Notizen aus Neuschwabenland, Teil 9

Ausweitung der Resonanzräume

Diese Kolumne berichtet über das Milieu der »Neuen Rechten«. Notizen aus Neuschwabenland, Teil 9: Das »Institut für Staatspolitik« (IfS), die AfD und ALFA.

Das »Institut für Staatspolitik« (IfS) in Schnellroda blickte im Juni auf 15 Jahre »metapolitische« Tätigkeit zurück. Im Jahr 2000 wurde es durch Götz Kubitschek und Karlheinz Weißmann nach dem Vorbild des jungkonservativen »Politischen Kollegs« der Weimarer Republik gegründet. Wenngleich sich die Wege der Gründer kürzlich getrennt haben, so bleibt das Institut doch eine zentrale Einrichtung der äußersten Rechten. Im August steht die bereits 16. Sommerakademie des IfS an. Entsprechend stolz gab man sich, das neurechte Magazin Blaue Narzisse (BN) berichtet von gut besuchten Feierlichkeiten.
Nach anfänglicher Zurückhaltung wird auch die Verbindung zur Alternative für Deutschland (AfD) immer deutlicher, die mittlerweile über persönliche Kontakte etwa zum thüringischen AfD-Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke hinausgeht. Nach Schätzung des BN-Berichts hatte ein Viertel der Besucher auf der Jubiläumsfeier ein Parteibuch der AfD. Nachdem bereits die Junge Freiheit inoffizielles Parteiorgan wurde, wird nun auch durch das IfS entgegen aller antiparlamentarischen Rhetorik die Klientel der AfD bespielt werden. Entsprechend heißt es auch über die Gäste: »Für das IfS bedeute die AfD jedoch vor allem eine Ausweitung des eigenen Resonanzraums – weit über die üblichen Milieus hinaus.« An dem anderen Resonanzraum, Pegida, hat Kubitschek intensiv mitgearbeitet. Das Echo dieser Bewegung besteht derzeit in den epidemisch um sich greifenden Brandanschlägen auf geplante Flüchtlingsunterkünfte.

Als Profiteurin der Pegida- und AfD-Welle muss auch die Junge Freiheit gesehen werden. Sie vermeldete einen Anstieg der verkauften Auflage um 6,3 Prozent auf knapp 24 000 Exemplare. Doch nicht alles läuft so glatt. Der für Februar angekündigte Houellebecq-Jugendkulturpreis der BN ist noch immer nicht vergeben. Obgleich das Blatt noch vollmundig angekündigt hatte, sich nicht von der Distanzierung des Autors beeindrucken zu lassen, hat sich bisher nichts ­getan.
Ein Nachhall der AfD-Spaltung hat wiederum die marktradikale Hayek-Gesellschaft erreicht. Neben der Vorsitzenden Karen Horn ist auch deren Stellvertreter Michael Wohlgemuth zurückgetreten. Mit ihnen verließen 50 Mitglieder den Verein, unter ihnen der FDP-Vorsitzende Chris­tian Lindner, der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, der frühere BDI-Chef Hans-Olaf Henkel und einige bekannte Wirtschaftsprofessoren. Anlass war die Forderung des Vorstands nach einer Abgrenzung der Gesellschaft gegenüber extrem rechten Positionen, die vom Sekretär der Stiftung, Gerd Habermann, verweigert wurde. André Lichtschlag, ­Herausgeber der rechtslibertären Zeitschrift eigentümlich frei und selbst Mitglied der Hayek-Gesellschaft, sah in einem Gespräch mit Kubitscheks Sezession eine parallele Entwicklung von AfD und Hayek-Gesellschaft seit vergangenem Winter. Demnach habe es einen Putschversuch des korrupten Establishments an der Spitze als Panikreaktion auf die »Volksbewegung« Pegida gegeben. Dieser sei jedoch wider Erwarten gescheitert und hätte sowohl bei der AfD als auch bei der Hayek-Gesellschaft eine wahre Systemopposition von rechts gestärkt. Zu den verbleibenden Mitgliedern der Hayek-Gesellschaft zählt auch die »Lebensschützerin« Beatrix von Storch von der AfD.

Unterdessen machte der ehemalige AfD-Chef Bernd Lucke ernst und gründete am 19. Juli in Kassel seine neue Partei unter dem Namen »Allianz für Fortschritt und Aufbruch« (ALFA). Da sie den Fokus auf die europäische Währungspolitik lenkt, kann sie als Versuch gewertet werden, zu den Gründungsideen der AfD zurückzukehren. So soll die »Westbindung« außer Frage stehen und nationale Wirtschaftskompetenz gebündelt werden. Ein deutlicher Seitenhieb gegen die AfD, die mit der Abwahl Luckes fast alle profilierten Mittelstandslobbyisten verloren hat.
Fraglich ist, wie es mit den verbleibenden Europaabgeordneten der AfD weitergeht, die bislang der Fraktion der europäischen Konservativen und Reformer (EKR) angeschlossen sind. Von den ehemals sieben Abgeordneten sind fünf Lucke gefolgt und firmieren nun unter dessen neuem Label ALFA. Die beiden verbleibenden, NRW-Landeschef Marcus Pretzell und Beatrix von Storch, haben nach Luckes Ansicht mit dem Profil der EKR nichts mehr gemein. Sie müssen sich wohl einen neuen Resonanzraum suchen.