Talmi

Nur für ganz kurze Zeit!

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Das Jahr neigt sich dem Ende, die Tage werden kürzer, und auch in den künstlichen Jahreszeiten, die die Produktdesigner in ihren Neon-Höllen und klimaneutralen Frischezentren erschaffen haben, verkürzen sich die Intervalle emsig: Es ist die Zeit der kurzen Zeit! Gleich ob die »Genuss-Edition« vom Bauer-Fruchtjoghurt (man will die Abscheu-Edition nicht kennen), gleich ob »der Backfrische Pilz-Trio Saison-Genuss« (dabei handelt es sich um einen pizzaförmigen Irrtum aus drei Arten Räuchergewürz) – all diese einfältigen Einfälle bedrohen uns immer und regelmäßig »nur für kurze Zeit«.
»Nur für kurze Zeit« simuliert einen Mangel in Zeiten, da die Lebensmittelregale vor allem aus motivationspsychologischen Erwägungen heraus brechend voll gehalten werden, da teilgeleerte Regale einen geringeren Kaufanreiz setzen. Für »kurze Zeit« werden wir ins schlimme 20. Jahrhundert versetzt, als man noch für Brot anstehen musste und die Sternfrucht noch nicht ganzjährig im Obstregal lag. Fast könnte man es eine postchristliche Idee nennen: Um den Wohlstand noch besser genießen zu können, muss man sich manchmal der Armut erinnern. Zugleich wird durch den Warnruf »nur für kurze Zeit« das Minimum an Panik erzeugt, das nötig ist, um den Einkauf angemessen gedankenfrei zu halten.
Einen ganz ähnlichen Charakter haben die Warnrufe, die die Energiekonzerne mittlerweile regelmäßig zum Jahresende ausgeben: Wenn die Regierung nicht bald einlenkt, geht schon Heiligabend in ganz Deutschland das Licht aus. Schon flattert Hannelore Kraft aufgeregt gack­ernd durch den politischen Hühnerstall, schon ist die Ökosteuer wieder vom Tisch. Wenn auch nur für kurze Zeit.