Porno-Affären bei der NPD

Triebabwehr im Braunlichtmilieu

Die Auseinandersetzung um einen Kuchen und eine ehemalige Pornodarstellerin hat in der NPD ein erstes Opfer gefordert. Die Affäre zieht auch »Die Rechte« in Mitleidenschaft.

Der zweite Sitzungstag des NPD-Bundesvorstands am vorvergangenen Wochenende verlief unangenehm für Peter Marx. Vier Tage zuvor hatte Spiegel Online den Generalsekretär der Partei betreffend getitelt: »Partyfotos könnten NPD-Spitzenmann Amt kosten.« Der Parteivorsitzende Udo Pastörs wurde in dem Artikel zitiert, er habe die Entwicklung des Generalsekretärs »mit gewisser Überraschung zur Kenntnis genommen«. Marx gab sein Amt schließlich am zweiten Sitzungstag auf, nach eigener Aussage, um Schaden von der Partei abzuwenden. Auf Facebook konterte er, es sei »eine Unverschämtheit, wenn sich Vorstandsmitglieder an die Medien wenden«, um einen Rücktritt zu fordern. Im Saarland bleibt Marx aber Landesvorsitzender.

Grund für die Rücktrittsforderungen und Streitereien in der NPD waren zwar auch organisatorische Fehler, die Marx unterlaufen waren. Für erhebliche Irritationen hatten aber seit Februar im Internet verbreitete Bilder einer privaten Party mit NPD-Kadern, Parteisympathisanten, rechtsextremen Hooligans und Rockern in Saarbrücken gesorgt. Auf einigen Fotos war Marx zu sehen – ebenso wie ein Geburtstagskuchen in Penisform, eine Stripperin sowie die frühere Pornodarstel­lerin und ehemalige Sexarbeiterin Ina G. Diese beschert der NPD seit Wochen national wie international hämische bis schlüpfrige Schlagzeilen, sogar in den USA und Taiwan erhielt die Partei Aufmerksamkeit. Die Meldungen über Marx’ Rücktritt überschrieben selbst seriöse Medien mit der Wortschöpfung »Peniskuchenaffäre«, der Berliner Kurier meldete gar: »NPD-Boss stolpert über (…) Pimmeltorte.«

Die Partei sieht sich zwar mit einem Verbotsverfahren konfrontiert, überdies stehen 2014 Landtags- und Kommunalwahlen sowie die Europawahl an. Doch sie zermürbt sich mit Rücktritten und Schlammschlachten. Marx war nicht der erste hochrangige Funktionär, der wegen einer Art Sexskandal seinen Rücktritt erklären musste. Holger Apfel, der ehemalige NPD-Vorsitzende, verließ Ende 2013 seine Partei. Es kursierten Vorwürfe, er habe zwei junge »Kameraden« sexuell belästigt. Ende März gab Sigrid Schüßler, die von einigen als zu modern empfundene Vorsitzende der NPD-Frauenorganisation »Ring Nationaler Frauen«, ihr Amt auf. Auf Facebook schrieb Schüßler, trotz ihres eigenen »bewusst erotisch aufgeladenen genderkritischen Kurses« sei es der Partei nicht gelungen, »politische Akzente zu setzen und aktuelle frauen- und familienpolitische Themen in der Öffentlichkeit zu besetzen«.

Der politischen Hygiene geschuldet war hingegen die Amtsenthebung des Hamburger NPD-Landesvorsitzenden Thomas »Steiner« Wulff Anfang April durch den Bundesvorstand. Wulff hatte sich in seiner Bewerbungsrede für das Amt öffentlich als Nationalsozialist bezeichnet. Zudem habe er, so die NPD, »wiederholt und schwerwiegend gegen die Grundsätze und Ordnung der Partei verstoßen«. Wulff, einer der wichtigsten deutschen Neonazis, fungierte jahrelang als Mittelsmann zwischen der NPD und den militanten Kameradschaften und war ein Gegner Apfels. Im April 2013 hatte Wulff dessen Führungsriege noch öffentlich als »eine Trümmertruppe von Unfähigen und asozialen Selbstbedienern« bezeichnet.

