Die Fußballbundesliga soll sich in Bremen an den Kosten für Polizeieinsätze beteiligen

Angriff ist die beste Verteidigung

Bremen will als erstes Bundesland die Fußballbundesliga an den Kosten für Polizeieinsätze bei sogenannten Risikospielen beteiligen.

Den Zeitpunkt hattte der Bremer Senat wirklich gut gewählt. Vor zwei Wochen hat er die Entscheidung getroffen, dass sich die Deutsche Fußball­liga (DFL) in Zukunft an den Kosten für die Polizeieinsätze bei den sogenannten Risikospielen des SV Werder Bremen beteiligen soll. Als Bremens rot-grüner Senat den entsprechenden Beschluss fasste, dauerte es bis zum Beginn der neuen Bundes­ligasaison noch einen Monat und auch der Trubel um die Weltmeisterschaft in Brasilien hatte sich inzwischen gelegt. Die Entscheidung, von der sich die Landesregierung eine Verbesserung ihrer desaströsen Haushaltslage erhofft, fiel mitten ins Sommerloch. Dennoch waren die Reaktionen teilweise heftig.

Die DFL als unmittelbar Betroffene reagierte empört. Der »Bremer Alleingang« sei mit den in Deutschland geltenden »verfassungsrechtlichen Grundsätzen nicht vereinbar«, gab Reinhard Rauball, der Präsident der DFL, zu Protokoll. Man wolle »alle juristischen Möglichkeiten ausschöpfen«, hieß es zudem in einer Pressemitteilung. Was bei der DFL offensichtlich für besondere Empörung sorgte, war die Tatsache, dass der Bremer Senat zwar die DFL, nicht aber den Fußballclub Werder Bremen zur Kasse bitten möchte. Im Mai 2015 findet in Bremen die Bürgerschafts- und Kommunalwahl statt, es sich nun mit den Fans des SV Werder Bremen zu verscherzen, kann sich wohl nicht einmal die SPD leisten, auch wenn sie in Bremen seit 1945 ununterbrochen regiert. Der Bremer Senat mag rot-grün sein; Bremen aber ist grün-weiß.
Weiterer Protest kam von mehr oder minder Unbeteiligten. Der Vorsitzende des Deutschen Olympischen Sportbunds, Alfons Hörmann, der offenbar keinen Unterschied zwischen dem gewinnorientierten Sport-Entertainment der Bundesliga und dem Breitensport macht, konnte seinen Unmut nur schwer im Zaum halten und ­verkündete, für ihn sei das ein »Angriff auf den gesamten Sport«. Der Vorsitzende des Innen­ausschusses des Bundestags, Wolfgang Bosbach (CDU), sagte Bild am Sonntag: »Die Bremer Initiative stellt rechtsstaatliche Prinzipien auf den Kopf.«
Der Deutsche Fußballbund (DFB) ist vom Bremer Beschluss zumindest mittelbar betroffen. Immerhin muss er, falls Bremens Landesregierung mit dem Vorstoß durchkommt, fürchten, dass andere Bundesländer ähnliches beschließen und für Spiele der Dritten Liga und der darunter liegenden Ligen auch der dort zuständige DFB und dessen Mitgliedsverbände zur Kasse gebeten werden könnten. Die Reaktion des DFB folgte prompt, er verlegte das für den 14. November angesetzte EM-Qualifikationsspiel gegen Gibraltar nach Nürnberg. Für den SV Werder Bremen und die Betreibergesellschaft des Bremer Weserstadions bedeutet das eigenen Angaben zufolge Mindereinnahmen in Höhe von 600 000 Euro. Der Präsident des DFB, Wolfgang Niersbach, signalisierte jedoch, dass das Spiel in Bremen stattfinden könne, wenn der Bremer Senat von seinem Vorstoß Abstand nehme. Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) bezeichnete die Entscheidung des DFB allerdings als »Strafaktion« und machte keine Anstalten, klein beizugeben.

