Streit über rechte Tendenzen beim Schwulenmagazin »Männer«

Reaktion ist Männersache

Frauenfeindlichkeit, Hass auf Muslime und Transphobie – wegen dieser Vorwürfe wurde der Chefredakteur des Schwulenmagazins Männer entlassen.

»Wenn ein Homo-Magazin aus Angst vor dem Islamismus in die Knie geht, ist das eine dunkle Stunde für den Journalismus insgesamt«, schrieb David Berger Anfang Februar. Kurz zuvor hatte ihn der Bruno-Gmünder-Verlag mit sofortiger Wirkung seines Postens als Chefredakteur des schwulen Kaufmagazins Männer enthoben. ­Vorangegangen war ein monatelanger Streit zwischen der Deutschen Aidshilfe (DAH) und dem streitbaren katholischen Theologen und Buchautor Berger, der von der lesbisch-schwulen Community mit großer Aufmerksamkeit verfolgt wurde. »Gerade jene, die nicht dem Mainstream und Erwartungen von Gesellschaft und Szene entsprechen können oder wollen, gilt es zu unterstützen. David Berger tut das Gegenteil«, hatte die DAH bereits Ende November einen Anzeigenstopp in Männer begründet.

Zum Verhängnis wurde Berger letztendlich der Lehrer und Autor Daniel Krause. Unter Bergers Verantwortung durfte dieser einen Beitrag auf dem Männer-Blog der Huffington Post veröffentlichen. »Die publizistische Grundhaltung« des Autors Krause widerspreche den »journalistischen Ansprüchen und Werten« des Bruno-Gmünder-Verlags fundamental, distanzierte sich das Unternehmen deutlich. Ein Anruf Krauses in der Call-in-Sendung »Tagesgespräch« auf WDR 5 gibt Aufschluss darüber, welche Grundhaltung Krause pflegt. »Mich persönlich interessiert Auschwitz privat überhaupt nicht. Ich beschäftige mich lieber mit dem IS-Terrorismus, mit dem Islamismus. Mir geht sogar die Massentierhaltung emo­tional näher als Auschwitz. Alle 20 Minuten sterben sechs Millionen Tiere, das geht mir emotional viel näher!« zeterte Krause dort Ende Januar in den Hörer. Der WDR veröffentlichte das Gespräch im O-Ton, die Medien stürzten sich auf den Fall.
In Nordrhein-Westfalen ist Krause kein Unbekannter. Er wurde bereits wegen einer Rede auf einer Demonstration von Pro NRW als Lehrer suspendiert. Dagegen klagte er erfolgreich. Doch nach dem Anruf in der Sendung folgte die zweite Suspendierung. Das hatte auch berufliche Folgen für Berger. »Es ist für uns unerträglich, dass wenige Tage nach dem 70. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz unser Magazin mit Positionen eines politischen Brandstifters in Zusammenhang gebracht wird, dessen Gedankengut sich offensichtlich aus Antisemitismus und der Relativierung des Holocaust speist«, teilte die Geschäftsführung des Bruno-Gmünder-Verlags der Öffentlichkeit mit.
Krause fühlte sich missverstanden, verbrannte plakativ Werbematerialien der NPD und veröffentlichte Fotos davon auf seinem Facebook-Profil. Berger distanzierte sich nicht von Krause, sondern beklagte sich auf seiner eigenen Facebook-Seite und kritisierte seinen Rauswurf mit den eingangs zitierten Worten. Zuspruch für die Verlagsentscheidung kommt hingegen aus Köln vom Bund Lesbischer und Schwuler Journalisten. »Der Verlag hat die überfällige Konsequenz aus dem journalistischen Abdriften David Bergers in rechtspopulistische Argumentationsmuster gezogen«, konstatiert Axel Bach, Vorstand des Bundes, nüchtern im Gespräch mit der Jungle World.

