Die Interessen von Großkonzernen beim Marihuana-Anbau in Uruguay

Regulierung statt Legalisierung

In Uruguay werden Anbau und Verkauf von Marihuana erlaubt. Damit bieten sich neue Geschäftsmöglichkeiten, nicht zuletzt für interessierte Konzerne.

Für die Kifferinnen und Kiffer Uruguays gab es Weihnachten vorigen Jahres ein besonderes Geschenk. Am 24. Dezember unterzeichnete Präsident José »Pepe« Mujica das Gesetz zur Regulierung von Marihuana, durch das Anbau und Verkauf von Cannabis erlaubt wurden. Es war mit den Stimmen von Mujicas Frente Amplio, einem Bündnis linker Parteien, und ein paar Oppositionellen zuvor in beiden Kammern des Parlaments abgesegnet worden. Die Entscheidung des Staats am Rio de la Plata fand weltweit Beachtung. Der britische Guardian schlug die Auslobung eines Nobelpreises für Mujica vor und der ebenfalls in Großbritannien erscheinende Economist wählte Uruguay zum Land des Jahres 2013.
Das Gesetz sieht vor, dass jeder erwachsene Bürger monatlich 40 Gramm Marihuana erwerben darf. Geregelt ist darüber hinaus der Preis pro Gramm, das umgerechnet etwa 70 Eurocent kosten wird, und der Vertrieb, der über Apotheken und spezielle Lokale erfolgen soll. Neben dem Recht auf privaten Anbau von bis zu sechs Pflanzen kann man durch die Mitgliedschaft in einem Cannabis-Club an dem kollektiven Anbau von bis zu 99 Pflanzen teilhaben. Verboten bleibt weiterhin der Konsum im Straßenverkehr und während der Arbeit. Ursprünglich sollte das Gesetz zur Jahresmitte umgesetzt werden, nach Angaben der Regierung wird sich dies aber noch mindestens bis zum Beginn des kommenden Jahres verzögern.
Trotz der Anlaufschwierigkeiten ist Mujica, selbst übrigens ein erklärter Cannabis-Abstinenter, zum Idol vieler Konsumenten geworden. Der ehemalige Tupamaro musste wegen seines Wirkens als Guerillero in den sechziger Jahren fast 15 Jahre Knast absitzen. Nun gilt der gelernte Gärtner als ärmster Präsident der Welt, weil er 90 Prozent seines Einkommens an soziale Projekte spendet. Jüngst unterstrich er die Kontinuität seiner politischen Haltung, als er beim Gipfel der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) Mitte Mai betonte: »Man sagt, ich sei Guerillero gewesen, aber ich bin es immer noch.« Mit dem Gesetz zur Regulierung der Cannabisnutzung setzt er sich nun ein Denkmal als Haschrebell. Nach eigener Aussage geht es ihm dabei weniger um eine revolutionäre Tat, sondern um die Anerkennung der gesellschaftlichen Realität und den Kampf gegen die Drogenkartelle. Der repressive Kampf gegen die Drogen sei gescheitert, der organisierte Drogenhandel sei schlimmer als der Konsum.
Tatsächlich führte der von der US-Regierung in den siebziger Jahren begonnene »War on Drugs« in Lateinamerika zu einer starken Militarisierung der Gesellschaften und zur Zuspitzung von Konflikten. Verschiedene linke Regierungen haben eine Abkehr von diesem Kurs eingeleitet, so normalisierte Präsident Evo Morales den Koka-Anbau in Bolivien. In der jüngeren Vergangenheit haben diverse lateinamerikanische Länder den Konsum von Marihuana entkriminalisiert, in der OAS herrschte weitgehende Zustimmung zum neuen Gesetz Uruguays, einige Vertreter hielten sich bedeckt, lediglich die USA sprachen sich explizit gegen die Legalisierung aus.
Aber auch im Mutterland des Kriegs gegen die Drogen tobt seit Jahren ein Kampf zwischen verschiedenen Interessengruppen um die Deutungshoheit über medizinischen Nutzen, Gefahren und möglichen Spätfolgen von Cannabis. Die Kritik an den vor allem wegen Drogendelikten überfüllten Knästen nimmt in gleichem Maße zu wie die Akzeptanz der geregelten Abgabe von Marihuana. In Colorado und Washington ist der Verkauf mittlerweile erlaubt, in 24 weiteren Bundesstaaten ist es zu einer partiellen Legalisierung gekommen. So hat Mujica nicht Unrecht, wenn er betont, dass sein Gesetzentwurf kein Novum darstelle.

