Notizen aus Neuschwabenland, Teil 10: Die Rechte und die Willkommenskultur

Achtung »Umvolkung«

Diese Kolumne berichtet über das Milieu der »Neuen Rechten«. Notizen aus Neuschwabenland, Teil 10: Die deutsche Rechte und die neue Willkommenskultur.

Mit den Themen Zuwanderung und Asyl haben Kernthemen der rechten Publizistik Konjunktur. Entsprechend ausführlich finden sie Beachtung: Staatliche Leistungen an Asylbewerber werden geneidet, ihre Unterbringung zur Beschwörung von Ängsten genutzt, Polizeieinsätze gegen oder Straftaten von Flüchtlingen regelrecht goutiert. Der Frontmann der »Alternative für Deutschland« (AfD), Alexander Gauland, ist erzürnt, dass sich die Bundesregierung noch an den rechtlichen Vorgaben orientiert. Er möchte das Asylrecht gleich ganz außer Kraft setzen. Die mittlerweile stark ausdifferenzierte Rechte spricht in der Flüchtlingsdebatte mit einer Stimme.

Das Geschehen an Europas Stränden, Grenzübergängen und Bahnstrecken erzeugt Panik: Die Junge Freiheit (JF) schreibt von »Völkerwanderung«, die Blaue Narzisse (BN) von »totalem Bevölkerungsaustausch« und die Identitäre Bewegung vom »großen Austausch«. Dass auch CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer von der »neuzeitlichen Völkerwanderung« spricht, erfreut selbst die NPD, die sonst den Begriff »Umvolkung« bevorzugt. Indessen wies der ehemalige Grünen-Politiker Andreas Vorrath, der seit Jahren in Sachsen zur äußersten Rechten arbeitet, auf enge Kontakte von CDU-Politikern zur AfD und Pegida vor allem in den Landkreisen hin. Die völlige Offenheit der Bürgerlichen in der ostdeutschen Provinz gegenüber den Rechten resultiere aus einer gemeinsamen antidemokratischen Grundhaltung, lautet seine Bilanz.
Hat sich im Diskurs der Mainstream-Medien im Vergleich zu den neunziger Jahren doch manches verbessert, präsentiert der rechte Rand insgesamt Erwartbares: Karlheinz Weißmann nordet das Thema für die JF volkspsychologisch ein und sieht einen Wunsch der Europäer, das »eigene Verschwinden« zu beschleunigen – eine Formel, die von der prompt wiederbelebten Pegida aufgenommen wurde. Thorsten Hinz wähnt einmal mehr die DDR 2.0 am Werk, da viele Journalisten ihre Abscheu gegenüber rassistischen Ausschreitungen und Anschlägen artikulieren. Ganz in der Tradition, die Begriffe des Gegners umzudeuten, kritisiert Michael Paulwitz in einem JF-Kommentar einen deutschen »Sonderweg« in der Asylpolitik: »Sollen die Deutschen ihren Begrüßungskult-Sonderweg doch alleine gehen, während der Rest Europas eher auf die Einwanderungsbremse tritt.« Helfen, schreibt er, sei hierzulande eben ein »Höhere-Töchter-Vergnügen« und werde zur Verhöhnung anderer betrieben.

In die gleiche Kerbe, nur weniger eloquent, schlägt die BN, in der G.I. Nagel die »Betroffenheitsdiktatur« mit ihrer »unerträglichen Mitleidspropaganda« für die Flüchtlinge anprangert. Zu den Toten im Mittelmeer heißt es: »Wenn Menschen, die sich in einem sicheren Land befinden, eine nur rudimentär seetüchtige, absolut übertrieben vollgepferchte Nussschale besteigen, um auf diesem Wege das Meer zu überqueren und illegal in ein fremdes Land einreisen, sind sie einfach selber schuld.« In der Sezession sinniert Götz Kubitschek angesichts der Flüchtlinge über den »richtigen Hebel« und zielt auf das bundesrepublikanische Establishment: »Früher hat man diejenigen gerädert, die dem Feind die Schlüssel reichten.« Bemerkenswert in der Sezession ist allenfalls ein Portrait Karlheinz Weißmanns, das sich erstmals dessen Ausscheiden aus der Sezession und der zugehörigen neurechten Denkfabrik, dem Institut für Staatspolitik (IfS), sowie der eigenen Entfremdung vom »Mutterschiff« Junge Freiheit widmet. In der JF empfiehlt Thorsten Hinz unter seinem Pseudonym Doris Neujahr »Das Heerlager der Heiligen« des französischen Rechtskatholiken Jean Raspail als Buch der Stunde. Der Roman, im Original erstmals erschienen in den siebziger Jahren, ist kürzlich von Kubitschek neu aufgelegt worden. Er beschreibt, wie die nächtliche Landung von einer Million Flüchtlingen an der französischen Küste den Untergang des Abendlandes einleitet, da sich die Europäer zur Hilfe statt zur Abwehr entschließen.