Talmi

Zeit vergeudet

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Trist ist der Alltag, und die Arbeitswelt, gleich welche ihrer Branchen man bedient, ist von erschreckender Gleichförmigkeit: 99 Prozent der berühmten 99 Prozent sitzen tagaus, tagein Bürostühle platt, beantworten E-Mails, lassen Deadlines platzen und widerstehen der Dauerversuchung Facebook mit gemischtem Erfolg. Gelegentlich aber ruft die Werbung ins Gedächtnis, dass Arbeit mal mehr war als ein Ticket zum Konsum, und erinnert mit hohen Worten an Leidenschaft, Ethos, Berufung zum Beruf. Unter dem Titel »PER5PEKT1VEN FÜR SENKR3CHTST4RTER« wirbt eine Initiative an deutschen Bahnhöfen für den Beruf des, jawohl, Wirtschaftsprüfers: »Du willst ausgetretene Pfade verlassen? Du hast den Mut, Verantwortung zu übernehmen und für Dein Ziel zu kämpfen?« Du hast die Kraft, dich mit der Machete durch kilometerlange Kontoauszüge zu schlagen und in geschlossene Immobilienfonds abzutauchen? Ja, Wirtschaftsprüfer, das ist ein Beruf für echte Männer beziehungsweise FÜR D3N 4RSCH. Besser noch: »Für die Zeit«, die aktuelle Kampagne der Illustrierten Die Zeit, die in mehreren Spots ihre Redakteure zu Wort kommen lässt, und Potzblitz, so was Eitles und Sinnloses hat man selten gesehen. Da sieht man einen Redakteur durch den Wald watscheln und Sätze sagen wie »Ich bin ein großer Freund von Whistleblowern«. Ich bin ein großer Freund von Spiderman, aber unendlich fern ist mir das Bedürfnis, dies per Werbespot Mil­lionen vorzusagen. In einem anderen Spot behauptet Moritz von Uslar aus dem Off, dass er Seehofer mal mit der Frage »Und sonst so?« zu einem wahren Redeschwall gebracht habe, und wir erinnern uns alle lebhaft der sich daraus ergebenden Seehofer-Affäre. Beziehungsweise nicht, weil Uslars Interviews halt konsequenzloser Schmarrn sind. Immerhin reichen sie noch – »für die Zeit«.