Die Befürworter der Liberalisierung haben in den USA und anderen Ländern dank der Finanzhilfe von George Soros eine starke Lobby. Um den 83jährigen, der sein Vermögen von geschätzten 17 Milliarden Euro in erster Linie mit spekulativen Investitions- und Devisengeschäften erlangte, ranken sich Mythen und Verschwörungstheorien. Jenseits absurder Übertreibungen gibt es viele belegte Versuche Soros’, Politik und Entscheidungsträger mit seinem Geld zu beeinflussen. Er unterstützte unter anderem die Anti-Apartheid-Bewegung in Südafrika und SolidarnoŚć in Polen, überdies spendete er eine Million US-Dollar, um die Präsidentschaftskandidatur George W. Bushs zu verhindern. Derzeit finanziert er Bestrebungen zur Legalisierung von Marihuana.
Die von Soros gegründete Open Society Foundation (OSF) – der Name ist an Karl Poppers Begriff der »offenen Gesellschaft« angelehnt – ist die für seine politische Einflussnahme wohl wichtigste Organisation. Angesichts der Vielzahl der finanzierten Aktivitäten und Organisationen verschwimmen die Konturen und man kann der Stiftung, die über ein jährliches Budget von einer halben Milliarde US-Dollar verfügt, kaum mehr als ein vage sozialliberales, pluralistisches Profil attestieren. Gerade auch, weil die OSF sympathische Projekte wie Kampagnen gegen Morde an transidentitären Personen und kritische schwullesbische Initiativen unterstützt.
Wie die Stiftung, die eine Mischung aus Think Tank und Lobbyorganisation ist, ihren Einfluss auf Entscheidungsprozesse geltend zu machen versucht, verdeutlicht ein Beispiel aus dem Nachbarland Argentinien. Dort verfügte im Jahr 2009 nur zwei Tage nach einer Veranstaltung der OSF im argentinischen Kongress zum Thema der Höchste Gerichtshof die Entkriminalisierung des Cannabiskonsums. Die zeitliche Nähe mag ein Zufall sein – oder auch nicht. In Uruguay finanzierte die Stiftung in der Vergangenheit zuletzt Fernsehkampagnen zur Steigerung der Akzeptanz von Marihuana. Im September vergangenen Jahres trafen sich Mujica und Soros, in der Folge bot Soros dem Staatsoberhaupt Hilfe bei der Umsetzung des Gesetzesvorhabens in Form von finanziellen Mitteln und Expertisen an.
Bemerkenswert ist, wie OSF und uruguayische Regierung seitdem gleich in zweierlei Hinsicht eine ähnliche Rhetorik nutzen. Zum einen wird der experimentelle Charakter des Unterfangens hervorgehoben, zum anderen wird stets das wirtschaftliche Potential der staatlich kontrollierten Marihuanakultivierung und -vermarktung betont. So sprach der Vorsitzende des Nationalen Rates für Drogen, Diego Cánepa, unlängst von »der Chance zur Etablierung einer großen Indus­trie im Land«.
Tatsächlich ist das ökonomische Potential des Geschäfts mit dem Gras nicht zu unterschätzen. Uruguay geht perspektivisch von einer Produktion von 22 Tonnen pro Jahr für die geschätzten 150.000 Konsumenten und von einem Marktwert von 75 Millionen US-Dollar aus – Tendenz steigend. Das Potential liegt dabei weniger in den Steuereinnahmen, die nur gut ein Zehntel der in den Niederlanden von Coffee-Shops erhobenen Steuern ausmachen, sondern in der Marktstellung, die sich das Land durch die Pionierrolle im Grasanbau verschaffen kann. Konkret geht es um die Entwicklung einer Technik, die nach der Erprobungsphase – eine Nachfrage vorausgesetzt – exportiert werden kann. Und die Nachfrage wird steigen, wenn der Trend zur Entkriminalisierungs anhält.

