Der Urlauber

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Während Zehntausende Bahnreisende den Arbeitskampf zwischen der Lokführergewerkschaft GDL und der Deutschen Bahn als eher wenig entspannend empfunden haben mögen, da teilweise stundenlang keine Züge fuhren und sie auf Bahnhöfen festsaßen, blieb der Vorsitzende der GDL, Claus Weselsky, die Ruhe selbst – und entspannte bei einem Kurzurlaub. Dabei könnte man meinen, dass so ein Warnstreik jede Menge Planung erfordert, stundenlang muss beraten und diskutiert werden, Strategien müssen entworfen und Entscheidungen getroffen werden. Das alles scheint dem 55jährigen zu viel geworden zu sein: Kurz nachdem Weselsky am Mittwoch voriger Woche einen weiteren Warnstreik »in den nächsten Tagen« angekündigt hatte, nahm er sich eine Auszeit in einem Schlosshotel im beschaulichen Lübbenau. Dass ein Gewerkschaftschef mitten im Arbeitskampf Urlaub macht, mag als extreme Form der Kritik der Arbeit gemeint sein, allerdings hat Weselsky auch einige Gründe, das Weite zu suchen.
Als wäre so ein Tarifstreit mit der Deutschen Bahn nicht anstrengend genug, musste er im Machtkampf mit der konkurrierenden Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) jede Menge Kritik einstecken. Dabei hat Weselsky nur das getan, was er immer tut: in hartem Tonfall simple Botschaften verbreiten, um die eigenen Leute zu mobilisieren und den Gegner scharf anzugreifen. Dass dabei die eigenen Worte stets mit Bedacht gewählt werden sollten, scheint der Lokführer jedoch vergessen zu haben. Bei einem Aktionstag seiner Gewerkschaft Ende August sagte er: »Wenn sich zwei Kranke miteinander ins Bett legen und ein Kind zeugen, da kommt von Beginn an was Behindertes raus.« Veranschaulichen wollte er damit die von ihm nicht gutgeheißene Fusion der Konkurrenzgewerkschaften Transnet und GDBA zur EVG, doch für seine diskriminierende Aussage wurde er öffentlich kritisiert, es wurde sogar sein Rücktritt gefordert. Weselsky entschuldigte sich und bedauerte, »nicht die richtigen Worte« gewählt zu haben. Doch den Kern der Kritik scheint er nicht verstanden zu haben. Die Gemüter beruhigen konnte seine Entschuldigung auch nicht lange. Nun beschweren sich einige wegen seines Kurzurlaubs, der aber vielleicht doch keine schlechte Idee war, bescherte er ihm immerhin ein wenig Zeit, um über seine Aussage nachzudenken. Ob Weselsky mit der Bahn nach Lübbenau fuhr, ist nicht bekannt.