In der Debatte um Leihmutterschaft kommt die weibliche Selbstbestimmung zu kurz

Schlachtfeld Frauenkörper

In der Debatte über Leihmutterschaft ­finden sich Parallelen zur Debatte über Sex- und Hausarbeit. Es geht um die pat­riarchale Regulierung des weiblichen Körpers, den es zu »schützen« gilt.

In Deutschland ist Leihmutterschaft verboten, da sie als mit der Würde des Menschen unvereinbar angesehen wird. Doch mit der Würde der Frauen ist es im Patriarchat immer so eine Sache – mit der Freiwilligkeit auch –, weshalb sich in der Debatte um Leihmutterschaft einige interessante Parallelen zu denen über Sexarbeit finden, in Hinblick auf die Akzeptanz gesetzlicher Grauzonen, Bevormundung und den Wert des Frauenkörpers.
Weder Eizellenspenderinnen noch Leihmütter oder die »Wunscheltern« werden in der BRD strafrechtlich verfolgt. Kriminalisiert werden nur die Ärzte, die nach dem Embryonenschutzgesetz mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe rechnen müssen. So wird Abhilfe im Ausland gesucht, mit großen Unterschieden in Preisen und »Serviceleistungen«: In den USA werden für eine Leihmutterschaft bis zu 100 000 Dollar fällig, während es in Georgien mit etwa 5 000 Dollar derzeit am günstigsten sein soll. Ebenfalls beliebt und »preiswert« sind Länder wie Indien, Thailand, Russland und die Ukraine. Allerdings gibt es oft Schwierigkeiten, das Baby nach Deutschland mitzunehmen. Die Behörden des Landes der Leihmutter stellen den Babys oft keine Papiere aus, weil sie ihrer biologischen Herkunft nach Deutsche seien, das Auswärtige Amt in der BRD aber sagt, die rechtmäßige Mutter sei diejenige, die das Kind geboren habe, und stellt keinen deutschen Reisepass zur Einreise aus. Dies hat oft ein monatelanges juristisches Hin und Her zur Folge, was meist durch die Anerkennung »humanitärer Gründe« zugunsten der Wunscheltern ausgeht; das Baby muss ja schließlich irgendwo hin. Interessant ist, dass das Auswärtige Amt in seinen Reisehinweisen über diese Probleme informiert, das Bedürfnis nach dem »Leihmuttertourismus« wird damit anerkannt.

Der regulierungswütige Staat toleriert diese Grauzone nicht nur, sondern braucht sie in gewisser Weise auch – ähnlich wie bei Sexarbeit, Schwangerschaftsabbruch und Drogenkonsum, wenn menschliche Bedürfnisse sich eigene Wege suchen, die man durch das Gesetz aufgrund des Gezerres verschiedener moralischer Standards nicht eindeutig regeln will.
Ebenso will der Staat bestimmen, was und wer Familie sein darf. Damit wird die Biologie – auch in Hinblick auf homosexuelle Lebensgemeinschaften und soziale Elternschaft –, die die Kleinfamilie zusammenhalten soll, wieder hochgehalten. Aber eben auch im vollem Bewusstsein, dass man diese starre Definition mit einer Auslandsreise umgehen kann.

