Will der Hamburger HSV den Ausbau eines Flüchtlingsheims verhindern?

Hamburger Hickhack um HSV-Parkplätze

Der Hamburger SV wird mit Kritik überschüttet, weil er angeblich die Erweiterung eines Flüchtlingscamps verhindern will. Dabei hatte sich der Fußball-Bundesligist in der Vergangenheit kooperativ gezeigt, im Gegensatz zu vielen Anwohnern wohlhabender Stadtteile.

Manchmal sollte man genau hinschauen, bevor man sich ein Urteil bildet. Jüngst musste man diese Tugend dem Hamburger SV (HSV) entgegenbringen, der schlagartig in den Medien auftauchte und sofort in den sozialen Medien mit Kritik überhäuft wurde. Es ging dabei nicht etwa um die sportliche Lage bei dem in den vergangenen Jahren immer wieder abstiegsgefährdeten Gründungsmitglied der Fußballbundesliga, sondern um den örtlichen Umgang mit Refugees. »HSV verhindert größeres Zeltlager für Flüchtlinge« titelte das Hamburger Abendblatt, »HSV verhindert Zeltstadt für Flüchtlinge« der Spiegel. Was war geschehen? In unmittelbarer Nähe zum Volks­park­stadion existiert bereits seit einigen Monaten die Zentrale Erstaufnahmeeinrichtung (ZEA) Schnackenburgallee, in der derzeit rund 1 300 Flüchtlinge untergebracht sind. Sie leben in Containern, die auf ehemaligen Parkplätzen des HSV stehen. 300 dieser Parkplätze, die sonst für Heimspiele genutzt werden, mussten dafür weichen. Der Aufbau der Unterbringung erfolgte auf Initiative des Vereins und wurde vom Bezirk Altona begrüßt.

Der jüngste Streit entbrannte, als der Bezirk ohne Absprache mit dem HSV weitere 400 der insgesamt 1 500 Parkplätze in eine Zeltstadt umwandeln wollte. Der Fußball-Bundesligist reagierte darauf mit einer Unterlassungserklärung. Und wurde in kürzester Zeit in sozialen Netzwerken auf das Übelste beschimpft. Nun könnte man sich freuen, dass es auch eine derart deutliche und spontane Solidarität mit Flüchtlingen gibt, während andernorts in Deutschland Heime brennen und Bürgerinitiativen auf die Straße gehen. Doch so einfach gestaltet sich die Causa HSV nicht. Denn der Club agierte in der Sache von Anfang an kooperativ und wies die Anfeindungen, er sei gegen die Unterbringung von Flüchtlingen, empört zurück. Gerade im Vergleich mit Bürgerinitiativen in wohlhabenden Hamburger Stadtteilen agierte er tatsächlich vorbildlich. »In der nun konkreten Erweiterung der ZEA Schnackenburgallee geht es somit auch nicht um die Frage, ob weitere Flächen zur Verfügung gestellt werden, sondern wo«, erklärte der Verein in einer Pressemitteilung. Lob erhielt der Verein für sein Verhalten auch von Seiten der Politik. »Der HSV hat sich zuletzt und auch in dieser Frage absolut kooperativ verhalten. Die zu klärende Frage ist lediglich, wie wir die Ausweitung der Unterkünfte bestmöglich mit dem Spielbetrieb des HSV in Einklang bringen können. Wir sind hierzu in einem positiven und konstruktiven Austausch«, sagte Michael Neumann, Senator für Inneres und Sport, der Pressemitteilung des Vereins zufolge.

