Berlin Beatet Bestes. Folge 218

Mach’ den DJ nicht an!

Berlin Beatet Bestes. Folge 218. Swing a little, Kim a little (1972).

Die hässliche Fratze eines Clubs zeigt sich oft schon am Eingang in Gestalt eines stiernackigen Türstehers. Das eigentliche Gesicht eines Ladens ist jedoch der Barmensch. Oder der DJ. Nervige Gäste missverstehen die Rolle der Club-Mitarbeiter gern. Obwohl sie wissen dürften, dass eine Barfrau nicht zum Vergnügen an der Bar steht, gibt es immer Männer, die meinen, ausgerechnet mit der Frau hinter der Theke flirten zu müssen. Umgekehrt gibt es Frauen, die zielgerichtet den DJ ansteuern, weil er der wichtigste Mann im Raum ist. Die Barfrau und der DJ sind aber nicht zum Flirten da, sie sollen Alkohol verkaufen und für den Genuss desselben einen gewissen kulturellen Rahmen schaffen, möglicherweise zum Tanzen animieren.
In all den Jahren, in denen ich in verschiedenen Bars DJ war, dachte ich immer: »Warum quatschtst du mit mir? Quatsch doch mit dem Typen in der Ecke da, der schon seit einer Stunde einsam an seinem Bier nuckelt! Der freut sich bestimmt über ein nettes Gespräch. Ich bin hier, um den nächsten Song rauszusuchen.« Gesagt habe ich das nie. Und auch wenn es schwer fällt, um vier Uhr morgens als einziger nüchterner Mensch im Laden mit Betrunkenen zu verhandeln, bin ich immer freundlich geblieben. Ich wusste: Ich bin das Gesicht des Ladens. Als DJ wurde ich oft nach bestimmten Liedern gefragt. Meist hatte ich die nicht, denn ich habe auch damals schon gern die Art von Platten gespielt, die ich auch in dieser Kolumne vorstelle. Da war meine Antwort immer: »Nein, hab’ ich leider nicht, aber hier bitte, das ist meine Plattenkiste, guck’ mal rein, ob dir was gefällt. Das spiel’ ich dann sehr gern.« Die meisten Leute wollen ja eigentlich gar nicht unbedingt ein bestimmtes Lied hören, sondern nur ein bisschen mit dem DJ fachsimpeln und zeigen, dass sie sich auch für die Musik interessieren. Ich habe mich jedenfalls immer gefreut, wenn sich ­jemand für die Musik interessierte, die ich gespielt habe.
Die DJs aus der Swing-Szene, die ich heute treffe, legen fast ausnahmslos mit ihren Laptops auf. Oft lassen sie sogar nur irgendeine Playlist laufen. Das finde ich als Schallplattensammler zwar erbärmlich, aber nun gut, so kommen sie zumindest selbst auch mal zum Tanzen. Die meisten Swing-Tänzer interessierten sich hingegen nicht für die Musik, sondern nur dafür, ob sie dazu tanzen können oder nicht. Kürzlich war der international tourende DJ Shorty George wieder in der Stadt. Nach einem Tanz fragte ich ihn nach dem Titel des Songs. Seine Antwort: »Das mache ich eigentlich nicht.« Damit meinte er: verraten, was er spielt. Wohl damit keiner »seine« MP3s »klaut«. »Okay, ich geb’ dir einen Namen.« Einen Namen, den ich sofort wieder vergessen habe.
Vielleicht war die Club-Welt früher noch in Ordnung und die DJs waren nicht so arrogant. Auf dem Cover dieser 1973 erschienenen deutschen Werbesingle für Kim-Zigaretten plaudert jedenfalls eine rauchende DJane zusammen mit anderen rauchenden Frauen über Musik. So sollte es sein!