»Erdogan ist ein Wolf im Schafspelz«

Am Samstag will der türkische Ministerpräsident Tayyip Recep Erdoğan in Köln zu seinen in Deutschland lebenden Landsleuten sprechen. Kritiker werten dies als Wahlkampfauftritt für die anstehende Präsidentschaftswahl im August. Für viele Menschen ist dies eine Provokation, nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Grubenunglücks in Soma mit rund 300 Toten. Die türkischen Behörden und Erdoğan selbst hatten den Vorfall heruntergespielt. Der Sprecher der Alevitischen Gemeinde Deutschland, Yilmaz Kahraman, erläutert, warum seine Gemeinde zu Protesten aufruft.

Warum demonstrieren Sie gegen Erdoğan?
Wir wollen zeigen, dass wir diesen Despoten, diesen Autokraten, dessen Politik geprägt ist von Korruption, nicht hier in Deutschland haben wollen.
Wie ist die Situation der Aleviten in der Türkei derzeit?
Sehr schlecht. Nach türkischem Recht werden die Aleviten ohnehin nicht anerkannt. Unter der AKP-Regierung hat sich diese Situation noch verschlimmert: Sogar Erdoğan selbst verunglimpft in der Öffentlichkeit immer wieder Aleviten.
2012 demonstrierten Zehntausende Aleviten in Bochum gegen Erdoğan. Wie viele erwarten Sie diesmal?
Wir gehen davon aus, dass es definitiv mehr als 30 000 sein werden. Wir haben Bus-Anmeldungen aus Dänemark, den Niederlanden, Belgien, Frankreich, der Schweiz und Österreich. Darüber hinaus sind natürlich auch viele türkischstämmige Nicht-Aleviten empört.
Spielt das Grubenunglück von Soma eine Rolle?
Auf jeden Fall. Wir haben immer wieder darauf hingewiesen, dass Erdoğan ein Wolf im Schafspelz ist. Auch die Gezi-Ereignisse im vorigen Jahr haben gezeigt, dass er aggressiv gegen Demonstranten vorgeht und die Meinungsfreiheit unterdrücken möchte. Er will eine undemokratische Kultur schaffen. Wir Aleviten haben unsere Demonstration gegen Erdoğan schon vor dem Grubenunglück angemeldet, dieses hat dann die Wut der Menschen um ein Vielfaches gesteigert.
Ist die Türkei bereit für die EU?
Nein, definitiv nicht! Die religiöse, kulturelle und ethnische Pluralität der Türkei leidet unter dem Assimilationsdruck, der vorangetrieben wird. Der Fundamentalismus und der politische Islam werden immer einflussreicher. Solange Minderheitenrechte missachtet und den Menschen demokratische Grundrechte vorenthalten werden, wird die EU nicht bereit sein zum EU-Beitritt der Türkei.