In Hamburg wollen Nazis den »Tag der deutschen Patrioten« begehen

Hogesa, Hogesa – Mors, Mors

Am 12. September wollen Hooligans und Neonazis in Hamburg den Erfolg der Kölner Hogesa-Demonstration wiederholen und planen einen bundesweiten Aufmarsch in Hamburg zum »Tag der deutschen Patrioten«.

Mors, ein deftiger plattdeutscher Ausdruck für den menschlichen Hintern, wird noch eine der harmloseren Beschimpfungen sein, mit welchen bundesweit angereiste Hooligans und Neonazis bedacht werden, wenn sie anknüpfend an die Großdemonstration »Hooligans gegen Salafismus« am 26. Oktober 2014 in Köln einen erneuten Aufmarsch, diesmal in Hamburg, versuchen. Für die Hamburger Innenstadt wurde bereits im Mai eine Demonstrationsroute angemeldet, in Online-Netzwerken wird seitdem von Kadern der Hamburger NPD, Kameradschaftlern und Hooligan-Kreisen unter dem Motto »Gemeinsam sind wir stark« geworben.
Unter dem selben Motto fand im Oktober 2014 der gewalttätige Aufmarsch in Köln statt. »Der Hogesa-Aufmarsch der Nazi-Hooligans im Oktober 2014 war ein großer Erfolg für die Rechten«, sagt Felix Krebs vom »Hamburger Bündnis gegen Rechts« (HBgR) im Gespräch mit der Jungle World. »Erstmals seit langem waren wieder Tausende auf der Straße und das Spektrum reichte von organisierten Neonazis über rechte Hooligans bis hin zu AfD- und Pegida-Aktivistinnen.« Der Hamburger Nazi Thorsten de Vries trat in Köln als Redner auf. Nach Angaben des HBgR ist de Vries wegen zahlreicher Vorstrafen zwar nicht Anmelder, aber Organisator des »Tages der deutschen Patrioten«. De Vries war bis 2007 im Landesvorstand der Hamburger NPD, verließ dann aber nach Kritik an seiner plumpen Verherrlichung des Nationalsozialismus die Partei.
»De Vries selbst pflegt immer noch ein eindeutiges Bekenntnis zum Nationalsozialismus und ein taktisches Verhältnis zu geltenden Gesetzen«, so Krebs. Das Bündnis gegen rechts besteht seit über zehn Jahren. In dieser Zeit hat es große Proteste gegen Naziaktivitäten organisiert und pazifistische Gewerkschafter und militante autonome Antifaschisten vereint. Nicht umsonst intervenierte de Vries im November 2014 gegen den ersten, kurzfristigen Plan einer Wiederholung der Hogesa-Demonstration in Hamburg: »Ihr habt doch überhaupt keine Ahnung davon, was hier in Hamburg los ist, wenn der FC Sankt Pauli und seine Antifa-Szene gegen Euch mobilisiert, wenn die autonome Flora-Szene mobilisiert und die Linken mal in voller Besatzung antreten.« De Vries versprach, dass man nach genügender Vorbereitungszeit mit den »echten, politischen Hools« einen Aufmarsch nachholen werde.
Jetzt scheint der Zeitpunkt gekommen. Bilder der Krawalle von Köln sollen offenbar ein gewaltgeneigtes Publikum einladen. Mit rassistischen Kampfbegriffen wie »Volkstod« und »Überfremdung« wird für einen Aufmarsch am 12. September in Hamburg mobilisiert. De Vries etwa tat sich mit einem antisemitischen Posting bei Facebook hervor, in dem er behauptete, die Bankiersfamilie Rothschild regiere die Welt. »Das ursprünglich von de Vries anvisierte, sehr breite Spektrum wird sich wohl doch eher auf rechte Hooligans und Fußball-Fans, NPDlerinnen, Neonazis und Kameradschaftlerinnen reduzieren«, schätzt Felix Krebs vom HBgR.

Es wird auf jeden Fall eine große und starke antifaschistische Demonstration geben – für Geflüchtete und gegen völkischen Patriotismus, Neofaschismus und Rassismus. Im Aufruf des HBgR heißt es deutlich, dass dort protestiert werden wird, »wo die RassistInnen ihre menschenverachtende Propaganda verbreiten wollen«. Den Aufruf des HBgR haben bisher über 600 Gruppierungen unterzeichnet, darunter Religionsgemeinschaften, Gewerkschaften, Parteien, die Asten der Hamburger Hochschulen, migrantische Organisationen, Antifa-Gruppen, antirassistische Initiativen, der FC St. Pauli mit über hundert Fangruppen und Gliederungen, aber auch der Chaos Computer Club, das städtische Filmfest Hamburg und andere Kulturschaffende.

Der rot-grüne Hamburger Senat behandelt den Naziaufmarsch lediglich als ordnungspolitisches Problem, für welches die Polizei zuständig ist. Am Donnerstag vergangener Woche erließ die Polizeiführung ein Verbot des Naziaufmarsches. Es liege ein »polizeilicher Notstand« vor, bundesweit angeforderte Einheiten stünden nicht zur Verfügung. Dabei wird auch der antifaschistische Protest als Ordnungsproblem gesehen: »Wir tolerieren keine Gewaltexzesse in Hamburg – weder von rechts noch von links«, so Polizeipräsident Ralf Martin Meyer. Die Veranstalter haben vor dem Verwaltungsgericht Widerspruch eingelegt. Da die Polizei ihr Verbot »mit einem angeblich zu erwartenden polizeilichen Notstand begründet, also angibt, bundesweit zu wenig Kräfte zu haben, wird dieses Verbot wahrscheinlich vor dem Verwaltungsgericht, dem OVG oder spätestens dem BVG kassiert werden«, so das HbgR in einer ersten Reaktion. »Wir mobilisieren deshalb weiterhin für eine antifaschistische Demonstration und Blockaden der Nazis.«

Militante Aktionen autonomer Antifaschisten gegen vier bekannte Hamburger Nazikader gab es vergangene Woche. In einem Bekennerschreiben heißt es, dass deren Autos »tiefergelegt, entglast und/oder angezündet« wurden. Unabhängig davon, ob das polizeiliche Verbot des Naziaufmarsches vor Gericht Bestand haben wird oder nicht: Die antifaschistische Demonstration soll am 12. September um 10 Uhr beginnen und um 12 Uhr dort enden, wo der »Tag der deutschen Patrioten« zelebriert werden soll. »Wo unsere Demonstration beginnen wird, wird davon abhängen, was den Nazis-Hooligans genehmigt wird und ob ihnen etwas genehmigt wird«, so das HBgR in einer Erklärung. Dabei kann es auch sein, dass, wie bei den Protesten gegen den letzten großen Naziaufmarsch in Hamburg am 2. Juni 2012, die Polizei rigide gegen Antifaschisten vorgeht, wenn diese die Route der Nazi-Hooligans zu blockieren versuchen.
Die Polizei sieht sich jedenfalls vor dem »größten und wohl schwierigsten Einsatz seit Jahrzehnten«. Das Hamburger Abendblatt berichtete, dass die Polizeiführung rund 3 000 gewaltbereite Nazis zum »Tag der deutschen Patrioten« erwartet. Es werde bundesweit mobilisiert. Zum Polizeiszenario gehören auch bis zu 15 000 »teilweise gewaltbereite« Gegendemonstranten an diesem Tag. Das HBgR hofft auf eine tatkräftige und massenhafte Unterstützung der geplanten Blockaden. Zurzeit wird mobilisiert für den Treffpunkt Hachmannplatz am Hamburger Hauptbahnhof.