Noch drastischer äußerte sich der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt. Die Verlegung des Länderspiels sei ein »ungeheuerlicher Versuch, vor den Augen der Öffentlichkeit ein gewähltes Landesparlament zu erpressen«, sagte er. Wirklich überraschend kam es nicht, dass Wendt sich so deutlich auf die Seite des Bremer Senats schlug. Immerhin fordert er seit 2009 regelmäßig, DFB und DFL sollten an den Kosten der Polizeieinsätze beteiligt werden. Bislang war Wendt mit dieser Forderung jedoch durchweg auf taube Ohren gestoßen – bei vielen wohl allein deshalb, weil sie ihm als Propagandisten von Law and Order ohnehin schon lange nicht mehr zuhören.
Die direkte Konkurrenz der DPolG, die wesentlich größere und dem DGB angeschlossene Gewerkschaft der Polizei (GdP) vertritt einen gegensätzlichen Standpunkt. »Es drängt sich der Verdacht auf, die Bremer Politik versucht mit Hilfe der Polizei einen Weg zu finden, Geld in die leeren Kassen zu spülen«, sagte deren Landesvorsitzender, Jochen Kopelke. Vor allem aber würden die Pläne des Senats nichts an der Gewalt ändern, die das eigentliche Problem darstelle.
Tatsächlich ist die rechtliche Lage durchaus kompliziert. Die Regelung, die der Bremer Senat beschlossen hat, soll für »Großveranstaltungen« gelten, die »gewinnorientiert« sind und bei denen »die Erwartung erheblicher, gewalttätiger Ausschreitungen« besteht. In der Praxis dürfte das im Bundesland Bremen wohl nahezu ausschließlich auf ausgewählte Spiele des SV Werder Bremen zutreffen. Welche Spiele als »Risikospiele« klassi­fiziert werden, entscheidet letztlich die Bremer Polizei, die wiederum dem Bremer Senat untersteht.
Der Bremer Senat will die DFL zur Kasse bitten, indem er ihr einen Gebührenbescheid zustellt. Das Gesetz sieht jedoch vor, dass Kosten für Polizeieinsätze nicht auf beliebige Personen, sondern nur auf die Verursacher, die sogenannten »Störer«, umgelegt werden können. Es ist daher zu erwarten, dass die DFL Klage gegen einen solchen Bescheid einreichen und dabei argumentieren wird, sie sei nicht der »Störer« und folglich auch nicht zur Zahlung verpflichtet. Im Übrigen zahlen DFL, Vereine und Verbände bereits für die Polizeieinsätze, nämlich in Form von Steuern, genau wie andere auch.
Wenn Björn Tschöpe, der Fraktionsvorsitzende der SPD in der Bremer Bürgerschaft, davon spricht, die 1,4 Millionen Euro, die die Polizeieinsätze bei den Bremer »Risikospielen« in der vergangenen Saison gekostet haben, seien »ein Fliegenschiss für die DFL«, dann ist das nicht vollkommen falsch. Er verkennt jedoch, dass es wohl recht bald Nachahmer in anderen Bundesländern geben dürfte, sollte die Bremer Regierung Erfolg haben. Nach Bremen beschäftigt sich nun auch Nordrhein-Westfalen mit den teuren Polizeieinsätzen. Das Innenministerium plant in einem Pilotprojekt, die Polizeipräsenz bei Fußballspielen aus Kostengründen deutlich zu verringern.
Bundesweit liegen die Kosten für Polizeieinsätze in der Ersten und Zweiten Bundesliga geschätzt bei 90 Millionen Euro. Das entspricht rund einem Viertel des Gewinns der DFL und ist damit wohl mehr als ein »Fliegenschiss«.

Für die Polizeieinsätze bei Spielen von der Dritten Liga abwärts, die in die Zuständigkeit des DFB und seiner Mitgliedsverbände fallen, sollen es zusätzlich noch einmal 60 Millionen Euro sein. In diesen Ligen jedoch sind die Einnahmen sehr viel niedriger als in den oberen beiden. Dort die Kosten etwa für die unzähligen »Risikospiele« von Hansa Rostock oder Dynamo Dresden ebenfalls umzulegen, wäre für Vereine und Verbände kaum zu bezahlen.
Auch in Bremen ist das letzte Wort noch nicht gesprochen, denn noch muss die Bürgerschaft dem Plan des Senats zustimmen. Das allerdings kann sie frühestens im September, wenn die Sommerpause vorüber ist und auch in der Bundesliga bereits wieder der Ball rollt. Es bleiben also noch Zeit und Hoffnung, dass sich bei den Bremer Regierungsparteien die Erkenntnis durchsetzt, dass Fußball mehr ist als ein »gewinnorientiertes Großereignis«, nämlich ein Kulturgut, für das sich weit mehr Menschen interessieren als für die Grünen oder die SPD, und ganz nebenbei auch noch ein Wirtschaftsfaktor. Denn gäbe es den SV Werder nicht, wüsste südlich von Hannover vielleicht niemand, dass es Bremen überhaupt gibt.