Das große Sterben

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»Gegenwärtig genießen Amphibien die zweifelhafte Ehre, die am stärksten bedrohte Tierklasse der Erde zu sein«, schreibt Elizabeth Kolbert in »Das sechste Sterben«. Kolbert, eine der angesehensten amerikanischen Wissenschaftsautorinnen, zitiert einen Amphibienkundler: »Ich habe eine Karriere in der Herpetologie angestrebt, weil ich gerne mit Tieren arbeite. Damals ahnte ich nicht, dass diese Tätigkeit irgendwann der Paläontologie ähneln würde.« Ginge es allein um Amphibien, etwa um den so gut wie ausgestorbenen Panama-Stummelfußfrosch, mit dem Kolbert ihr bemerkenswert recherchiertes, so faszinierendes wie alarmierendes Sachbuch beginnt, wäre die Lage zweifellos schlimm, aber die Tragweite des Problems überschaubar. Doch so ist es nicht. Im Untertitel steht: »Wie der Mensch Naturgeschichte schreibt«. Der Mensch also, wieder mal. Für die ersten fünf großen Massensterben – das Aussterben der Dinosaurier ist das bekannteste –, kann er nichts, fürs sechste aber sehr wohl. Wälder werden gerodet, Energiereserven angezapft, Biosphäre, Atmosphäre und Klima geraten durcheinander. Immer mehr Arten sterben aus. Kolbert taucht ein in die Naturgeschichte der Erde, spricht mit Geologen, Botanikern, Zoologen. Sie weiß: »Noch nie zuvor hat eine Spezies so stark in das Leben auf der Erde eingegriffen.« Das Zeitalter, für das wir verantwortlich sind, trägt unseren Namen: Anthropozän. Aussichten: mager.

Elizabeth Kolbert: Das sechste Sterben. Wie der Mensch Naturgeschichte schreibt. Berlin 2015, Suhrkamp, 312 Seiten, 24,95 Euro