Natürlich ist die Frage erlaubt, ob geeignete Unterkünfte nicht wichtiger sind als Parkplätze für Fußballspiele. Der HSV jedenfalls bangt um einen geordneten Ablauf bei seinen Heimpartien. »Verkehrstechnisch würden große Probleme entstehen, wenn weitere Parkflächen verloren gingen«, sagte Mediendirektor Jörn Wolf dem Hamburger Abendblatt. Fans klagten in den vergangenen Monaten bereits über lange Staus. Der HSV ist aber bereit, eine Parkplatzfläche an der Luruper Chaussee für die Unterbringung von Flüchtlingen zur Verfügung zu stellen. Die Stadt hat allerdings Bedenken geäußert. Es sei nicht einfach, dort sanitäre Anlagen zu errichten. Nun kann man dieses Hickhack kleinlich nennen, dem HSV aber generell zu unterstellen, er verweigere die Unterbringung von Flüchtlingen, ist offenkundig falsch.
Hamburg ist politisch gespalten. Während einem Spendenaufruf des Hamburger Abendblattes rund 10 000 Menschen folgten und Kleidung, Spielzeug, Schuhe, Fahrräder und ähnliches für Flüchtlinge spendeten, wehren sich andernorts Anwohner vehement gegen deren Unterbringung. Im Hamburger Stadtteil Jenfeld verhinderten Anwohner vor einigen Wochen den Aufbau einer provisorischen Erstaufnahmeeinrichtung (Jungle World 29/2015). Im Moorpark wollte das Deutsche Rote Kreuz (DRK) 50 Zelte für 800 Flüchtlinge aufbauen, kam aber nicht dazu, weil wütende Anwohner sich ihnen in den Weg stellten. Trotz Präsenz der Polizei zogen die DRK-Helfer schließlich unverrichteter Dinge ab. Die Jenfelder gaben an, nicht von dem Bauvorhaben in Kenntnis gesetzt worden zu sein. Einige Tage später wurde die Zeltstadt dann unter Polizeischutz aufgebaut.

In sehr wohlhabenden Stadtteilen sind Flüchtlinge nicht gern gesehen. Es drängt sich der Eindruck auf, die Hilfsbereitschaft halte genau so lange, wie die Flüchtlingsunterkunft nicht vor der eigenen Nase entsteht. In Harvestehude erwirkten einige Anwohner einen Baustopp für den Umbau des Kreiswehrersatzamtes in eine Flüchtlingsunterkunft. Das zuständige Verwaltungsgericht gab ihnen recht, da es sich um ein »besonders geschütztes Wohngebiet« handele. Erst eine Änderung des Bebauungsplans lässt nun den Umbau zu, der 2016 beginnen soll. 220 Flüchtlinge werden dann in dem ehemaligen Amt wohnen. Im vornehmen Blankenese gibt es ebenfalls Proteste der Anwohner gegen den Bau eines Flüchtlingsheims im Björnsonweg. Geplant ist eine Unterbringung für 192 Menschen, einige Anwohner finden eine Zahl von 90 gerade noch akzeptabel. Oft wird die Ablehnung nicht offen zugegeben, sondern versteckt hinter Kritik an der Größe des Wohnheims. Dabei sind die Einrichtungen in den reichen Stadtteilen in der Mehrzahl deutlich kleiner als in sozial schlechter gestellten Gebieten. Im Schnitt beherbergen die Flüchtlingsheime in Hamburg 190 Menschen. In Stadtteilen wie Billstedt leben 1 400 Flüchtlinge, am Curslacker Neuen Deich in Bergedorf knapp 800. Und in Wilhelmsburg ist eine Einrichtung für 1 300 Menschen geplant. Eilig werden immer neue Standorte gesucht, da die Zahl der Flüchtlinge ein Rekordhoch erreicht hat. Rund 12 000 Menschen suchten im ersten Halbjahr 2015 Schutz in der Hansestadt, genauso viele wie im gesamten Vorjahr. Die Erweiterung der Aufnahmestelle Schnackenburgallee ist ebenso notwendig wie Einrichtungen in wohlhabenden Stadtteilen.
Der HSV jedenfalls hat mit Sicherheit mehr für Flüchtlinge getan als einige Anwohner in Harvestehude und Blankenese. Bei fast jedem Heimspiel der vergangenen Spielzeit verteilte der Verein 40 bis 100 Freikarten, die es Bewohnern der ZEA in Stadionnähe erlaubten, die Bundesligaspiele zu besuchen. Auch der Flüchtlingshilfe Harvestehude gebührt ein Lob. Sie hat nichts gemein mit den klagenden Anwohnern, sondern setzt sich engagiert dafür ein, in dem Hamburger Stadtteil Flüchtlinge willkommen zu heißen. Zwei Beispiele, die zeigen, dass ein genauer Blick auf die Sachlage nötig ist, um sich nicht unbedacht falscher Entrüstung anzuschließen.