Seinen Einstand als Chefredakteur bei Männer hatte Berger Anfang 2013 mit einer spektakulären Kampagne gegen die klerikalfaschistische Seite kreuz.net gefeiert. Sein Förderer Bruno Gmünder rief zu Spenden auf, mit denen ein Kopfgeld zur Ergreifung der Hintermänner von kreuz.net ausgelobt wurde. Der Coup mündete letztendlich in einen Spendenskandal. Im Spätherbst 2014 wurde öffentlich, dass Berger sich sein Engagement mit 6 000 Euro Honorar aus Spendengeldern hatte bezahlen lassen. Auch deshalb mutierte Berger 17 Monate nach Amtsantritt zum Imageproblem für den Verlag.
Nicht von ungefähr kam es im Sommer 2014 zum ersten Streit mit der deutschen Aids-Hilfe. Tim Schomann vom schwulen Präventionsprojekt IWWIT kritisierte einen Kommentar des Gastautors Dennis Deuling in Männer als »zynisch und gedankenlos«: »Deuling macht eine unterstellte ›Andersartigkeit‹ von ›Indianern‹, Schwarzen und Juden dafür verantwortlich, was sie er­litten haben.« Berger konterte mit einer Facebook-Schlacht, sah in der Meinungsäußerung des DAH-Mitarbeiters vor allem eine Verschwendung von Steuermitteln und kritisierte vermeintliche linke »Denkverbote«. Kritik begegnete der ehemalige Lektor der Päpstlichen Kongregation für die Glaubenslehre mit herabwürdigenden Spitzen, zudem streute er Gerüchte über von linken Journalisten angeheuerte »Schlägertrupps«. So machte sich Berger fortan in rechten Kreisen populär. »Es ist notwendig, dass wir uns aus der Geiselhaft linksgrüner Berufsschwestern befreien. Auf deren Würgegriff haben wir keine Lust mehr«, erregte sich Alexander Tassis, bekennender Fanboy von Beatrix von Storch und Vorsitzender der »Homosexuellen in der AfD«, über die »Hetze gegen David Berger«.
»Der Männer-Chefredakteur trollt auf allen Kanälen und oft unter der Gürtellinie«, schrieb dagegen Micha Schulze auf queer.de. Die Mär vom »Zickenkrieg« widerlegte kurz der schwule Journalist Dirk Ludigs. »Der Kampf zwischen Fortschritt und Reaktion geht weiter«, kommentierte er im lesbisch-schwulen Berliner Stadtmagazin Siegessäule den Konflikt und attestierte Berger und seiner »homophilen« Anhängerschaft, »nach oben zu buckeln und nach unten zu ­treten«.
Die danach immer groteskeren Ausfälle Bergers, etwa über das »Frauenhaus« – gemeint ist die Redaktion der Siegessäule – oder das »Zentralkomitee der Queeriban« – gemeint ist die Redaktion von queer.de – konterte der Chefredakteur von queer.de zum Nikolaustag und listete in 48 000 Zeichen Vorwürfe »gegen das System Berger« auf. Anhand einer Fülle von Screenshots und Artikelausschnitten zeichnet er das Bild eines renitenten Rechtspopulisten und stützt damit die Entscheidung der DAH, keine Anzeigen mehr in Männer schalten zu wollen. Frauenfeindlichkeit, Hass auf Muslime und Transphobie sind die Vorwürfe. »Eine differenzierte Auseinandersetzung zum Thema Homophobie und Islam bleibt der Journalist schuldig. Der Beifall von rechts bleibt indes nicht aus«, beurteilte die DAH die Sache.

In der Tat nimmt Berger keine Rücksicht auf die tradierten Sensibilitäten in der lesbisch-schwulen Presse. Im Gespräch mit der Welt beschrieb Berger die Zielgruppe von Männer und grenzte sich despektierlich ab von »der Kreuzberger Lesbe, die sich als Mann fühlt«. Frauenfeindlich und transphob in einem Rutsch fand das die Szene. Der Bruno-Gmünder-Verlag schließt sich der Meinung an und begründet den Rauswurf Bergers damit, dass das Unternehmen nicht akzeptieren könne, »wenn versucht wird, die journalistische Freiheit zur Diffamierung von Personen und Gruppen auszunutzen«.