Innerparteiliche Konkurrenten bekämpfen sich auch in der »Peniskuchenaffäre«, in der es weniger um Kuchen als um die ehemalige Pornodarstellerin und Sexarbeiterin Ina G. geht. Sie tummelt sich seit Monaten in der NPD, unter nicht parteigebundenen Neonazis und rechtsextremen Hooligans. G. posierte auch für ein Foto mit Apfels Vorgänger, dem NPD-Spitzenkandidaten für die Europawahl, Udo Voigt. Der NPD-Vorsitzende Pastörs, ein erbitterter Konkurrent Voigts, griff diesen einen Tag nach Marx’ Rücktritt wegen des Fotos an. Dieses sei »eine politische Eselei« und ein »politisches Fehlverhalten«, rügte Pastörs den Spitzenkandidaten öffentlich im »Nordmagazin« des NDR. Der NPD-Aussteiger Andreas Molau hatte Pastörs einst einen »völkischen Taliban« genannt. Im NDR kritisierte Pastörs denn auch nicht nur Voigts Foto mit Ina G., sondern auch die »Durch­sexualisierung der BRD-Gesellschaft«, die er zutiefst bedauere und bekämpfe. Die Gesellschaft sei »durchlöchert von Triebdarstellungen«, fand Pastörs.

So dürfte auch den Parteimitgliedern und -anhängern nach diesen Aussagen deutlich geworden sein, dass Pastörs weiter hart durchzugreifen gedenkt, sollte der Skandal um Ina G. nicht beendet werden. Die NPD hatte die junge Frau schon Mitte März zur »unerwünschten Person« erklärt, die künftig »in keinem Fall zu NPD-Veranstaltungen und sonstigen Aktivitäten aller Art zugelassen werden« dürfe. Doch in der Naziszene gibt es immer noch eine Vielzahl überwiegend männlicher Unterstützer der Frau, die Pastörs und der NPD Spießertum vorwerfen.

G. fühlt sich offensichtlich weiterhin der Szene verbunden und sorgt für neue Konflikte. Nach dem gescheiterten Engagement bei der NPD stellte sie einen Aufnahmeantrag bei dem rheinland-pfälzischen Landesverband der Splitterpartei »Die Rechte« (DR). Der Landesvorsitzende Oliver Kulik stimmte dem Antrag zu, wurde aber vom Bundesvorsitzenden Christian Worch umgehend gemaßregelt. G. müsse erst auf einem Bundesparteitag angehört werden und dann solle die Partei über die Mitgliedschaft abstimmen, stellte Worch klar. Kulik trat daraufhin Anfang April von seinem Amt zurück, der Fachdienst »Blick nach rechts« titelte: »Porno-Streit zerlegt ›Die Rechte‹«.

G. selbst gab zur gleichen Zeit einem Naziportal ein Interview und sagte, bei der Familienplanung solle »dem Erhalt des deutschen Erbgutes und damit auch kultureller sowie traditioneller Vererbung eine Priorität verliehen werden«. Ein Rechtsex­tremist kommentierte im Forenbereich: »Als mehrfacher Familienvater, der versucht, seinen Kindern halbwegs Werte zu vermitteln, muss ich zudem etwas schmunzeln, wenn eine kinderlose Ex-Hure und Pornodarstellerin von der Weitergabe deutschen Erbgutes, kultureller Vererbung usw. schwadroniert.« Für weitere Unruhe dürfte ein älterer, aber nun neu aufgelegter Pornofilm sorgen, in dem G. zu sehen ist. Ein Pornounternehmen bewirbt ihn derzeit als Neuproduktion mit einer »Porno-Nazi-Braut« und »ehemaligen NPD-Aktivistin«.