antifaschistische union dortmund im Gespräch über die Dortmunder Naziszene

»Vermutlich aus der Notwendigkeit heraus«

Ende März findet in Dortmund zum zehnten Mal die antifaschistische Demonstration in Erinnerung an Thomas »Schmuddel« Schulz statt. Thomas Schulz wurde am 28. März 2005 von dem Neonazi Sven Kahlin erstochen, der immer noch in der Naziszene aktiv ist. Die Dortmunder Nazis planen für den 28. März eine Demonstration und ein Konzert. Derzeit sind die Veranstaltungen der Nazis verboten. Die Antifaschistische Union Dortmund hat mit der Jungle World über die Dortmunder Naziszene und den 28. März, ihren zehnten Geburtstag, gesprochen.

Ihr feiert dieses Jahr euren zehnten Geburtstag. Warum habt ihr euch damals gegründet?
Der Anlass war damals der Mord an Thomas Schulz. Mit der Organisierung als Gruppe wollten wir der starken Neonaziszene in Dortmund etwas entgegensetzen. Zu diesem Zeitpunkt gab es in Dortmund keine klassische Antifa-Gruppe, und der Mord hat auf traurige Weise deutlich gemacht, dass hier ein Bedarf besteht. Die Antifaschistische Union hat sich dann aus Mitgliedern ehemaliger Antifa-Gruppen und Einzelpersonen zusammengefunden. Daher kommt auch unser Name.
Der Mord an Thomas Schulz war ein einschneidendes Ereignis. Zum zehnten Mal wird mittlerweile die Demonstration gegen rechte Gewalt veranstaltet. Warum soll danach Schluss sein?
Wir glauben, dass eine letzte große und entschlossene Demonstration zum zehnten Todestag ein guter Abschluss ist, bevor die Gefahr besteht, dass die »Schmuddel-Demo« irgendwann zum reinen Selbstzweck verkommt und ihren Zenit überschreitet. Die Demonstration ist wie gesagt eng mit unserer eigenen Geschichte als Gruppe verknüpft, und wir möchten daher zehn Jahren Demonstrationshistorie ein würdiges Ende setzen. Dazu kommt, dass wir einige Ziele, die mit der »Schmuddel-Demo« verknüpft waren, auch erreichen konnten. Dies war beispielsweise die Stärkung antifaschistischer und linksradikaler Strukturen in Dortmund, um die Neonaziszene offensiv anzugehen.
Ebenso war es immer unser Anliegen, mit der Demonstration rechte Gewalt und das Naziproblem zu thematisieren. Das ist uns ganz gut gelungen, die Neonazis gibt es zwar immer noch, aber der öffentliche Umgang mit ihnen hat sich schon geändert. Allerdings heißt ein Ende der Demons­tration nicht, dass »Schmuddel« in Vergessenheit geraten wird. Der Mord ist natürlich trotzdem noch ein wichtiger Referenzpunkt für die Dortmunder Antifa, und das Gedenken an »Schmuddel« wird sicherlich immer wieder Thema sein.
Es gibt nicht viele Antifa-Gruppen, die so lange bestehen, viele orientieren sich um. Warum ist das bei der Antifaschistischen Union anders?
Vermutlich aus der Notwendigkeit heraus. Es ist schwer zu sagen, ob es uns in der Form noch gäbe, wenn Dortmund kein Naziproblem in dem bekannten Ausmaß hätte. Dennoch verstehen wir uns ebenso als linksradikale Gruppe und versuchen, uns auch anderen Themenfeldern emanzipatorischer Gesellschaftskritik abseits von Antifa-Arbeit zu widmen. Damit haben wir uns in den vergangenen zehn Jahren vielleicht nicht nur Freunde gemacht, aber es war uns immer wichtig, klare Positionierungen zu Antisemitismus, Antiamerikanismus und Nationalismus zu vertreten. Hinzu kommt, dass bei uns oft ein klarer Konsens zu diesen Themen herrschte, an denen viele Antifa-Gruppen irgendwann zerbrechen. Auch können wir eine personelle Kontinuität verzeichnen, so dass ein hohes Maß an Vertrauen und guter Zusammenarbeit existiert. Das sieht bei Gruppen, die eine höhere Mitgliederfluktuation haben, vielleicht anders aus, und es kommt schneller zu Streitigkeiten.
Die Naziszene in Dortmund ist gerade wieder in den Medien. Wie schätzt ihr »Die Rechte« in Dortmund derzeit ein?
Das ist schwer zu sagen. Das Verbot des »Nationalen Widerstands Dortmund« (NWDO) im Jahr 2012 hat die Nazis sicherlich auf infrastruktureller Ebene getroffen, aber die Reorganisierung als Partei hat ja dann ganz gut funktioniert. Generell ist momentan zu beobachten, dass die Mobilisierungsfähigkeit abnimmt, dafür aber mit zum Teil militanten Aktionen versucht wird, Öffentlichkeit zu erzeugen. Man könnte das als Konzept der »Skandalpolitik« bezeichnen, denn auch schlechte Presse hält »Die Rechte« ja im Gespräch. Politisch sorgt dies aber eher für Isolation. Mittlerweile ist wohl jedem und jeder bewusst, dass hinter der vermeintlich seriösen Partei gewaltbereite Neonazis stehen. Aber auch der Gegenwind, der den Nazis mittlerweile in Dortmund entgegenschlägt, ist ein anderer als noch vor fünf Jahren, und das führt bekanntlich auch zum Zugzwang. Insgesamt ist es aber wohl immer noch zutreffend, dass in Dortmund eine aktive und nicht zu unterschätzende Naziszene existiert, die sich nicht so schnell zerschlagen lassen wird. Es liegt also auch an uns, weiter daran zu arbeiten.
Momentan wird in der Politik und in den Medien immer wieder die Möglichkeit eines Verbots der Partei »Die Rechte« diskutiert. Haltet ihr dies für sinnvoll?
Aus taktischen Gründen wäre ein Verbot vermutlich keine schlechte Sache. Die Neonazis würden so erneut ihre Grundlage verlieren und müssten sich wieder neu organisieren. Ebenso würden viele Aktionen, die bisher unter dem Schutz ihrer Partei stehen, schwieriger werden. Auf der anderen Seite sind Verbote natürlich nur Symbolpolitik, neonazistische Ideologien können damit nicht aufgelöst werden. Auf dem letzten Verbot hat sich die Stadt ausgeruht und konnte sich zur antifaschistischen Instanz stilisieren, was bekanntermaßen schiefgelaufen ist. Aber auch von Antifa-Gruppen kam nach dem Verbot des NWDO nicht viel, da nehmen wir uns nicht aus. Der Aufbauprozess der Partei wurde nicht zur Genüge angegriffen, und die Chance, gegen die Nazis noch einmal ordentlich nachzutreten, wurde damit vertan. Wir sehen das also eher pragmatisch: Wenn »Die Rechte« verboten werden sollte, würden wir das weder beklagen noch glorifizieren, sondern versuchen, das Beste daraus zu machen.

Antifaschistische Demonstration in Erinnerung an Thomas »Schmuddel« Schulz, 28. März um 14 Uhr, S-Bahnhof Dortmund-Dorstfeld. Informationen unter www.dortmund.blogsport.de