Die Interessen Soros und seiner Stiftung werden deutlich, wenn man einen Blick auf eines seiner wichtigen Investments wirft. Er ist Großaktionär des Saatgutkonzerns Monsanto, eines Unternehmens, das vor allem mit Soja-Monokulturen, Landraub und genmanipuliertem Saatgut von sich Reden macht. Das lukrative Geschäftsmodell des Unternehmens besteht in der Patentierung und Monopolisierung von gentechnisch veränderten Samen mit einer sogenannten Terminator-Technologie, mit Pflanzen, die selbst keine Samen produzieren. In der Konsequenz sind Kleinbauern darauf angewiesen, Saatgut immer wieder bei Monsanto zu kaufen. Ihnen wird untersagt, Samen nachzuzüchten, die einem Patentschutz unterliegen. Seit langem kursieren Gerüchte, der Konzern plane, ein Patent auf genveränderte Cannabissamen anzumelden. Auch wenn eine Bestätigung hierfür aussteht, drängt sich die Frage auf, ob die Soros-Stiftung schlicht als Marktöffner für die Saatgutproduktion in einem ermerging market dienen soll.
Geradezu skurril wirken in diesem Zusammenhang die fortwährenden Beteuerungen des Lateinamerika-Regionaldirektors der OSF, es gebe keinerlei Verbindungen zwischen Monsanto und seiner Stiftung, und die des transnationalen Konzerns, es werde kein Schwerpunkt auf die Hanfforschung gelegt. So unwahrscheinlich es ist, dass diese Beschwichtigungen der Realität entsprechen, so deutlich ist auch, dass im Windschatten der Initiativen von Soros eine Reihe anderer Unternehmen und Forschungsinstitute Begehrlichkeiten anmelden. Der Drogenbeauftragte der Regierung Mujica bestätigte unlängst in einem Interview, dass es bereits eine ganze Reihe von Interessenten aus Europa und den USA gebe, die sich der Produktion annehmen wollten.

Aufhorchen lassen die Pläne Mujicas, staatliches Cannabis mit einem speziellen genetischen Code auszustatten, damit es von illegal angebautem unterschieden werden kann. Diese Überlegungen passen zu der geplanten umfassenden Meldepflicht, die Cannabisnutzern auferlegt werden soll. Nicht umsonst betont die Regierung Mujica, es handele sich um eine Regulierung, nicht um eine Legalisierung. Ein informelles Gewerbe soll in staatliche Kontrolle überführt werden. Der Staat erhält die Steuereinnahmen und die Kunden müssen nicht mehr ungeprüfte Ware kaufen – davon profitierten beide Seiten, so das Argument. Zur Überwachung dieses Prozesses, an dem sieben Ministerien beteiligt sein sollen, wurde eigens ein Institut zur Überwachung und Kontrolle von Cannabis gegründet, das auch eine Unmenge an Lizenzen verwalten soll. Weder die Frage, wer sich des staatlich organisierten Teils der Produktion annimmt, noch die, wie die Regierung an einen einzigartigen legalisierten Samen kommen soll, wurde bislang beantwortet.
Dank der jüngsten Verschiebung der Realisierung auf das kommende Jahr könnte eine weitere Abstimmung mit der Pharma- und Saatgutindustrie stattfinden. Die klaren diesbezüglichen Dementis von Seiten der Regierung stehen noch aus. Es wird sich also zeigen, ob ein Guerillero womöglich zum Bindeglied für eine abenteuerliche Interessenkoalition aus der Kifferlobby, einem philanthropischen Milliardär und Saatgutkonzernen werden kann.