Die Jazz-Musiker des Klaeng-Kollektivs

Gemeinsam ist der Jazzer weniger allein

Sieben junge Musiker aus Köln gründen eine Band und nennen sie Klaeng-Kollektiv.

Wer sich mit Jazz und improvisierter Musik beschäftigt, gilt im Freundeskreis schnell als hoffnungsloser Fall. Was tun, wenn man nicht vereinsamen will? Man sucht sich Leute, denen es ähnlich geht. Sieben in und bei Köln lebende Musiker um die 30 haben sich gefunden. Vor fünf Jahren gründeten Schlagzeuger Jonas Burgwinkel, Sänger und Multiinstrumentalist Tobias Christl, Pianist Pablo Held, Gitarrist Tobias Hoffmanns, Kontrabassist Robert Landfermann, Saxofonist Niels Klein und Trompeter Frederik Köster das Klaeng-Kollektiv. »Wir haben uns zusammengeschlossen, um auf die Aktivitäten, auf die verschiedenen Richtungen im Jazz in der improvisierten Szene innerhalb Kölns aufmerksam zu machen«, sagt Held.
Als erstes veranstaltete das Kollektiv im Jahr 2010 das Klaeng-Festival. Gleichzeitig schafften die Musiker es auch, das »Subway« wieder zu beleben – ein Jazzclub, in dem seit 1970 etliche internationale Stars wie Chet Baker, Dizzy Gillespie oder Archie Shepp aufgetreten sind. »Das Festival war ursprünglich als Podium gedacht, um unsere Projekte zu präsentieren. Im Laufe der Jahre haben wir uns aber immer weiter zurückgezogen«, sagt Frederik Köster. In diesem Jahr stand erstmals, abgesehen von den Moderationen, kein Musiker der Gruppe auf der Bühne. Statt im »Subway« fand die Veranstaltung im belgischen Generalkonsulat statt – aus Platzgründen. Eine tiefere Bedeutung hat der Name Klaeng übrigens nicht. »Er wurde von Klang abgeleitet«, sagt Robert Landfermann. Man wollte einen Namen für das Kollektiv, der griffig und gut zu merken ist. Und das »e« hat irgendwas mit dem »e« in »Koeln« zu tun. Die Wortspielereien sagen einiges über die unkonventionelle Arbeitsweise der Musiker aus. Dass keine weiblichen Mitglieder dabei sind, sei reiner Zufall, sagt Landfermann. Immerhin sorgt Geschäftsführerin Lisa Baum dafür, dass das Projekt keine reine Männerveranstaltung ist, und beim Festival lag der Frauenanteil bei rund 25 Prozent – also alles im Rahmen der üblichen Quote im Jazz.
Bevor der letzte Festivalabend beginnt, sitzen wir zu fünft an einem Holztisch in einem Raum ohne Fenster, der ansonsten als Bibliothek dient. Jetzt herrscht hier Chaos: Auf dem Tisch liegen Messer und Gabel, Pizza und Kuchen, dazwischen Zettel und anderes Zeugs. In der Ecke liegen Klamotten und Instrumente. Immer wieder platzen Leute hinein, weil sie etwas suchen oder sich verlaufen haben – wie in einer WG. Pablo Held, Robert Landfermann, Niels Klein und Frederik Köster erzählen ihre Geschichte, während sich die übrigen Mitglieder draußen um die zahlreichen und für die Jazz-Szene überwiegend recht jungen Gäste des Festivals kümmern. Für die Bandmitglieder gehe es neben dem Musizieren darum, Kooperationen mit Kollektiven in anderen Städten aufzubauen und zu unterhalten, sagen sie. In Zeiten knapper Fördergelder hat es anspruchsvollere Musik ohnehin schwer, Kooperationen seien da oft der einzige Ausweg. »Wir alle haben rund ein Dutzend Jobs«, sagt Pablo Held. »Mit Üben und Auftreten allein ist es schon lange nicht mehr getan.« Seine Mitstreiter nicken. Sie sind Veranstalter, arbeiten als Lehrer und Dozenten, komponieren und organisieren den Vertrieb: Auf dem eigenen Label Klaeng Records sind bislang fünf CDs erschienen. Es könnten mehr sein. Zweimal im Monat ist Plenum. »Oft hängt es im Jazz oder in der improvisierten Musik an Einzelpersonen, die für die gesamte Organisation zuständig sind. Wenn diese sich zurückziehen, entsteht oft eine Lücke, die nicht mehr gefüllt werden kann«, sagt Robert Landfermann. Daher wolle man versuchen, die Verantwortlichkeiten auf viele Schultern zu verteilen.
