Argentinien droht erneut der Bankrott

Da helfen keine Tore

Argentinien droht wegen eines Urteils des Obersten Gerichtshofs der USA erneut die Zahlungsunfähigkeit.

Der allgemeine Freudentaumel wegen der Fußballweltmeisterschaft der Männer in Brasilien wird durch den drohenden Bankrott Argentiniens getrübt. Während Lionel Messi überall Waren anpreist und sich Fernsehkommentatoren gegenseitig mit WM-Superlativen überbieten, muss sich die argentinische Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner mit ernsten Themen befassen: Das Land steht wie Ende 2001 kurz vor der Zahlungsunfähigkeit.
Der Grund dafür ist die Entscheidung des Obersten US-Gerichtshofs vom 16. Juni, keine Revision zu dem Urteil eines New Yorker Bezirksgerichts zuzulassen, wonach Argentinien Schulden in Höhe von 1,33 Milliarden US-Dollar an eine Reihe von Hedgefonds zahlen muss. Diese halten einen Teil der letzten bis dato noch nicht umgeschuldeten sieben Prozent der argentinischen Auslandsschulden. Die Verhandlungen über den dritten und letzten Schuldenschnitt wären längst abgeschlossen, gäbe es da nicht die in Argentinien »Aasgeier-Fonds« genannten Finanzunternehmen. Deren Geschäftsmodell ist simpel. So kaufte beispielsweise NML Capital, das die Klage gegen Argentinien federführend betreibt, nach 2001 argentinische Staatsanleihen extrem günstig zu einem Preis von 49 Millionen US-Dollar. Nun fordert es den gesamten Nennwert von 832 Millionen zurück.

Das eigentliche Problem sind aber weniger die Forderungen in Höhe von 1,33 Milliarden US-Dollar als die möglichen Konsequenzen des Urteils für den seit 2003 begonnenen Umschuldungsprozess. Würde Argentinien den Forderungen nachkommen, könnten andere Schuldner Ansprüche von insgesamt 15 Milliarden US-Dollar geltend machen. Das würde mehr als die Hälfte der Reserven der Zentralbank verschlingen, was einer Zahlungsunfähigkeit gleichkäme. Die Regierung Kirchners steht unter starkem Druck, da am 30. Juni die nächste Rückzahlungstranche fällig wird. Wegen eines Winkelzugs im nun bestätigten Urteil des New Yorker Bezirksrichters Thomas Griesa ist die Bank of New York, die die Rate an die Gläubiger weiterleitet, gezwungen, die Hedgefonds prioritär zu entschädigen. Bevor andere bedient werden können, müssen also diese Schulden beglichen sein. So würde die vollumfängliche Rückzahlung de facto umgesetzt und der Staatsbankrott unausweichlich.
In einer Fernsehansprache betonte die argentinische Präsidentin vorige Woche, dass Argentinien gewillt sei, weiterhin den Schuldendienst zu leisten, sich jedoch nicht von den illegitimen Forderungen der Hedgefonds erpressen lassen werde: »Wir lassen uns nicht zu Komplizen eines ökonomischen Modells auf globalen Niveau machen, das durch dieses Urteil gefestigt wird.«

Dass lokale Gerichte wie in diesem Fall Interessen von Unternehmen gegen souveräne Staaten durchsetzen können, stellt ein Novum dar. Geschuldet ist dies den vertraglichen Grundlagen der Staatsanleihen, die aus der letzten Diktatur stammen und einen Gerichtsstand im Ausland zulassen. Neben dem Vermeiden eines Bankrotts geht es Argentinien auch darum, einen Präzedenzfall zu verhindern. Rückhalt für diese Position erhielt das Land jüngst von einer Vielzahl lateinamerikanischer Regierungen.
Die Strategie der Regierung ist es, Gesprächsbereitschaft zu signalisieren und gleichzeitig Zeit zu gewinnen. So wurden Anwälte nach New York geschickt, um mit den Hedgefonds zu verhandeln. Dass diese von ihren Forderungen abrücken, scheint aber sehr unwahrscheinlich. Vielmehr spekulieren sie wohl auf einen erneuten Zusammenbruch der argentinischen Wirtschaft. Unterdessen berät Fernández de Kirchner mit Experten darüber, durch welche Maßnahmen der Gerichtsstand wieder nach Argentinien verlegt werden könnte und wie eine Zahlung an die Hed­ge­fonds ohne Nachforderungen anderer Gläubiger möglich wäre. Es steht also eine richtungweisende Woche für das südamerikanische Land bevor. Je nachdem, wie diese verläuft, könnten die Tore Messis selbst im fußballverrückten Argentinien zur Nebensache werden.