither deutlich gesunken.

Maier, dessen Firma inzwischen den Namen BF Blogform Social Media GmbH trägt, hat auf all das reagiert. Während die » Reader’s Edition« offensichtlich vor sich hinsiecht – die aktuellen Einträge stammen vom Juli dieses Jahres – betreibt Maier nun auch die Deutschen-Mittelstands-Nachrichten, die Deutsch-Türkischen Nachrichten, die Deutsch-Russischen Nachrichten, und betätigt sich, so Maiers Unternehmenswebsite blogformgroup.com, im Bereich Corporate Publishing für Unternehmen. All diese Titel sind Online-Medien. Doch Maier betreibt auch das Portal deutsche-wirtschafts-nachrichten.de und will zurück zum Print. Auf seiner Website wirbt er für das gedruckte DWN-Magazin, dessen neueste Ausgabe im November erscheinen soll und zu dessen Unterstützung man einem »Förderkreis« beitreten soll.
Auf blogformgroup.com ist Maiers Name unter »Geschäftsführung und Redaktion« im Impressum aufgeführt, auf deutsche-wirtschafts-nachrichten.de findet sich noch der Name Anika Schwalbe als »Chef vom Dienst«, der Website medienwoche.ch ist zu entnehmen, dass rund ein Dutzend Leute für alle Maierschen Titel zusammen den Content erstellen.
Maier ist, so scheint es auf den ersten Blick, also ziemlich abgestürzt, seine diversen Chefredakteursposten muss er sich nun selber basteln. Ist er einer dieser Freaks, die einst einen Namen hatten, und dann, gescheitert, verzweifelt nach Aufmerksamkeit suchen? Oder ist er ein gewiefter Unternehmer, der, nach Jahren in großen Unternehmen, nun langsam selbst ein Imperium aufbaut, mit dem er die Medienbranche aufmischen wird?
Letzteres mit Sicherheit nicht, dazu ist das Unternehmen selbst zu wenig originell. Doch erfolglos ist es auch nicht, in den Klickcharts der sozialen Medien kann sich deutsche-wirtschafts-nachrichten.de auf Spitzenplätzen behaupten. Die Reaktionen auf den Artikel »EZB bestätigt: Die Bankguthaben in Europa sind nicht sicher« waren über 15 000 Likes auf Facebook und zahlreiche Tweets. Das ist für ein Nischenmedium eine erstaunliche Zahl, der Artikel stand damit im März an der Spitze der zehn erfolgreichsten Geschichten zur Euro-Krise im Netz.

Die Aufmerksamkeit kommt nicht von ungefähr. Maier legte schon bei der Netzeitung auf sogenannte »Klickmonster« Wert, also reißerische Überschriften, die wild angeklickt werden und daher für die Werbewirtschaft interessant sind. Diese Überschriften produziert deutsche-wirtschafts-nachrichten.de mit einigem Geschick. Am Montag voriger Woche hieß es unter der Rubrik »Neue Eliten«: »Europas neuer Geldadel: Milliardäre werden Politiker«, die Unterzeile lautete: »Milliardäre auf dem Vormarsch«. Wieder einmal ging es um Politikverdrossenheit der Bürger und die vertrauenserweckende Macht der Wirtschaftsführer. Eine gewisse Nähe zur Partei »Alternative für Deutschland« (AfD) oder zumindest zu ihren Inhalten ist unübersehbar, immer wieder werden Euro-Skeptiker befragt.
Die Redaktion, die ihre Beiträge grundsätzlich nicht namentlich zeichnet, setzt auf alarmistische Überschriften und die Empörung ihrer Leserinnen und Leser, sie bedient den Stammtisch. Schaut man sich allerdings die »Likes« bei Facebook zu den aktuellen Artikeln an, so hält sich die Zustimmung in Grenzen. Auffällig ist allerdings etwas anderes: Ein Beitrag über die Chemotherapie, die, mit den Hoffnungen Todkranker spielend, als »falsches Versprechen« bezeichnet wird, wurde 89 Mal »geliked«, aber fast doppelt so oft »geteilt« – was ein wenig merkwürdig anmutet.
Die Website deutsche-wirtschafts-nachrichten.de ist jedenfalls wohl kaum so groß, wie sie es gerne wäre, auch ist der Wind, den sie macht, wohl eher ein laues Lüftchen. Artikel auf Spiegel Online, Faz.net oder Sueddeutsche.de werden immer auch als Teil eines Gesamtangebots gelesen – das ist auf Maiers Websites nicht der Fall. Gleichwohl ist er in der Lage, wenn er und seine namenlosen Zuarbeiter denn ein besonders hervorragendes Stammtischthema produzieren, erhebliche Reaktionen hervorzurufen. Große Unternehmen wie IBM, Microsoft und BMW jedenfalls, so hat Maier behauptet, habe er mit seiner Klickmonsterei bereits als Kunden gewinnen können. Den Stammtisch wird’s freuen, werden seine Ressentiments so doch weiter gestärkt.