In Indien boomt das Geschäft mit der Leihmutterschaft. Rund 3 000 Kliniken soll es dort geben, deren Umsatz sich auf 300 Millionen Euro belaufen soll. Den Service nutzen nicht nur unfruchtbare Paare, sondern auch solche, die das Kind nicht selbst austragen wollen. Es kommen einem die Hausarbeit-Debatten wieder in den Sinn: Sollte Schwangerschaft als körperliche Schwerstarbeit nicht entsprechend anerkannt und entlohnt werden, wenn man diese Arbeit an eine Dienstleisterin delegiert? Bisher haben sich in Indien bereits über 20 Kliniken auf Ausländer spezialisiert. Seit 2013 gibt es ein Gesetz, wonach die Wunscheltern in einem Land leben sollen, das eine grenzüberschreitende Leihmutterschaft erlaubt. Dem indischen Moralkodex zufolge dürfen ledige und homosexuelle Paare keine Kinder mehr von Inderinnen austragen lassen. Leihmutterschaft ist von Agenturen so durchorganisiert, dass dort bis zu 50 Frauen ein Haus bewohnen, um Embryonen auszutragen. Die Klinik wirbt sie in den umliegenden Ortschaften an, unter der Bedingung, dass sie verheiratet und körperlich fit sind und bereits ein eigenes Kind zur Welt gebracht haben. Die Kosten für eine Leihmutterschaft liegen bei 8 000 bis 28 000 Euro. 3 000 bis 5 000 Euro davon bekommen die Frauen, was dem Vielfachen eines durchschnittlichen Jahreseinkommens entspricht. Viele Frauen entscheiden sich für diese Arbeit, um sich eine größere Ausgabe zu ermöglichen, die sie sonst nie finanzieren könnten: ein Haus, eine Geschäftseröffnung, der Universitätsbesuch für die eigenen Kinder. Aber dies als Hoffnungsschimmer für die Armen zu glorifizieren, verdeckt natürlich nur die skandalöse globale Ungerechtigkeit, der diese Frauen zunächst ausgesetzt sind.
Forderungen der Wunscheltern, die Lebensweise der Leihmutter zu beeinflussen, machen das Machtgefälle zwischen beiden Parteien deutlich. Zum Beispiel wird als Austragungsmethode oft ein Kaiserschnitt verlangt, auch wenn er medizinisch nicht notwendig ist. Die Austragende muss alle möglichen Untersuchungen über sich ergehen lassen und die Ergebnisse offenlegen. Wenn dabei herauskommt, dass das Kind behindert sein könnte, gibt es oft keine klaren vertraglichen Regelungen, wie im Fall des acht Monate alten Gammy, der jüngst durch alle Medien ging. Dementsprechend gibt es auch Kritik an dem Geschäft mit den »Bäuchen zur Miete«. Indische Frauenrechtlerinnen nennen die Kliniken »Baby-Fabriken für die Reichen« und organisieren Aufklärungskampagnen zum Schutz der Leihmütter. Zudem gibt es immer wieder Berichte über ma­fiöse Organisationen, die Frauen zur Sexarbeit und auch zur Leihmutterschaft zwingen und bis zur Austragung gefangen halten. Wenn die Nachfrage steigt, wird auch derartiges nicht weniger werden.
Aber Leihmütter handeln nicht nur aus finanzieller Not. Leihmutterschaft ist immerhin unter anderem in Dänemark, Griechenland, Großbritannien und Israel legal. Die amerikanische Autorin Alexandra Robbins hat für das Monatsma­gazin Washingtonian Frauen interviewt, denen es nicht um eine Entlohnung ging. Eine von ihnen meinte, schwanger zu sein mache sie einfach glück­lich. Gerne unterstellt man solchen Frauen grenzenlose Egozentrik. Lust an der Schwangerschaft, aber dann nicht emotional an das Baby gebunden sein wollen? Unsere altbackenen Vorstellungen vom »Mutterinstinkt« lehren doch, dass das nicht normal sein kann! Entsprechend hängt dem Bild der Leihmutter immer etwas leicht Monströses an.

Das Image der Leihmutter reicht von der altruistischen, etwas realitätsfernen Heiligen mit einer unbefleckten Empfängnis über die ausgebeutete Arme bis hin zur schäbigen Prostituierten, die ihren Körper »hergibt«, ohne zu lieben. Leihmütter berichten, dass sie in ihrem sozialen Umfeld oft als Huren beschimpft würden. Hier wird die Frage nach Wert, Ehre und Selbstbestimmung interessant.
Wir tun uns bei den Themen Leihmutterschaft und Sexarbeit auch deshalb so schwer, weil die Bedeutung von Sex und Gebären für Frauen sehr stark von gesellschaftlichen Vorstellungen geprägt ist. Wir gehen davon aus, dass Sexualität Frauen verletzlich macht, weil unsere Gesellschaft es gewohnt ist, Frauen darüber zu entwerten. Eine Strategie, die seit 2 000 Jahren bestens funktioniert: Weibliche Sexualität und Gebärfähigkeit werden auf eine im wahrsten Sinne des Wortes paternalistische Art als »rein« und »schützenswert« deklariert, womit sie aber den Frauen enteignet werden. Im Patriarchat ist es ihre Körperlichkeit, die die Frau immer verletzlich macht, so dass man sie wegsperren, verschleiern oder anderweitig regulieren muss, siehe die Gesetze zur Pille danach, Verhütung, Beratungspflicht, Sterilisation, Abtreibung und Schwangerschaft. Tatsächlich ist diese Schutzbehauptung ein Ins­trument, Frauen die Souveränität über ihre Lebensführung und über ihren Körper abzuerkennen. Das Perfide daran ist natürlich, dass diese Verletzlichkeit sich auch auf das Selbstwertgefühl der Frauen auswirkt.
Das Problem liegt in der Verhinderung der Selbstbestimmung der Ausführenden – aus »humanitären« Bedenken oder durch die Regulierung seitens des Staats, der Kliniken und der Agenturen. In einer patriarchalen und kapitalistischen Welt können Frauen nicht frei entscheiden, wie sie diesen Beruf gestalten und welchen Wert sie ihm und damit auch sich selbst als Ausführenden geben.