Die Versuche, das »Freie Netz Süd« zu verbieten

Schneller als der Freistaat

Einstimmig forderte der Bayerische Landtag schon im April 2012 ein Verbot des rechtsextremen »Freien Netzes Süd«. Nun, zwei Jahre später, hat das Innenministerium ein Vereinsverbot gegen die Organisation verhängt — mit begrenztem Erfolg.

»Es ist höchste Zeit« – das waren die Worte von Florian Ritter (SPD). Bereits vor über zwei Jahren hatte sich der Abgeordnete und mit ihm der gesamte Bayerische Landtag geschlossen für ein Verbot der bayerischen Naziorganisation »Freies Netz Süd« (FNS) ausgesprochen. Mit den Stimmen aller Fraktionen wurde im April 2012 ein Dringlichkeitsantrag der SPD angenommen, in dem das Innenministerium aufgefordert wurde, »die bedeutendste rechtsextremistische Vereinigung in Bayern« zu verbieten. Als Gründe führten die Abgeordneten der SPD vor allem die »offensichtliche Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus« sowie den Nachfolgecharakter des FNS an, das seit seiner Gründung Ende 2008/Anfang 2009 im Verdacht stand, die Aktivitäten der im Jahr 2004 verbotenen »Fränkischen Aktionsfront« fortzuführen.

Als Reaktion auf diese Forderung versicherte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) damals, dass die Sicherheitsbehörden das »‹Freie Netz Süd‹ und die ihm zurechenbaren Kameradschaften (…) sehr genau im Auge haben«. Man werde »die gegebenen Maßnahmen ergreifen, die rechtlich möglich sind«. Denn es sei schon immer »Praxis des bayerischen Innenministeriums«, versicherte der CSU-Politiker, »gegen rechtsextremistische Organisationen auch alle Möglichkeiten des Vereinsgesetzes konsequent zu nutzen«.
Trotzdem dauerte es länger als ein Jahr, bis die Sicherheitsbehörden schließlich gegen das FNS vorgingen. Erst am 10. Juli 2013, also 15 Monate nach dem Landtagsbeschluss, ließ das Innenministerium bei einer Razzia in allen bayerischen Regierungsbezirken 73 Wohnorte, Arbeitsstätten und Postfächer von Neonazis durchsuchen, die dem Netzwerk angehörten oder sich wiederholt in dessen Umfeld bewegten. Dabei stießen die Behörden neben Hakenkreuzfahnen, Bildern von Adolf Hitler und anderen einschlägigen Materialien und Devotionalien auch auf Schlagstöcke, Baseballschläger, Messer, Schusswaffen und Stilhandgranaten. Insgesamt stellten die 700 Polizisten bei dem lange geplanten Einsatz 16 000 Asservate und 130 Terabyte an Daten sicher.
Nun, ein Jahr nach der Razzia, wurde das FNS auf Basis der Beweismaterialien verboten. Ende Juli überreichten Polizisten den führenden Köpfen des FNS eine Verfügung, kraft derer das rechtsextreme Netzwerk mit sofortiger Wirkung aufgelöst und verboten ist. Gleichzeitig mussten die Neonazis alle Kontaktmöglichkeiten sowie die Website des FNS abschalten, eine der bundesweit wichtigsten neonazistischen Internet-Plattformen. Zudem wurde das Vereinsvermögen, der zugehörigen Szeneversandhandel »Final-Resistance« und die FNS-Immobilie im oberfränkischen Oberprex »zugunsten des Freistaates Bayern eingezogen«. Zusätzlich zu den Vermögenswerten sind auch noch »Forderungen und Sachen Dritter« von bayerischen Sicherheitsbehörden beschlagnahmt worden, »soweit sie aus Beziehungen entstanden sind, die nach Art, Umfang oder Zweck eine vorsätzliche Förderung der verfassungswidrigen Bestrebungen der Vereinigung darstellen«.

