Der Protest gegen die Ökosteuer in Frankreich wird von Rechten dominiert

Regressive Zipfelmützen

Die Proteste in der Bretagne gegen die geplante Ökosteuer und Entlassungen weiten sich aus. Doch inzwischen distanzieren sich die Gewerkschaften deutlicher von den eher rechten Bürgern.

»Die Front der Frondeure« titelte am Mittwoch vergangener Woche die linksliberale französische Tageszeitung Libération angesichts der andauernden Proteste, die in der Bretagne ihren Anfang nahmen (Jungle World 45/13). Die Bezeichnung frondeurs für Aufsässige oder Aufständische geht auf die Adelsrevolte »La Fronde« zwischen 1648 und 1653 zurück. Damals rebellierten die Aristokraten gegen eine Beschneidung ihrer Privile­gien und ihrer politischen Rolle durch eine stärker zentralisierte Monarchie und gegen ihnen auferlegte Steuern. Nicht jede Revolte ist progressiv.
So trat denn auch der Altvorsitzende und »Ehrenpräsident« des rechtsextremen Front National (FN), Jean-Marie Le Pen, am 10. November in einem jener Videos auf, die er fast täglich im Internet veröffentlicht, diesmal mit einer roten Strickmütze auf dem Kopf. Ein durchsichtiger Versuch, an die Bewegung anzudocken, die sich in den vergangenen Wochen von der Bretagne aus auf andere Teile Frankreichs auszubreiten begann und unter der Bezeichnung bonnets rouges (rote Zipfelmützen) bekannt wurde. Auch dieser Name knüpft an eine Revolte im 17. Jahrhundert an: 1675 fand ein Bauernaufstand in der Westbretagne statt, der sich gegen Steuern richtete, mittels derer die Monarchie ihre Kriege in Europa finanzieren wollte. Einige Aufständische trugen dabei für die Region typische blaue oder rote Mützen. Der Aufstand richtete sich auch gegen Feudalherren, die von der Steuerlast befreit waren. In seinem Verlauf wurde ein Geleitzug von König Ludwig XIV. angegriffen, die daran Beteiligten wurden getötet oder hingerichtet.
Was damals gefährlich war, ist heute zur Folklore verkommen. Die roten Zipfelmützen kamen ab dem 26. Oktober in Mode, als erstmals eine Mautstelle zur Erhebung der neuen Ökosteuer für LKW attackiert wurde. Die ersten 900 Mützen wurden kostenlos verteilt, danach jedoch für vier Euro das Stück verkauft. Ein bretonisches Unternehmen, Armor Lux, lässt sie zu geringen Produktionskosten in Irland herstellen.

Der diffuse Protest richtete sich in den vergangenen Wochen vor allem gegen die geplante Ökosteuer und andere Steuern. Es geht allerdings kaum um soziale Gerechtigkeit, sondern schlicht um bürgerlichen Egoismus. Es ist deswegen kein Zufall, dass die Protestbewegung, die bislang zu Dutzenden Sabotageakten gegen Mautstellen für die künftige Ökosteuer – wie gegen über 50 Radaranlagen im Autoverkehr – führte, von Rechten dominiert wird. Der FN versucht ebenso an sie anzuknüpfen wie die organisierten Gruppen gegen die Homoehe aus den ersten Monaten dieses Jahres. Auch diejenigen, die am 11. November auf den Champs-Elysées Präsident François Hollande ausbuhten, kamen aus diesem homophoben Umfeld, ebenso wie drei Personen, die Ende Oktober den ersten Sabotageakt gegen eine Mautstelle für LKW auf der Pariser Ringautobahn verübten.
Kleinunternehmer und militante Kleinbürger dominieren die Bewegung, auch wenn sich anfänglich in der Bretagne auch Arbeiter unter die Rotmützen-Bewegung mischten. Dabei ging es darum, vor den drohenden Entlassungen in der bretonischen Lebensmittelindustrie zu warnen. Die Bewegung blieb jedoch am Gängelband der Arbeitgeber, die die drohende Not ihrer Beschäftigten ausnutzen, um vom Staat oder von der EU neue Subventionen für eine die Umwelt zerstörende Form der Agrarproduktion zu erpressen.

Inzwischen haben sich zumindest der Arbeiter- und der Unternehmerprotest ein wenig voneinander gelöst. In der Bretagne rufen die Gewerkschaften und die kleinbürgerlich geprägte und teilweise rechte Rotmützenbewegung getrennt zu neuen Demonstrationen auf. Fast alle Gewerkschaften demonstrieren am kommenden Samstag in jedem der vier Verwaltungsbezirke in der Bretagne. Eine Woche später, am 30. November, wird dann die Kleinbürger- und Mittelschichtbewegung unter ihren roten Kopfbedeckungen in Carhaix demonstrieren.
Als letztes Bindeglied zwischen beiden Gruppen diente bis zuletzt die Gewerkschaftsvereinigung FO (Force Ouvrière), die 1947 als antikommunistische Abspaltung von der CGT entstand und bis heute vordergründig »unpolitisch« und zum Teil eher rechts ist. An den ersten Demons­trationen der Rotmützenbewegung hatte die FO teilgenommen. Ende voriger Woche hat sie jedoch ihre Beteiligung an der Demonstration vom 30. November zurückgezogen. Der regionale Verband FO-Bretagne erklärte dazu, man wolle keine regionalistischen Forderungen schüren, die letztlich auch die Forderung nach einem spezifischen regionalen Arbeitsrecht enthielten – was natürlich zur Minderung, und nicht zur Stärkung, von Beschäftigtenrechten führe.