Bei Springer darf man auf Migranten, aber nicht auf den Islam schimpfen

Totschlagbereit

Hetze gegen Flüchtlinge reicht nicht aus, Negatives über den Islam hingegen schon – wie man in Deutschland einen Shitstorm auslöst.

Krach im Hause Springer ist fein. Dann bewirft sich das Personal nämlich gegenseitig mit dem Dreck, den es sonst über Hartz-IV-Empfängern, Griechen und anderen ausgewählten Personen auskippt. Im Fall des allerneuesten Krachs ist der Dreck allerdings keine Hausangelegenheit geblieben. Zuerst veröffentlichte der stellvertretende Chefredakteur von Bild am Sonntag, Nicolaus Fest, einen knappen Kommentar mit dem Titel »Islam als Integrationshindernis«, in dem er angesichts der »totschlagbereiten Verachtung des Islam für Frauen und Homosexuelle«, von »Zwangsheiraten, ›Friedensrichtern‹, ›Ehrenmorden‹« und »antisemitischen Pogromen« schrieb: »Der Islam stört mich immer mehr.« Umgehend schlug Kai Diekmann, der Chefredakteur von Bild, in einem Kommentar mit dem Titel »Keine Pauschalurteile über den Islam!« zurück: Im Hause Springer sei »kein Raum für pauschalisierende, herabwürdigende Äußerungen gegenüber dem Islam und den Menschen, die an Allah glauben«. Zudem heuerte Diekmann den Bundestagsabgeordneten Özcan Mutlu (Grüne) für einen Kommentar an, in dem dieser Fest »Islamhass« attestieren durfte. Dann entschuldigte sich die Chefredakteurin von Bild am Sonntag, Marion Horn: Die Entscheidung, den Text zu drucken, sei »wohl eine Fehleinschätzung« gewesen, »denn wir haben mit diesem Kommentar viele Menschen verletzt«. Eine »offene Debattenkultur« sei nötig.
Von einer Debatte kann jedoch keine Rede sein. Denn öffentlich wurde einzig Nicolaus Fest mit einem Shitstorm überzogen. Das hätte er auch verdient: Schließlich bedient er mit dem Gerede von der »weit überproportionalen Kriminalität von Jugendlichen mit muslimischem Hintergrund« das altbekannte rassistische Angst- und Gruselbedürfnis, das den Mythos »Ausländerkriminalität« seit Jahrzehnten am Leben hält. Einen Shitstorm hätte Fest auch verdient, weil er die Religionszugehörigkeit »bei Asyl und Zuwanderung ausdrücklich berücksichtigt« wissen will – ein Plädoyer für die weitere Einschränkung des Asylrechts und ein Hohn auf die muslimischen Flüchtlinge, die wegen islamistischer Zumutungen ihre Herkunftsländer verlassen müssen.
Doch Fests öffentliche Kritiker außerhalb des Springer-Verlags erheben andere Vorwürfe. »Islamophob« und »islamfeindlich« sei Fest und fröne dem »Islamhass als Religion«, hieß es in Foren, Blogs und Zeitungen. Der nordrhein-westfälische Landtagsabgeordnete Serdar Yüksel (SPD) hat Fest wegen »Volksverhetzung« gegen »Menschen muslimischen Glaubens« angezeigt. Volker Beck schrieb auf Twitter: »Ich finde, Bild sollte sich für den Kommentar bei allen Muslima und Muslims entschuldigen!«
Die Frage, ob die Entschuldigung wirklich allen Muslimen, also auch denjenigen gelten soll, die derzeit beispielsweise im Irak, in Nigeria und auch auf den antiisraelischen Demonstrationen in Europa der von Fest erwähnten »totschlagbereiten Verachtung« in Tat und Wort Ausdruck verleihen, bleibt offen. Eine Regel lässt sich jedoch aufstellen: Dass die Grenzen noch dichter sein müssten, damit nicht noch mehr kriminelle Ausländer durch die Maschen schlüpfen können, ­erregt als Forderung wenig Aufsehen. Zum Islam empfehlen sich hingegen versöhnliche Worte – sonst kommt der Diekmann, und nicht nur der.