Ausschlaggebend für das Verbot war vor allem, dass das FNS seit seinem Bestehen die »aggressiv-kämpferischen verfassungsfeindlichen Bestrebungen der 2004 verbotenen ›Fränkischen Aktionsfront‹ an deren Stelle weiterverfolgt« hat. Überdies war eine »klare Wesensverwandtschaft mit dem historischen Nationalsozialismus« Anlass für die Maßnahme nach dem Vereinsgesetz. Anhand der beschlagnahmten »Konzeptpapiere und Programme«, berichtete Herrmann anlässlich des Verbots, sei nicht nur die »tief im Nationalsozialismus verwurzelte Ideologie« deutlich geworden, sondern auch die »gewaltbereite Ausrichtung des ›Freien Netzes Süd‹ und seiner Anhänger«. »Mit dem Verbot«, lobte Herrmann die Maßnahme, »treffen wir die Organisationsstrukturen der neonazistischen Szene in Bayern empfindlich«. Das Vorgehen gegen das FNS verdeutlicht nach Meinung des Ministers »einmal mehr, dass die Staatsregierung konsequent alle Mittel des Rechtsstaates nutzt, um neonazistischen Umtrieben wirkungsvoll zu begegnen«.
Tatsächlich ist die Wirkung des Vereinsverbots aber begrenzt. Wegen der langen zeitlichen Dauer konnte die ehemals parteifreie Neonaziszene in Bayern die Zeit dazu nutzen, schon vor dem Verbot Ersatzorganisationen aufzubauen. So hat sich das FNS spätestens seit Oktober 2013 auch öffentlich immer stärker der im September desselben Jahres in Heidelberg gegründeten Partei »Der III. Weg« zugewendet (Jungle World 18/14). Zunächst beschränkte sich diese Kooperation auf die Übernahme von Texten, später tauchten auch Banner der neuen rechtsextremen Partei auf, etwa bei der alljährlichen Demonstration in Wunsiedel.
Kurz danach etablierte sich die Kleinstpartei um das rheinland-pfälzische ehemalige NPD-Mitglied Klaus Armstroff auch zusehends in Bayern. Erst gründete sich im November 2013 ein »Stützpunkt« in der Landeshauptstadt München, wenig später folgten weitere Niederlassungen: in Hof im Januar, Nürnberg/Fürth im März, Schwaben im Mai und Ostbayern im Juni. In den »Stützpunkten« gibt es teils enge personelle wie strukturelle Überschneidungen mit dem FNS. Aber es agieren nicht nur viele ehemals führende FNS-Kader im Namen von »Der III. Weg«. Die mittlerweile fünf bayerischen »Stützpunkte« der Partei befinden sich in den ehemals wichtigsten Aktionsgebieten des verbotenen Nazinetzwerks.
Mit einer rassistischen Demonstration gegen die Aufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Deggendorf Ende Mai und einer Gartenfeier auf dem Grundstück des führenden FNS-Kaders Tony Gentsch im oberfränkischen Oberprex Mitte Juli, also kurz vor dem Verbot des FNS, trat die Kleinstpartei sogar als Veranstalter auf. Damit hat das FNS schon vor dem Verbot unter den Augen der Behörden eine Organisation aufgebaut, die es ermöglicht, die bisherigen Aktivitäten in Bayern fortzuführen.

Völlig wirkungslos ist das Verbot allerdings nicht geblieben. Zwar konnten die Nazis die verbotene Organisationen schon weitestgehend durch eine neue ersetzen. Doch die Beschlagnahmung des Vereinsvermögens sowie die Einziehung des Versands und der Immobilie in Oberprex kamen für die Szene überraschend. Nun trifft sie der finanzielle Verlust. Außerdem fällt mit dem Anwesen in Oberprex auch ein Treffpunkt weg, den die Neonazis bislang immer ohne größere öffentliche Proteste für ihre Veranstaltungen nutzen konnten. Er dürfte weder schnell noch leicht zu ersetzen sein. Dennoch zeigt sich insgesamt: Ein Verbot mit Ankündigung verfehlt sein Ziel.