Die NPD im Wahlkampf in Thüringen

Skandale und Laiendarsteller

Für die NPD geht es im thüringischen Wahlkampf um die Existenz. Mit einer Mischung aus Rechtsrock und Bürger­nähe versucht die rechtsextreme Partei zu punkten.

Rechtsrock an allen Orten. Ob Mitte Mai der sogenannte Eichsfeldtag in Leinefelde, »Rock für Deutschland« Anfang Juli in Gera, das »politische Festival der Nationalen« in Sondershausen oder die Kundgebung »Wir wollen Zukunft – Musik und Redebeiträge gegen den Zeitgeist« am Wochenende in Hildburghausen, die NPD und ihre Bündnispartner setzen in Thüringen auf das Mobilisierungspotential der Begleitmusik zu Mord und Totschlag. Kaum verwunderlich, die beiden Spitzenkandidaten für die Landtagswahl, die am 14. September stattfindet, sind vorbestrafte Neonazis. Patrick Wieschke aus Eisenach und Thorsten Heise aus Leinefelde treten auf den Listenplätzen eins und zwei an. Heise, bundesweit als Veranstalter von Rechtsrockkonzerten bekannt, wurde unter anderem wegen schwerer Körperverletzung verurteilt, sein Name wird auf einer Liste von Personen »mit nachgewiesenen Kontakten zu Tätern oder Beschuldigten« im NSU-Prozess aufgelistet. Wieschke saß unter anderem wegen Anstiftung zur Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion in einem türkischen Imbiss im Gefängnis. Vor zwei Jahren wurde er als Nachfolger des langjährigen Landesvorsitzenden Frank Schwerdt an die Spitze der NPD in Thüringen gewählt, einer seiner beiden Stellvertreter wurde Heise.

Für den Wahlkampf kündigte die Partei 87 Kundgebungen in Thüringen an. Diese Kleinkundgebungen dienen nicht nur der Mobilisierung auf den Straßen, sondern sollen generell den Eindruck von Präsenz vermitteln. Die mediale Aufmerksamkeit richtet sich in dünner besiedelten Gebieten notfalls auch auf das Schlüpfen eines Storchs, eine Kundgebung der NPD ist da immer eine Nachricht wert. In den sozialen Netzwerken wird dann das virtuelle Echo auf solche Meldungen ventiliert. Den Usern wird Aktivität suggeriert, es soll der Eindruck erweckt werden, die Bewegung befände sich im Aufwind. Schon eine Ankündigung von Wahlständen in der näheren Umgebung erhält mehr als fünf Dutzend Likes. Ein Infostand mit Fotos findet in den sozialen Netzwerken beinahe doppelt so viel Zustimmung.

Allein mit der Mobilisierung ihrer Stammwähler dürfte der NPD der Einzug in den Landtag nicht gelingen. Deshalb bemüht sich die Partei, Skandale zu provozieren, um auf sich aufmerksam zu machen. Mitte Juli versuchten die beiden Spitzenkandidaten Wieschke und Heise an der letzten Parlamentssitzung des thüringischen Landtags als Gäste teilzunehmen. Gedacht als symbolischer Einzug, endete der Versuch in einem Fiasko. Antifaschistische Demonstranten und die Polizei versperrten den NPD-Kandidaten den Zugang zum Gebäude. Nach einer Stunde mussten die Neonazis ihr Vorhaben aufgeben. Die Medien reagierten kaum auf diesen Auftritt. Einigen Kameraden aus Greiz wäre es hingegen beinahe gelungen, einen überregionalen Skandal zu evozieren. David Köckert, ehemaliges Mitglied der »Alternative für Deutschland« (AfD) und Organisator der Proteste gegen eine Unterkunft von Flüchtlingen in Greiz, postete in einem sozialen Netzwerk drei Bilder, auf denen zu sehen ist, wie zwei Flüchtlinge dem Kandidaten der NPD dabei helfen, seine Wahlkampfplakate mit den Slogans »Schöner leben – Die Asylflut stoppen« und »Kindergärten statt Asylheime« aufzuhängen. »Nun, bei unserem Einsatz vor dem Heim, wollen wir auch zeigen, dass die gemeine Fachkraft zum Einsatz kommt. Den etwas dunkel geratenen Fachkräften meinen Dank!!!«, kommentiert er die Fotos zynisch. Nur die schnelle Reaktion von antirassistischen Aktivisten und eine Anzeige wegen Urheberrechtsverletzung sorgten für eine rasche Löschung der Bilder im Internet.