Man will aus den Fehlern der anderen lernen. Die Berliner Free Music Production etwa galt einst als wichtigstes Label der europäischen Freejazz-Szene. Auf mehreren hundert Tonträgern wurde der musikalische Aufbruch seit den sechziger Jahren in Europa dokumentiert. Festivals wie das »Total Music Meeting« und der »Workshop Freie Musik« boten eine Bühne für Marilyn Crispell, Joëlle Léandre, Evan Parker, Alexander von Schlippenbach und Cecil Taylor. Vor fünf Jahren hat das Label aufgegeben, auch weil die öffentliche Förderung drastisch gekürzt worden war und für einen neuen Anlauf nach 40 Jahren die Energie fehlte. Die Wuppertaler Freejazz-Szene, die über viele Jahrzehnte von Peter Brötzmann, Peter Kowald und Hans Reichel geprägt wurde und weltweit ihre Spuren hinterlassen hat, existiert ebenfalls nicht mehr. In Köln musste vor einigen Jahren der Betreiber des »Loft«, Hans Martin Müller, um die Zukunft seines Veranstaltungsortes fürchten. 1989 gegründet, hatte sich das »Loft« über die Jahre bundesweit zu einem der wichtigsten Orte für improvisierte und Neue Musik entwickelt. Über den Dächern von Köln-Ehrenfeld, in der zweiten Etage eines ehemaligen Fabrikgebäudes, wollten alle spielen. Sogar Karlheinz Stockhausen schaute einst vorbei. Vor drei Jahren fand das Ordnungsamt der Stadt Köln schließlich heraus, dass im Falle eines Brandes nicht genügend Fluchtwege vorhanden seien. Zahlreiche Solidaritätskonzerte fanden statt, um den Umbau zu finanzieren. Auch das Klaeng-Kollektiv beteiligte sich daran. Im September spielten die Musiker anlässlich des 25. Jubiläums gemeinsam im »Loft«. Die Klaeng-Musiker fanden eine gute Infrastruktur vor: Musikhochschule, WDR, Stadtgarten oder das Label Jazzhausmusik. Das spiegelt sich auch im Programm des diesjährigen Festivals wider. Im Frank Gratkowski Quartett traten mit dem Bandleader und Saxophonisten Gratkowski und dem Kontrabassisten Dieter Manderscheid nicht nur zwei Größen der lokalen und europäischen Jazz-Szene auf – sie waren auch die Lehrer von Niels Klein und Robert Landfermann. »Wir versuchen immer, eine persönliche Beziehung zu den Musikern herzustellen«, sagt Klein. Mit der Offenheit gegenüber Musikern aus anderen Zusammenhängen, Städten und Ländern ging auch eine Erweiterung der musikalischen Bandbreite einher. So waren in diesem Jahr neben Jazz und improvisierter Musik auch »Neue Musik« sowie Singer/Songwriter zu hören. Ein Trend, der auch auf anderen, vormals reinen Jazz- oder Klassikfestivals zu beobachten ist. Die Grenzen zwischen den diversen Genres werden eingerissen und aufgelöst; beim weltweit bekannten Moers Festival wurde mittlerweile der Name »New Jazz« komplett aus dem Titel gestrichen. Neben musikalischen Gründen hat dies natürlich auch damit zu tun, dass die Gelder und somit auch die Auftrittsmöglichkeiten für Musiker, die sich abseits des Mainstreams bewegen, begrenzt sind. Oder, wie es Frederik Köster ausdrückt: »Wir können es uns gar nicht leisten, uns von anderen Musikern oder Szenen abzugrenzen.«