Im Zuge des Wahlkampfs versucht die Partei, sich ein soziales Image zu verpassen. Im Wahlkampfvideo präsentiert sich ihr Spitzenkandidat als »Junge von nebenan«, der sich die Sorgen der einfachen Leute anhört. Biederes Auftreten trifft hier auf eine professionelle Aufmachung. Gleich zu Beginn darf der im Rollstuhl sitzende Ralf Friedrich aus Nordhausen mehr Gerechtigkeit einfordern und Wieschke dabei die Hand schütteln. Was auf den ersten Blick wie eine Szene aus dem Leben erscheint, ist eine Inszenierung. Friedrich sitzt für die NPD im Kreistag und Stadtrat. Zudem will er im September in den Landtag einziehen. Recherchen des Infoportals »Thüringen rechtsaußen« zufolge sind alle Protagonisten des Wahlwerbevideos zumindest Mitglieder der Partei. Den Versuch der NPD, durch den Auftritt von Polizisten im Video einen Skandal zu provozieren, kommentierten die Experten trocken: »In billigen Polizeiuniformen treten hier Wieschkes Kumpels und Kumpelinen als Polizisten auf.«

Die größte Hürde auf dem Weg in den Landtag stellt aber die große Konkurrenz dar. Die AfD möchte in Thüringen in den Landtag einziehen. Dafür hat der Landesverband einen pro­non­ciert rechten Spitzenkandidaten gewählt, Björn Höcke. Anfang August auf einer Pressekonferenz mit den Spitzenkandidaten aus Brandenburg, Sachsen und Thüringen trumpfte er richtig auf. Höcke hält »Gender Mainstreaming« für eine »vernunftwidrige Ideologie«, mittels derer »neue Menschen« gezüchtet werden sollen, er verspricht, der Politikerkaste entgegenzutreten, »die sich ›den Staat zur Beute‹ machen will«, und er will die »politische Korrektheit« wegräumen, die »wie Mehltau über unserem Land« liege. Diese Aussagen waren Franz Eibl, dem Bezirksvorsitzenden der Partei in Oberfranken und Sprecher des bayerischen AfD-Landesverbandes, zu viel des rechten Gedankenguts. In seiner Rücktrittserklärung betonte er, dass das in der Pressekonferenz »vorgestellte Gesellschaftsbild schlichtweg reaktionär« und »für Menschen, die für eine pluralistische, liberale, offene und tolerante Gesellschaft eintreten, nicht akzeptabel« sei. Eibl kritisierte, dass »von Ausländern nur in Zusammenhang mit Kriminalität« die Rede sei und vorgegeben werde, »wie viele Kinder Frauen künftig zu bekommen haben«. Für ihn stehe fest, »dass die politische Mitte längst nicht mehr die Zielgruppe dieser Partei ist«.

Der SPD-Landtagsabgeordnete Thomas Hartung sieht in der extrem rechten Ausrichtung der AfD in Thüringen Kalkül. »Die AfD versucht in Thüringen unter dem Deckmantel der Bürgerlichkeit Wähler mit extrem konservativen bis rechtsextremen Inhalten an sich zu binden«, sagte er im Gespräch mit der Jungle World. Die Partei mache sich dabei zunutze, »dass die CDU auf Bundesebene zunehmend konservative Positionen räumt«. Doch in Thüringen stehe dem eine »in Teilen extrem konservativ« ausgerichtete CDU entgegen. Hartung hält es deshalb für fraglich, ob es der AfD gelingt, »in Sachen Ausländerfeindlichkeit und Homophobie« die Thüringer CDU rechts zu überholen.